Chirurg u. Häftlingsarzt

* 16. 03.1903 in Iwankowce (der Ort konnte bisher nicht eindeutig ermittelt werden)
† 00.07.1965 in
London

Medizinstudium (bis 1928)
(Medizinischen Universität Warschau)

praktizierte der auf Gynäkologie und Geburtshilfe spezialisierte Chirurg in
Warschau, wo er eine Privatpraxis betrieb und Vertragsarzt an einem örtlichen Krankenhaus war.

1939
Militärchirurg in der polnischen Armee

03.07.1940
durch die Gestapo festgenommen und misshandelt.

12.08.1940
Wehrmacht, Schutzpolizei und SS riegeln am 12. August 1940 die Warschauer Marschalkowskastraße ab und nehmen alle (an diesem Tag 1153 Menschen) junge polnischen Männer mit.

15.08.1940
Am 15. August 1940 treiben die SS-Leute die Menschen durch das Tor mit der Aufschrift ,Arbeit macht frei'. In diesem
Transport vom 15. August befanden sich 1 666 Menschen.
Einer von ihnen ist der polnische Arzt Dering Wladyslaw. Schon beim ersten Appell erfuhren die Deportierten von SS-Lagerführer Fritsch, dass die Häftlinge lediglich das Recht hätten, das Lager „als Rauch durch Schornsteine von Krematorium“ zu verlassen.

Häftlingsnummer 1 723

Ende August 1943
Nachdem der Lagerälteste des HKB Ludwig Wörl Ende August 1943 in den Bunker des
Block 11 gesperrt worden war, übernahm Dering auf Weisung des SS-Standortarztes Eduard Wirths dessen Funktion.

Leiter der Chirurgischen Abteilung im Häftlingskrankenbau (HKB)

Lagerältester im HKB des Stammlagers.

Block 10
Operierte für Horst Schumann auf Block 10, schnitt Frauen die bestrahlten Eierstöcke und Männern die Hoden heraus

Block 21 (Lagerkrankenhaus)

Dering war Informant der Politischen Abteilung.
Einen ihm missliebigen jüdischen Häftlingsarzt und einen Pfleger ließ er ohne Selektion in die Gaskammer schicken.

00.01.1944
Er beantragte die Aufnahme in die Deutsche Volksliste und wurde daraufhin im Januar 1944 aus
Auschwitz entlassen.
Nach seiner Entlassung wurde er an
Claubergs Frauenklinik in Königshütte dienstverpflichtet, wo er bis zum Einmarsch der Roten Armee blieb.

Sommer 1945
Flucht aus Polen

ab Dezember 1945
schloss sich im Dezember 1945 den Truppen von Władysław Anders an, die zunächst noch in Italien und später in Großbritannien stationiert waren

ab August 1946
Geburtshelfer im polnischen Militärhospital in Huntington

00.01.1947
wegen seiner Tätigkeit als Häftlingsarzt in Auschwitz verhaftet und im Gefängnis Brixton inhaftiert
(Seit 1945 stand er auf der Kriegsverbrecherliste der United Nations War Crimes Commission. In der Tschechoslowakei, Frankreich und Polen wurde er als Kriegsverbrecher gesucht. Nun forderte auch Polen von Großbritannien die Auslieferung Derings. Zuvor hatten bereits Frankreich und die Tschechoslowakei seine Auslieferung beantragt. Ein Kastrationsopfer und Auschwitzüberlebender war Ende August 1948 zur Gegenüberstellung mit Dering vorgeladen worden, konnte ihn aber nicht identifizieren. Daraufhin wurde Dering aufgrund unzureichender Beweislage nicht ausgeliefert und aus der Haft entlassen.

nach seiner Entlassung als Arzt in den britischen Kolonien leitete er ein Hospital in Hargeysa (Britisch-Somaliland

1960
1960 wurde er für seinen zehnjährigen Kolonialdienst mit dem Orden des British Empire ausgezeichnet. Er hatte bereits zuvor die britische Staatsangehörigkeit erlangt.

Frühjahr 1960
Rückkehr nach Ealing, wo er ein Haus erworben hatte und zusammen mit seiner zweiten Ehefrau und seiner Stieftochter lebte. Seine erste Frau hatte sich nach Kriegsende von ihm scheiden lassen. nachdem sie von seiner Tätigkeit in Auschwitz erfahren hatte.

1964
Nachdem seine Frau den Roman Exodus von Leon Uris (Verleger William Kimber & Co, Drucker Purnell & Sons Ltd) gelesen hatte, in dem Derings Mitwirkung an den Operationen (insbesondere Sterilisationen) in Auschwitz mit einem Satz erwähnt wird, stritt er ihr gegenüber eine Beteiligung an den Menschenversuchen ab. Auf Bitten seiner Frau erhob Dering im Frühjahr 1964 gegen den Autor Uris, den Herausgeber William Kimer Ltd und den Verleger Purnell & Sons (gegen Zahlung von 500 Pfund aus dem Verfahren ausgeschieden) des Romans vor einem Londoner Gericht eine Verleumdungsklage.
Das Gericht gab Dering, der sich auf Befehlsnotstand berief, weil ihn die Verweigerung der befohlenen Eingriffe das Leben gekostet hätte, formell recht, da ihm nur 130 Eingriffe nachgewiesen werden konnten, sprach ihn aber moralisch schuldig. Uris wurde zu 2,5 Pfennig Schadenersatz verurteilt; Dering mußte den größten Teil der Verfahrenskosten (269 000 Mark) tragen.
(Es ging um diese Aussage des Romans (Seite 155): "Hier in Block X benutzte Dr. Wirths Frauen als Meerschweinchen und Dr. Schumann machte Menschen durch Kastration und mittels Röntgenstrahlung unfruchtbar. Clauberg entnahm Eierstöcke und Dr. Dehring [sic!] führte 17.000 chirurgische 'Experimente' ohne Narkose aus." )

Uris Anwalt brauchte 2 Jahre, um Beweise zu sammeln und Zeugen zu finden.
Der Prozess wurde vor einer 12-köpfigen Jury (10 Männer, 2 Frauen) in Queen's Bench Court VII abgehalten. Sie dauerte 18 Tage und begann am 1. April 1964. Sie wurde auf Griechisch, Polnisch, Hebräisch, Englisch, Deutsch, Französisch und Ladino durchgeführt. Der Richter war Richter Horace Lawton. Lord Gerald Gardiner, der spätere Lordkanzler von England, erschien für Uris und den Herausgeber.
Der Kläger rief sieben Zeugen auf, von denen einige polnische Häftlinge waren. Die Angeklagten riefen 22 Zeugen aus Aschwitz.
Dering gab an, dass Dr. Schumann ihm mitteilte, er führe Röntgenuntersuchungen an Geschlechtsdrüsen von Frauen und Männern durch und wünschte Dering, gerötete Eierstöcke und Hoden zu entfernen. Als er gefragt wurde, sagte Schumann: " Meinst du nicht, ich kann mit Gefangenen tun, was ich mag?"
Dering sagte, wenn er sich weigere, würde er sich selbst in Gefahr bringen.
Einige der Beweise im Namen der Angeklagten enthalten dies:
Im Oktober 1943 wurden 10-12 griechische Mädchen im Alter von 15 bis 19 Jahren ohne ärztliche, körperliche, psychologische oder legitime Gründe einer Ovariektomie unterzogen;

Im Jahre 1943 entfernte Dr. Dering 1 oder beide Hoden von 12 jungen Männern ohne berechtigten Grund; Siehe British Medical Journal Band 1, 5393 16. Mai 1964.
8 Zeugen gaben an, Ovariektomien erhalten zu haben;
6 gab Beweise, deren Hoden entfernt worden waren;
Eine Liste ist vom Auschwitzer Gefängniskrankenhausregister erhalten. Es enthielt die Namen von 130 Personen, die chirurgische Eingriffe erhielten, bei denen Dering entweder der Chirurg oder der Assistent war. Die Liste war zumindest teilweise in Derings Handschrift.
Während die Angeklagten nicht zeigen konnten, dass Dering ohne Betäubung operierte, gab es Beweise, dass Operationen unter schmerzhafter Spinalanästhesie durchgeführt wurden, die den Patienten bei Bewusstsein ließen;
3 Häftlingsärzte legten Beweise für die Angeklagten vor: Dr. Kleinova, Dr. Breuda und Dr. Adelaide Hautval , die Kronzeugin der Angeklagten.

23.03.1965
Im Zuge des 1. Frankfurter Auschwitz-Prozesses wurde Dering am 23. März 1965 in der Deutschen Botschaft in London als Zeuge vernommen.
(148–05.04.1965, Verlesung der Urkunde: Kommissarische Vernehmung des Zeugen Władysław Dering vom 23.3.1965 (London/Großbritannien)

Mit dem ihm bereits aus Warschau bekannten Arzt Jan Gajek betrieb er im Norden Londons eine Praxisgemeinschaft.

Er starb im Juli 1965 nach kurzer Krankheit.

Aussage des ehemaligen Häftlings Mordechay * 1925
Opfer von Versuchen zur Massensterilisierung mit Röntgenstrahlen
Der 18jährige Häftling Mordechay will sich dagegen wehren.
Antwort Dering:
Wenn ich dir deine Eier nicht ausschneide, dann wird man mir die meinen ausschneiden!

Aussage des ehemaligen Häftlings Schmidt Jakob (BV)
Die haßerfüllte Einstellung, die man damals im Lager gegenüber Juden von Mithäftlingen feststellen konnte, habe ich in meinem eigenen Fall beobachten können, als mir einmal Dr. Dering sagte: Du schmutziger Jude, Du kommst doch sowieso ins Krematorium.

Aussage des ehemaligen Häftlings Andre Lettich (Häftlingsarzt)
Dieser Chirurg operierte mit einer ziemlich großen Brutalität. Die Patienten erhielten eine leichte örtliche Betäubung, ihre Schreie waren entsetzlich zu hören. Oft wurden zwei Keimdrüsen gleichzeitig entnommen. Viele dieser Unglücklichen starben schnell an diesen Operationsfolgen. Viele starben, weil die "Meerschweinchen" zu erschöpft für ihren Dienst waren.

Aussage des ehemaligen Häftlings Langbein Hermann Häftlingsnummer 60 355
* 18.05.1912 in Wien + 24.10.1995 in Wien
Lachend zeigte er mir eines Tages einen Tabaksbeutel und fragte mich, ob mir nichts besonderes an ihm auffalle. Ich bemerkte nichts Außergewöhnliches. Schau ihn dir gut an, er hat keine Naht. Hast du schon einmal einen solchen Beutel ohne Naht gesehen?, fragte Dering stolz und erklärte mir, wie er zu diesem seltenen Stück gekommen war. Er hat den Hodensack eines Opfers der Sterilisierungsversuche präparieren und gerben lassen.

Neues Deutschland vom 16.08.1970
Die Warschauer Presse gedachte am Sonnabend des 30. Jahrestages des ersten Transports Warschauer Hitlergegner nach Auschwitz. Arn 15. August 1940 waren 1700 Antifaschisten der polnischen Hauptstadt in Güterwagen gepfercht, und in das faschistische Vernichtungslager transportiert worden

Marschalkowskastraße, Warschau