SS-Oberscharführer

* 23.09.1910 in Karlsruhe
† 1998 in Karlsruhe

Reichsdeutscher

Eltern
Knittel Julius u. Knittel Anna
Adresse in 1940er Jahren (Rudolfstrasse 6, Karlsruhe)

verheiratet mit Krüger Anneliese (Annemarie) Adresse bis 1942 Karlsruhe, Karlstrasse 131
zwei Kinder (Dieter * August 1940) u. Volker * 1944)
Beide Söhne und seine Frau starben unter ungeklärten Umständen in den letzten Kriegstagen im Raum Waren / Müritz, wo sie blieb bei Verwandten: Lotte und Karl Mahnke, Bismarckstraße 45 in Waren untergekommen waren.

Beruf: Volksschullehrer

1933 Eintritt in die SS (Mitglieds Nu. 182 172)
Schulungsleiter beim SS-Sturm 9/32 in Schwetzingen

ab 1937
Mitglied der NSDAP

ab 10.12.1939
Mitglied der Bewaffneten Verbände der SS

1940
Angehöriger (SS-Mann) der 9. Kompanie 8. SS-Totenkopfstandarte in
Krakau und Radom

23.08.1940
Beförderung zum SS-Sturmmann

Herbst 1940
Angehöriger der Wachmannschaft im KL
Sachsenhausen

November 1940
in der Kolonialpolizeischule Oranienburg Inspektion Abteilung "Weltanschauliche Erziehung" (ideologische Schulung)

30.01.1941
Beförderung zum SS-Rottenführer

März 1941
Schulungsleiter (Leiter Ausbildung) im KL Sachsenhausen, aber immer noch im Büro KL Inspektion.

01.07.1941
Beförderung zum SS-Unterscharführer

September 1941 - Januar 1945 KL
Auschwitz
Truppenbetreuung (Abteilung V bzw. Abteilung VI)
Leiter der Abteilung VI: Fürsorge, Schulung und Truppenbetreuung
Knittel trug mit seinen ideologischen Schulungen und den kulturellen Aufführungen dazu bei, die Brutalität des KZ-Personals aufrechtzuerhalten. Wegen seines theatralischen Auftretens bei den Veranstaltungen wurde er von den SS-Wachmannschaften als „Truppen-Jesus“ bezeichnet.

Auschwitz, 17. Oktober 1941
Kommandanturbefehl Nr. 28/41
Der neue Leiter der Abt. VI [Truppenbetreuung], SS-Unterscharführer Knittel, übernimmt mit sofortiger Wirkung die weltanschauliche Schulung der hiesigen SS-Angehörigen.

Mai 1942
Knittel läßt seine Frau Annemarie nach Auschwitz nachkommen, die als Scharleiterin der NS-Frauenschaft tätig war.

15. Februar 1943
Am Montag, den 15. Februar 1943, 20:00 Uhr fand im kleinen Saal des Kameradschaftsheimes der Waffen-SS ein Abend statt unter dem Motto "Goethe – ernst und heiter". Diese Veranstaltung bot Gelegenheit, gerade die Volksdeutschen mit den höheren Gütern deutscher Kultur vertraut zu machen. Angesagt haben sich Mitglieder des Sächsischen Staatstheaters Dresden: der Leiter der Bühnenmusik Rolf Schroeder, Staatsschauspieler Horst Bogislaw von Smelding sowie die Altistin Inger Karén, die 1938 bei den Bayreuther Festspielen die Rolle der Erda im Ring des Nibelungen gesungen hat – ihre Kollegin Ottilie Metzger-Lattermann, ebenfalls als Erda in Bayreuth, ist vier Monate zuvor in Auschwitz ermordet worden.

01.02.1943
Beförderung zum SS-Oberscharführer

Auschwitz, 15. September 1943
Standortbefehl Nr. 39 43
Besuch der Mutter ab 10.09.1943 bis auf weiteres
Wohnung Haus 205 bei Oppermann

30. Januar 1944
Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern

25.07.1944 (20:30 Uhr)
Standortbefehl 19/44
Im Kameradschaftsheim der Waffen-SS findet für alle Führer eine Schulung statt. Es spricht der Leiter der Abt. VI, SS -Oscha Knittel, über das Thema: Der Nationalsozialismus in seiner Stellung zum deutschen und europäischen Geistesleben."
(Diskutiert wurde über dieses Referat erst zwei Jahrzehnte später - vor dem Verwaltungsgericht in Karlsruhe. Dort streitet der einstige SS-Oberscharführer und Truppenbetreuer Kurt Knittel um seine Nachkriegsexistenz als baden-württembergischer Regierungsschulrat.)

Januar 1945
Leiter der Abteilung VI (Fürsorge und Schulung) im KL
Mittelbau

Orden, Ehrenzeichen und Medaillen
Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern

August 1945 - April 1948
in einem alliierten Internierungslager

Dezember 1948
Anstellung als Dramaturg einer Wanderbühne in Villingen

1949
Mittelschullehrer im Schuldienst

1957
Das Oberschulamt in Karlsruhe beschäftigt ihn als Referent für Volks-, Mittel- und Sonderschulen

März 1959
Beförderung zum Regierungsschulrat
(ernannt vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kiesinger, der als Hilfswilliger des NS-Außenamts nach Kriegsende im gleichen amerikanischen Internierungslager wie der SS-Mann gesessen hatte.
Gleichwohl kamen Kiesinger Bedenken gegen seinen Schulrat, als Frankfurter Staatsanwälte in Stuttgart Material für den großen Auschwitz-Prozeß sichteten und dabei auf die SS-Standortbefehle mit Knittel-Vortragsankündigungen stießen. Während des Prozesses in Frankfurt machte auch der Angeklagte Mulka die Doppelfunktion Knittels als Truppenbetreuer und Schulungsredner offenbar. Zwar wurde ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen Knittel wieder eingestellt, aber dennoch war aktenkundig geworden, daß der Schulmann ein wichtiges Stück seiner Vergangenheit unterschlagen hatte. Knittels baden-württembergischer Dienstherr reagierte schnell und gründlich: Das Kultusministerium zog Knittel aus der Karlsruher Schulaufsicht zurück und versetzte ihn in ein Hinterstübchen der Badischen Landesbibliothek; Kiesinger erklärte Knittels Beförderung zum Regierungsschulrat für nichtig, weil sie durch arglistige Täuschung herbeigeführt worden sei. Eine Versetzung hätte der Gemaßregelte noch hingenommen; den Ukas des großen Lagerkameraden aber mochte er nicht akzeptieren. Knittel focht die Degradierung zum Rektor verwaltungsgerichtlich an, denn: "Ich habe niemand arglistig getäuscht. Man geheimnist heute in meine Vorträge Dinge hinein, die gar nicht drin waren.")

16.09.1960
Vernehmung Kurt Knittel (geb. 1910-09-23) durch Staatsanwalt Joachim Kügler,

20.02.1962
Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main (4 Js 1031 / 61) gegen ihn wurde 1962 eingestellt.
Der Wortlaut der genannten Vorträge oder deren ungefährer Inhalt konnte nicht mehr ermittelt werden. Der Beschuldigte ist hiernach nicht hinreichend verdächtig, durch Schulungen und Vorträge das SS-Personal in seiner verbrecherischen Tätigkeit bestärkt zu haben (sog. intellektuelle Beihilfe §§ 211, 49 StGB).
Im Auschwitzprozess war sein Name während der Verhöre genannt worden und damit bekannt.
(Nicht zu Unrecht betonte der Staatsanwalt im Auschwitzprozess die moralische Schuld der Schreibtischtäter, die in der jungen Bundesrepublik Deutschland wieder ehrenvolle Ämter bekleideten, wobei er explizit Knittel nannte: „Sicherlich nicht das gravierendste, aber wohl in seiner Konstellation ungeheuerlichste Beispiel dieser Art ist für mich der ehemalige Oberscharführer Knittel. Es gibt kaum einen Kommandantur- oder Standortbefehl in den Gerichtsakten, in dem nicht sein Name auftaucht. Er war es, der dafür sorgte, daß die SS-Mannschaften, soweit das überhaupt noch möglich war, immer noch weiter verhetzt wurden gegen ihre Opfer. Und dieser Mann setzt heute seine segensreiche Tätigkeit fort, indem er als Regierungsschulrat in Baden-Württemberg für die Erziehung eines Teils der deutschen Jugend arbeitet“.)

1. Frankfurter Auschwitz-Prozess
Vernehmungsprotokoll 6466–6468, 6469–6478
Beschluss Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main 11619–11624

Er stellte sich der FDP als Mitglied und Karlsruher Stadtratskandidat zur Verfügung.

Ehrenämter nach 1945
im Rundfunkbeirat des Schulfunks beim Süddeutschen Rundfunk
Geschäftsführer der Volksbühne
Leiter einer Jugendbühne
im Verwaltungsbeirat der Hochschule für Musik Karlsruhe

Regierungsschulrat
Der ehemalige SS-Oberscharführer und jetzige Regiervingsschulrat Kurt Knittel , der der Leiter der Abteilung VI im Konzentrationslager Auschwitz (der Abteilung für Schulung und Kulturbetreuung der SS) war, wurde zwar nach Intervention des Internationalen Auschwitz-Komitees beurlaubt, das Kultusminister im Baden-Württemberg konnte sich aber bisher nicht entschließen, ihn aus dem Oberschulamt in Karlsruhe zu entfernen.
Den Überlebenden von Auschwitz erscheint es untragbar, dass ein Mann, der jahrelang in Auschwitz eine solche Funktion ausgeübt hat, heute an führender Stellung im Erziehungswesen tätig ist. Das Auschwitz-Komitee hat sich auch an den Vorsitzenden der Volksbühne in Karlsruhe gewandt, da Knittel auch Leiter dieser Bühne ist.
Hermann Langbein, der im Namen des Auschwitz-Komitees sowohl bei den Behörden in Karlsruhe als auch im Kultusministerim in Stuttgart intervenierte, musste feststellen, dass Knittel seinerzeit bei seiner Einstellung im Oberschulamt Karlsruhe nicht verschwiegen hatte, dass er bei der SS in Auschwitz Dienst versehen hatte. Trotzdem avancierte er in diesem Amt bis zum Regierungsschulrat. Als Langbein sein Befremden darüber aussprach , wendete der Präsident des Oberschulamtes, Silber, ein, dass dem Amt damals nicht klar gewesen sei, dass Knittel im Konzentrationslager tätig war. Man hätte angenommen, dass er bei einer SS-Garnison in der Stadt Auschwitz während des Krieges Dienst versehen hätte.