Arztvorstellungen

Im Konzentrationslager Auschwitz fanden an allen Werktagen, jeweils morgens gegen 9 Uhr, im Ambulanzraum des Blockes 28 die sogenannten "Arztvorstellungen" statt. Dabei wurden jene Häftlinge, die sich zuvor krank gemeldet hatten, dem jeweiligen SS-Lagerarzt vorgestellt. Diese Arztvorstellungen wickelten sich auf folgende Weise ab: Die Häftlinge hatten vor dem Ambulanzraum in langer Reihe anzutreten. Sie mussten dann einzeln nacheinander einen Durchgang passieren, der durch 2 parallel zueinander aufgestellte Tische gebildet wurde. Während sie in diesem Durchgang standen, wurden sie von einem der anwesenden Häftlingsärzte - das waren Häftlinge mit medizinischer Vorbildung - dem SS-Lagerarzt vorgestellt. Der Häftlingsarzt übergab dem SS-Arzt die Karteikarte des betreffenden Häftlings, aus der sich dessen Personalien und Einzelheiten über seinen Gesundheitszustand ergaben. Sodann trug er die von ihm gestellte Diagnose vor und machte Vorschläge für die anzuwendende Behandlungsweise. Daraufhin entschied der SS-Arzt über das Schicksal des vorgestellten Häftlings. Dabei gab es drei Möglichkeiten:
Jene Häftlinge, die - nach den damaligen Massstäben - nur geringfügige Krankheitssymptome aufwiesen, wurden mit Behandlungsanweisungen evtl. auch als Simulanten zurückgeschickt und wieder dem Arbeitseinsatz zugeführt. Eine zweite Gruppe von Häftlingen, die schwerer krank waren,
deren Wiederherstellung aber innerhalb eines Zeitraumes bis zu 4 oder höchstens 6 Wochen zu erwarten war, wurde in das Krankenrevier zur Heilbehandlung aufgenommen. Die dritte Gruppe schliesslich wurde zur Liquidierung bestimmt. Zu ihr gehörten jene Häftlinge, deren Gesundheitszustand derart schlecht war, dass eine Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit innerhalb des genannten Zeitraums nicht mehr erwartet werden konnte. Die Aussonderung dieser Häftlinge geschah in der Weise, dass der SS-Lagerarzt die Karteikarte dieses Häftlings einem bereitstehenden SS-Sanitätsdienstgrad übergab. Dieser hatte die Karten der zum Tode bestimmten Häftlinge zu sammeln und deren Namen und Häftlingsnummern in eine Liste einzutragen. Diese Häftlinge wurden in der Regel am Nachmittag desselben Tages umgebracht.

03.07.1942

der am 04.08.1899 geborene "BV-Häftling" Wietschorek Leo Häftlingsnummer 30, stirbt im Häftlingskrankenbau im Stammlager, Block 28, an Flecktyphus. Wietschorek wurde am 20.05.1940 zusammen mit 29 anderen Häftlingen, Berufsverbrecher (BVer) in Begleitung des Rapportführers SS-Hauptscharführer Palitzsch Gerhard aus dem KL Sachsenhausen in das KL Auschwitz überstellt, wo er als Funktionshäftling eingesetzt wurde. (Er war Lagerältester im Männerlager in Birkenau und wird von den Häftlingen als einer der größten Henker unter den Funktionshäftlingen des Lagers bezeichnet.)

03.08.1942

Der SS-Lagerarzt führt am 03.08.1942 unter den Häftlingen im Häftlingskrankenbau eine Selektion durch, in deren Verlauf er 193 an Flecktyphus erkrankte und rekonvaleszente Häftlinge aussucht. (In das Buch des Krankenbaus von Block 28 wird bei den 193 Namen der kranken Häftlinge «verlegt Birkenau» eingetragen. Im Stärkebuch sind die Namen dieser Häftlinge dagegen im Verzeichnis der Verstorbenen aufgeführt, wobei die Eintragungen auf drei aufeinanderfolgende Tage verteilt werden. 30 dieser Häftlinge werden am 10., 100 am 11. und 63 am 12. August verzeichnet.) Anschließend werden diese Häftlinge nach Birkenau gebracht und in den Gaskammern getötet.

02.09.1942

Block 28 (Selektion)
im Häftlingskrankenbau (Block 28) führt am
02.09.1942 ein SS-Lagerarzt eine Selektion durch. Er sucht 12 Häftlinge aus, die nach seiner Meinung keine schnelle Gesundung erwarten lassen, diese werden am selben Tag durch Phenolspritzen getötet.

07.09.1942

im Häftlingskrankenbau (Block 28) führt am 07.09.1942 ein SS-Lagerarzt eine Selektion durch. Er sucht 33 Häftlinge aus, die nach seiner Meinung keine schnelle Gesundung erwarten lassen, diese werden am selben Tag durch Phenolspritzen getötet.

16.09.1942

im Häftlingskrankenbau (Block 28) führt am 16.09.1942 ein SS-Lagerarzt eine Selektion durch. Er sucht 23 Häftlinge aus, die nach seiner Meinung keine schnelle Gesundung erwarten lassen, diese werden am selben Tag durch Phenolspritzen getötet.

17.09.1942

im Häftlingskrankenbau (Block 28) führt am 17.09.1942 ein SS-Lagerarzt eine Selektion durch. Er sucht 98 Häftlinge aus, die nach seiner Meinung keine schnelle Gesundung erwarten lassen, diese werden am selben Tag durch Phenolspritzen getötet.

18.09.1942

im Häftlingskrankenbau (Block 28) führt am 18.09.1942 ein SS-Lagerarzt eine Selektion durch. Er sucht 16 Häftlinge aus, die nach seiner Meinung keine schnelle Gesundung erwarten lassen, diese werden am selben Tag durch Phenolspritzen getötet.

22.09.1942

im Häftlingskrankenbau (Block 28) führt am 22.09.1942 ein SS-Lagerarzt eine Selektion durch. Er sucht 24 Häftlinge aus, die nach seiner Meinung keine schnelle Gesundung erwarten lassen, diese werden am selben Tag durch Phenolspritzen getötet.

23.09.1942

im Häftlingskrankenbau (Block 28) führt am 23.09.1942 ein SS-Lagerarzt eine Selektion durch. Er sucht 16 Häftlinge aus, die nach seiner Meinung keine schnelle Gesundung erwarten lassen, diese werden am selben Tag durch Phenolspritzen getötet.

25.09.1942

im Häftlingskrankenbau (Block 28) führt am 25.09.1942 ein SS-Lagerarzt eine Selektion durch. Er sucht 48 Häftlinge aus, die nach seiner Meinung keine schnelle Gesundung erwarten lassen, diese werden am selben Tag durch Phenolspritzen getötet.