Der Weg zu dem ehemaligen Ghettogelände führt zunächst zum Bahnhof, vorbei an den belebten Markthallen, in die Moskauer Vorstadt, zur Gogola iela. Nach wenigen Schritten steht man bei der Hausnummer 25, vor Ruinen Es sind die freigelegten Kellerräume und einzelne Seitenmauerreste der ehemals größten Synagoge in Riga, der großen Choralsynagoge. Eingeweiht 1871, war sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts eines der bekanntesten Kultusgebäude in Riga. Sie war berühmt durch ihre Kantore und ihren Chor. Hier begann wahrscheinlich die Ermordung der lettischen Juden am 04. Juli 1941.
Ungefähr 300 Juden, die aus Litauen vor den Nazis geflüchtet und in Riga stecken geblieben waren und nirgendwo Unterkunft fanden, erhielten in den Kelleräumen der Synagoge Obdach. Am helllichten Tag begannen Helfershelfer der deutschen Okkupanten, junge Burschen des lettischen Kommando Arias, ganze jüdische Familien aus den umliegenden Häusern in die Synagoge zu jagen, zusammen mit gerade auf der Straße vorübergehenden jüdischen Passanten. Man trieb alle Festgenommenen in die Synagoge, stapelte die Betpulte übereinander, übergoss sie mit Benzin, warf mit Benzin getränkte Lappen in die Ecken und zündete sie an, Die Türen wurden verschlossen und mit Brettern vernagelt.

Nach dem Krieg wurde die niedergebrannte Synagoge dem Erdboden gleichgemacht, der Keller, in den die Gebeine der Umgekommenen geworfen worden waren, einfach zugeschüttet, an dem Ort der Tragödie eine Grünanlage angelegt und über der Asche der grausam Ermordeten eine Ehrentafel angebracht. Kein Zeichen der Erinnerung an die Tragödie, sondern eines zu Ehren der Helden der Arbeit.

Erst 47 Jahre später wurde die Ehrentafel wieder abgenommen. Am 04. Juli 1988 wurde ein Mahnzeichen errichtet, ein großer rauer Rundstein mit einem eingemeißelten Davidstern. Jetzt ist in den freigelegten Kellerräumen der Synagoge eine Gedenkstätte errichtet worden zur Erinnerung an alle Opfer des Holocaust, an alle Juden, die auf lettischem Boden ermordet wurden.

Den Beginn des ehemals Großen Ghettos kann man nur erahnen. Man muss schon genau hinsehen, um ein eher abstraktes Mahnmal zu sehen, das - ohne weiteren Hinweis - am Anfang des Geländes steht. Eine Gedenktafel an einem gegenüberliegenden Haus erinnert daran, dass hier Juden versteckt worden sind. Wenn man entlang der Sadownika iela geht kommt man zur Ludzas iela (Leipziger Straße), deren Verlauf das spätere Kleine Ghetto vom Reichsjudenghetto trennte.
Viele der alten Häuser stehen noch an der Ludzas iela und in den von ihr rechts und links abzweigenden Straßen. Es ist ein ziemlich verwahrlostes Stadtviertel, hier wohnen heute die Armen der Stadt. Nichts erinnert an die Zeiten des Ghettos und an die dramatischen Ereignisse, die sich am 30. November 1941 und am 8. Dezember desselben Jahres hier abspielten, als die hier lebenden 28 000 lettischen Juden in zwei großen Aktionen nach Rumbula verbracht und dort erschossen wurden.
Diese Aktionen dienten dazu, um Platz zu schaffen für die bevorstehenden Transporte aus dem Altreich (11.12.1941 Düsseldorf,
13.12.1941 Bielefeld)

Auch im ehemaligen sogenannten Reichsjudenghetto stehen noch zahlreiche alte Gebäude. Hierher wurden auch die aus Dortmund nach Riga deportierten Juden untergebracht: 938 Menschen waren am 27. Januar in Dortmund abgefahren, am 1. Februar kamen sie in Riga an. Vorgesehen war die Deportation von Juden aus dem Gestapobezirk Dortmund schon für den 12. Dezember 1941. Der Grund für die Verschiebung um sechs Wochen lag vermutlich in der allgemeinen Verkehrssperre, um während der Weihnachtszeit 1941 die zahlreichen Urlauberzüge für Wehrmacht und Rüstungsindustrie nicht zu behindern.
Neben 293 Dortmunder Juden befanden sich nach offizieller Zählung 64 Personen aus Bochum, 377 Juden aus Gelsenkirchen sowie Juden aus weiteren 20 Städten des Einzugsbereichs der Gestapoleitstelle Dortmund in diesem Transport. Er begann seinen Lauf in Gelsenkirchen und nahm in Recklinghausen weitere 70 Personen auf, bevor auf einem abgelegenen Gleisabschnitt an der Nordseite des Hauptbahnhofs Dortmund die Juden aus den anderen Städten zusteigen mussten.
Nach offiziellen Zählungen haben aus diesem Transport 121 Menschen überlebt, aus Bochum sind die Namen von neun Überlebenden bekannt.

Welche Situation fanden die Deportierten in
Riga vor?
Nachdem die ersten Transporte im Dezember 1941 im Reichsjudenghetto angekommen waren, wurde ein jüdischer Ghettorat gebildet, dem als Leiter der frühere Chef des Kölner jüdischen Wohlfahrtsamtes, Max Leiser, vorstand. Er erhielt jetzt ein Büro und einen Titel, Der Ältestenrat der Reichsjuden im Ghetto zu Riga. Ihm zugeordnet waren die jeweiligen Ältesten der Gruppen, die nach den weiter eintreffenden Transporten unterschieden wurden. Meistens verfügten die Gruppenältesten über ein kleines Geschäftszimmer in den Unterkünften. Die Nachrichtenverbindung zwischen dem Ältestenrat und einzelnen Personen oder ganzen Gruppen wurden mit Hilfe von Jugendlichen eingerichtet, die Meldungen und Anweisungen als Boten überbrachten. Die Gruppenältesten ihrerseits führten ein Journalbuch über die täglich ankommenden Befehle, die in erster Linie Dienstzeiten und Aufstellungsdetails für den Ordnungsdienst oder die Zwangsarbeiterkolonnen enthielten.
Eine Lagerpolizei wurde aufgestellt, die unter der Leitung des mit dem Düsseldorfer Transport angekommenen Friedrich Frankenberg stand. Er hatte als Leiter der Lagerpolizei die einzelnen Polizisten der Gruppen zu befehligen und ließ sich gelegentlich von Rudolf Haar vertreten. Zwischen ihm und den einzelnen Ghettopolizisten befanden sich als Mittelinstanz die Obleute, die als Befehlende innerhalb der Gruppenpolizisten Frankenbergs unmittelbare Ansprechpartner waren.
Generell waren die jüdischen Ordnungsmänner an der blauen Armbinde zu erkennen. Weiterhin wurde eine jüdische Arbeitseinsatz- Zentrale im Ghetto gegründet, die von dem Kölner Herbert Schultz geführt wurde. Jede Gruppe musste Schultz eine Person abstellen, alle bildeten dann die Arbeitseinsatz-Zentrale. Jeder weiter ankommende Transport hatte also einen Gruppenältesten mit Stellvertreter, einen Polizeiobmann mit einer Anzahl von 8-10 Polizisten sowie einen Gruppen-Arbeitseinsatz-Referenten zu stellen, so auch die Dortmunder Gruppe nach ihrer Ankunft am 1. Februar 1942. Nach der Ankunft der neuen Transporte im Januar/ Februar 1942 vervollständigte sich die jüdische Selbstverwaltung im deutschen Ghettoareal. Leisers Ältestenrat bestand jetzt aus einer größeren Gruppe, die Arbeitseinsatz-Zentrale wuchs an, und die Ghettopolizei bestand zuletzt aus etwa 60 bis 70 Personen. Ein technischer Dienst wurde gegründet, der das Recht hatte, zur Reparatur wichtiger Anlagen sofort Facharbeiter und Handwerker zu rekrutieren.

Benno Nussbaum, Ältester der Gruppe Düsseldorf, baute stetig ein Schulsystem für Kinder auf und leitete die Gottesdienste in seiner Gruppe. Seit dem 25. Februar war Nussbaum dafür verantwortlich, dass die in den Gruppen eingesetzten Lehrpersonen auch ein- oder zweimal wöchentlich am Arbeitseinsatz teilnahmen. Bei ihm, in der Lehrer-Zentrale, mussten die Stundenpläne eingereicht, die Nachweise zur Teilnahme am Arbeitseinsatz erbracht und schulfrei beantragt werden.
Außerdem überwachte die Lehrer-Zentrale offensichtlich den Straßenkehrdienst im Ghetto, der von Jugendlichen der höheren Schulklassen zusammen mit den Lehrern durchgeführt werden musste.
Am 7. April 1942 kündigte Nussbaum an, an den letzten beiden unmittelbar folgenden Pessachtagen solle vormittags ein Gottesdienst stattfinden, der Schulunterricht würde in die Nachmittagsstunden verlegt, allerdings dürfe der Arbeitseinsatz hierdurch nicht gefährdet werden, so dass letztlich nur diejenigen an den Feiern teilnehmen konnten, die weder in den Zentralwerkstätten noch in den Arbeitskommandos für die Deutschen arbeiten mussten.
Fraglich muss bleiben, wie viele Schüler, Lehrer und Schulgebäude es im Ghetto gegeben hat. Im Journalbuch der Gruppe Dortmund findet sich hierzu keine Information mit der Ausnahme, dass eine Schule in der Düsseldorfer Straße Nr. 12 existiert haben muss.
Wo sich das Journalbuch der Gruppe Bielefeld bzw. Düsseldorf befindet ist nicht bekannt.
Gottesdienste im Ghetto sind öfters nachgewiesen.
Bereits im Februar 1942 war ein Antrag aus der Dortmunder Gruppe bei der Ghettokommandantur bewilligt worden, katholische Betstunden im Ghetto abhalten zu dürfen. Ganz offensichtlich wurden sie öfters in der Unterkunft des Gruppenältesten Hannover, Günther Fleischel, abgehalten.

Die Deportierten der einzelnen Transporte wurden gemeinsam in bestimmten Häusern untergebracht. Nach neueren Erkenntnissen lebte die Dortmunder Gruppe in der Ludzas iela, wahrscheinlich im Haus Nr. 36. Die Deportierten des Bielefelders Transportes in der Bielefelder Straße. Erhalten ist das bereits oben erwähnte Journalbuch der Dortmunder Gruppe, in dem der Gruppenälteste auf 98 beidseitig handschriftlich beschriebenen Blättern eine Fülle an Nachrichten für alle Gruppen und für die gesamte Lagerpolizei, als auch für die Gruppe selbst oder einzelnen Personen festhielt. Dieses Journalbuch befindet sich im Lettischen Historischen Hauptarchiv in Riga.
Es ist beklemmend, an dem Ort zu sein, an dem die Menschen schließlich landeten, herausgerissen aus der Mitte unserer Städte und Gemeinden. Die Salomons, Freudenbergs, Eichenwalds, Cletsoways, Hähnlein, Marx, Meyer, Preger, Rosenberg, Rute, Schüler, Schwarz, Spiegel, Sternberg, Wittgenstein, um nur einige zu nennen. Über die Geschichte vieler dieser Familien wissen wir Bescheid, über ihre Rolle, die sie gespielt hatten. Das hatte sie aber nicht davor geschützt, stigmatisiert als Untermenschen, ins Verderben geschickt zu werden. Ob es für die überlebenden Angehörigen von Bedeutung ist, zu was genau mit den Deportierten geschehen ist?

Am Ende des Ghettobereichs liegt ein Park. Birken stehen hier, der Rasen ist frisch eingesät, Bei Wartungsarbeiten werden immer wieder kleinere und auch größere Steinstücke an die Oberfläche befördert. Schaut man sich diese Steinstücke an,
stellt man fest, dass es die Überreste von größeren Grabsteinen sind. Wir befinden uns auf dem Gelände des alten jüdischen Friedhofs. Es war das erste Stück Boden in Riga, das die Juden erwerben konnten, 1725 wurde der Friedhof eingeweiht.
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg wurde der Platz zu eng. In den zwanziger Jahren entstand ein neuer Friedhof in Smerlis, und man begann, den Friedhof im Moskauer Bezirk Alter Jüdischer Friedhof zu nennen.

Am Freitag, dem 04. Juli 1941, am Ende der ersten Okkupationswoche, wurden nach dem Plan des Leiters der Einsatzgruppe A der Sicherheitspolizei und des SD,
Walter Stahlecker, alle Rigaer Synagogen abgebrannt. In den Flammen fanden die dort eingeschlossenen Juden den Tod (Diese Vorgehensweise wurde von den Deutschen während des gesamten Krieges, auch von der Wehrmacht beibehalten). An diesem Tag wurden auch alle Gebäude auf dem Alten Friedhof abgebrannt. In ihnen verbrannten auch alle Friedhofsangestellten, zusammen mit ihren Familien, sowie zufällig vorübergehende Juden, die auf der Straße ergriffen worden waren, insgesamt etwa 50 Menschen. Im Herbst wurde der Alte Friedhof dem Territorium des Ghettos zugeschlagen. Die am 29./30. November 1941 in den Straßen des Ghettos ermordeten Juden wurden zu diesem Friedhof gebracht. Man stapelte sie entlang der Mauer und wartete ab, bis es möglich sein würde, in der gefrorenen Erde ein Sammelgrab auszuheben.

Nach dem Krieg verfiel der Alte Jüdische Friedhof schnell, die Ziegelmauer fiel ein, die Grabsteine wurden weggeräumt, der Friedhof selbst dem Erdboden gleichgemacht. Bitten, das Mauerfragment mit Kugelspuren als typisches Denkmal zu bewahren, wurden von den Behörden kategorisch zurückgewiesen.
Nach der endgültigen Zerstörung des Friedhofs erhielt der Ort die offizielle Bezeichnung Park der kommunistischen Brigaden. 1990 wurde dieser Name wieder abgeschafft, der Park Alter Jüdischer Friedhof benannt. Vier Jahre später wurde ein Gedenkstein aufgestellt, der am 12. Juli 1994 eingeweiht wurde. (Die Mittel hierfür waren in der Hauptsache Spendengelder).

Besuch der Gedenkstätte Bikernieki.
An der Bikernieki Straße, die durch ein Waldgebiet führt weist ein Hinweisschild nach links in den Wald, auf der Tafel ist die Lage der Massengräber vermerkt, steht ein Text in fünf Sprachen (Lettisch, Hebräisch, Deutsch, Russisch und Englisch). Gräber und Gedenkstätte Riga Bikernieki. Man geht einige hundert Meter in den Wald, bis Betonstelen mit dem Davidstern den Besuchern zeigt, wir sind am Ziel. Im Gelände findet man zahlreiche neu eingefasste Massengräber, darauf steht jeweils ein Naturstein. Es ist ein ruhiger Ort, er liegt in einem Naherholungsgebiet der Stadt Riga. Das merkt man daran, dass Schülergruppen sich im Wald bewegen, Jogger sind unterwegs, ohne von der Gräberanlage Kenntnis zu nehmen.

Im Wald von Bikernieki fanden mehrfach Massenerschießungen statt. In diesem Zusammenhang ist die Aktion Dünamünde von besonderem Interesse. Unter diesem Namen fanden im Februar/März 1942 aus dem
Jungfernhof und dem Reichsdeutschen Ghetto Deportationen von alten und nicht arbeitsfähigen Juden statt. Unter dem Vorwand, sie würden für leichtere Arbeiten in eine Fabrik nach Dünamünde gebracht, fuhr man sie in den Wald von Bikernieki und erschoss sie dortin Massengräbern, die zuvor vorbereitet worden waren.

Von dieser Aktion war auch die Dortmunder Gruppe betroffen. Auskunft darüber geben verschiedene Einträge im Journalbuch, Eintrag vom 29. März 1942: Zum ersten Transport nach Dünamünde sind von der Gruppe eingeteilt die
Sanitäter: Ferdinand Sternberg, Nathan Michel, Ernst Levy.
Die Schwester Johanne Szulmann.

Die obengenannten haben am Montag, den 30.03. 7 Uhr morgens zum Abtransport nach Dünamünde ohne Gepäck auf dem Kasernenhof pünktlich zu erscheinen,
gez. Dr. Herzberg.

Eintrag am selben Tag:
Die Schwester Anne Wolff von der Gruppe Dortmund ist nachträglich für Dünamünde eingeteilt. Ich habe die Schwester Anne Wolff persönlich am 29.03. morgens im Auftrage des Herrn Dr. Aufrecht von der Tatsache in Kenntnis gesetzt. Der Termin der Abreise wird noch bekannt gegeben.
Dr. Herzberg.

Eintrag vom 2. April 1942:
Am 03.04.1942 stellen die Gruppen um 6.45 zwei kräftige Lagerpolizisten zu meiner Verfügung am Prager Tor. Die Gruppe Dortmund steht bei der Gruppe zum Einsatz bereit (nach Wien, Berlin). Die geforderten Polizisten sollen bei dem Abtransport der Leute nach Dünamünde behilflich sein und müssen zur genannten Stunde zu meiner Verfügung stehen. Arbeitseinsatz-Zentrale.

In Dünamünde sind die Transporte nie angekommen, eine Fabrik mit leichteren Arbeiten gab es dort auch nicht. Was mit den Menschen geschah, darüber geben unterschiedliche Berichte aus der Nachkriegszeit Auskunft. Aufgefallen war den Ghettobewohnern schon damals, dass die LKWs, die die Menschen nach Dünamünde bringen sollten, schon nach 15 bis 20 Minuten zurückkamen der einfache Weg nach Dünamünde dauerte mindestens 30 Minuten. Und in den folgenden Tagen kamen in LKWs die Kleider der Weggebrachten zur Reinigung und Sortierung zurück ins Ghetto. Was genau im Wald von Bikernieki geschah, ist unter anderem im Bericht Transport 13.12.1941 Bielefeld-Münster auf dieser
Internetseite nachzulesen.
Verschiedene Augenzeugenberichte aus Gerichtsverfahren aus der Nachkriegszeit sind in dem Buch von Angrick und Klein abgedruckt. Die Lektüre ist kaum zu ertragen. Wie viele Opfer kamen in der Aktion Dünamünde ums Leben? Die genaue Zahl wird man nie feststellen.

zurück zur Bikernieki-Straße,
geht man ca. 700 m weiter, hier findet man Tafeln mit Hinweise, das rechts in dem Wald,
weitere Massengräber und die zentrale Gedenkstelle für die Opfer von Bikernieki zu finden sind. Ein Gedenkstein aus sowjetischer Zeit trug die Inschrift: 1941-1944 ermordeten deutschfaschistische Okkupanten im Wald von Bikernieki auf grausame Weise 46 500 friedliche Bürger. Jahrelang war das Gräberfeld von Bikernieki ein vergessener und zunehmend verwahrloster Ort.

Heute informieren zwei Steintafeln in vier Sprachen: Hier im Wald von Bikernieki wurden in den Jahren 1941-1944 durch das NS-Regime und dessen freiwillige Helfer tausende Juden aus Lettland, Deutschland, Österreich und Tschechien sowie politisch Verfolgte und sowjetische Kriegsgefangene ermordet.

Und:
Gräber- und Gedenkstätte Riga-Bikernieki.
Im Jahre 2001 erbaut vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge aus Mitteln der Bundesrepublik Deutschland, des Nationalfonds der Republik Österreich und den im Deutschen Riga-Komitee vereinten Städten.

Die Massengräber beiderseits der Straße wurden neu eingefasst und mit Naturstein-Stelen gekennzeichnet. Der jetzt befestigte Waldweg der Weg des Todes wird gesäumt von Betonstelen mit Davidstern, Kreuz und Dornenkranz als Symbole für die unterschiedlichen Opfergruppen. Der zentrale Gedenkplatz liegt in einer Mulde und besteht aus dem Mahnmal mit einem Gedenkstein aus schwarzem Marmor, umgeben von 5000 Granitsteinen, mit denen sich die Erde öffnet.

Die grob behauenen Steine aus ukrainischem Granit sind in 45 Planquadraten von 4 x 4 m aufgestellt, einem Grundriss der Planmäßigkeit. In den Boden eingelassene Tafeln tragen die Namen der Hauptherkunftsorte der Deportationen. Einige kleinere Städte haben auf eigene Initiative ihren Namen anbringen lassen, obwohl die Deportation ihrer Juden an einem größeren Ort abging, z.B. Waltrop. Die gedrängt stehenden Steine zwischen 20 cm und 1,50 m symbolisieren die hier ermordeten und in Massengräber zusammengepressten Menschen und Familien. Kein Stein ist wie der andere. Mit ihren schwarzen, grauen und rötlichen Einfärbungen geben sie denjenigen wieder etwa Individualität zurück, die hier namenlos erschossen, verscharrt und verbrannt wurden.

Auf den Seiten des Gedenksteins steht in Hebräisch, Russisch, Lettisch und Deutsch:

ACH ERDE; BEDECKE MEIN BLUT NICHT; UND MEIN SCHREIEN FINDE KEINE RUHESTATT! HIOB 16;28.

Eine würdige und eindrucksvolle Gedenkstätte ist hier entstanden. Interessant ist auch die Geschichte ihres Entstehens.

Erich Herzl, der seine Eltern in Riga verloren hatte, gründete in Wien zusammen mit anderen Hinterbliebenen die Initiative Riga, die sich für eine würdige Gedenkstätte in Bikernieki einsetzte.

Mit organisatorischer Unterstützung des Österreichischen Schwarzen Kreuzes leistete die Initiative Riga breite Überzeugungsarbeit und gewann die Unterstützung höchster österreichischer Repräsentanten und des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge.

Ende 1996 trat das deutsch-lettische Kriegsgräberabkommen in Kraft, in dem nun auch Gräber von Deportierten zu den Kriegsgräbern zählten. Damit übernahm der VDK Verantwortung für die Gestaltung der Gräber- und Gedenkstätte Bikernieki, wozu er mit seiner lettischen Partnerorganisation, dem Brüderfriedhöfekomitee und der Stadtverwaltung Riga zusammenarbeitete. Im April 2000 begannen die Bauarbeiten nach den Plänen von Sergej Rych. Am 23. Mai gründeten die Repräsentanten von dreizehn deutschen Großstädten und der Präsident des VDK in Berlin unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Rau das Deutsche Riga-Komitee, dem sich inzwischen weitere Städte anschlossen. Das Komitee will das Erinnerungsprojekt Riga unterstützen und begleiten.

Die Gedenkstätte wurde 2001 eingeweiht. Die lettischen Medien berichteten prominent und ausführlich über die Einweihung ganz im Unterschied zu den deutschen überregionalen Medien. Neben zwei Bremer Zeitungen sind nur ZDF und WDR vor Ort und berichten in verschiedenen Hörfunk- und Fernsehprogrammen. Die epd-Meldung von der Gedenkstätteneinweihung bleibt ungedruckt. Nach der Rückkehr der Delegationen berichten einige Lokal- und Regionalzeitungen ausführlich (z.B. Münstersche Zeitung und Westf. Nachrichten am 8. Dezember 2001).

Das Lied von
Rumbula

Bericht der Herta Herschcowitsch über ihren Weg durch die Vernichtungslager


Quelle
Ingrid und Hubert Schneider (Reisebericht Juni 2006)
Reinhard Tenhumberg
Gedenkstätte Riga-Bikernieki (1994)