Polizeipräsidium und Polizeigefängnis

Bezeichnung: Polizeipräsidium und Polizeigefängnis

Gebiet
Sachsen, Direktionsbezirk Dresden, Kreisfreie Stadt Dresden

Ein imposanter späthistoristischer Bau des Polizeipräsidiums (heute Polizeidirektion Dresden) entlang der Landhausstraße, Schießgasse und Rampischen Straße sprengt bis heute in seinen gewaltigen Dimensionen den
Maßstab der Umgebung. Die 134 Meter lange Hauptfront zur Schießgasse entsprach der Auffassung der repräsentativen Behördenbauten des Kaiserreichs.
Von den sechs Flügeln bargen zwei das Polizeigefängnis mit 250 Haftplätzen.
Die sechs Quadratmeter großen Einzelzellen wurden nach der Machtergreifung der Nazis 1933 fast ausnahmslos doppelt belegt.
Blieben die einzelnen Polizeiverbände wie Schutz- oder Kriminalpolizei zunächst noch unter der Aufsicht der Innenministerien der Länder, so wurden sie 1936 durch den Erlass des Führers und Reichskanzlers über die Einsetzung eines Chefs der deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern zentralisiert und Heinrich
Himmler als Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei direkt unterstellt.
Himmler unterstand nominell auch die Gestapo (Geheime Staatspolizei), die fortan mit der Kripo samt Anschluss an die SS als Sicherheitspolizei fungierte.
Dieses Repressionsinstrument wirkte gegen die politischen Gegner. Juden, Homosexuelle und Asoziale
gerieten ins Visier.
So wurden in der Schießgasse während der Reichspogromnacht am 9. November 1938 151 jüdische Männer interniert und von hier aus in die Konzentrationslager Buchenwald und Sachsenhausen deportiert

Häftlinge
Juden und unerwünschte Elemente

Bliwernitz, Alfred, parteilos, Heidenau, verst. 24.09.1944 im Gefängnis

Gebauer, Rudolf, geb. 17.06.1903, wohnh. Dohna. Beruf: Metallarbeiter. Partei: KPD.
Gebauer ist am 10.12.1938 durch die Gestapo im Polizeigefängnis Dresden, Schiessgasse ermordet worden.

Schäfer, Alfred, geb. 09.06.1906, wohnh. Langenhennersdorf. Beruf: Fabrikarbeiter. Parteilos.
Schäfer ist am 29.4.1935 im Polizeigefängnis Dresden ermordet worden.

Jachimowitz Hermann Chil Henrik * 16. Juli 1895 in Oleinica wohnhaft in Alsdorf
Abschiebung: 28.10.1938 Bentschen (Zbaszyn)
Inhaftierung: bis Sommer 1939 Bentschen (Zbaszyn), Internierungslager;
März 1944-April 1944 Dresden, Polizeigefängnis
Deportation: ab Dresden April 1944, unbekannter Deportationsort

Pollack, Hans * 20. April 1890 in Kattowitz wohnhaft in Berlin
Todesdatum: 27. September 1943, Dresden, Polizeigefängnis Freitod

Rosenkötter, Lina geb. Weinberg, * 27. Oktober 1895 in Norderney, wohnhaft in Berlin,
starb bei einem Bombenangriff der Alliierten auf Berlin am 23. November 1943. Das Haus Kaiserdamm Nr. 35 wurde zertrümmert. Lina wurde durch einen herabstürzenden Balken im Keller erschlagen.

Ihr Ehemann Dr. Hans Rosenkötter und ihr Sohn Lutz Rosenkötter wurden am 15. Januar 1945 in Dresden verhaftet. Hans Rosenkötter beging am 15. Januar "Selbstmord durch Vergiftung“ (wahrscheinlich Zyankali) in einer Zelle des Polizeigefängnisses Schießgasse 7.

Lutz Rosenkötter wurde im SS- und Polizeigefängnis Schießgasse 7 inhaftiert und entkam 14. Februar 1945 nach dem Luftangriff auf Dresden.

Quelle: Lutz Rosenkötter, Meine Jugend in der NS-Zeit und mein Leben als Psychoanalytiker - Eine Jugend in NS-Deutschland, in: Ludger M Hermanns (Hrsg.), Psychoanalyse in Selbstdarstellungen, Band VII, Frankfurt/Main: Brandes & Apsel, 2008, S. 77-117

Sas, Marcus Markus Max * 03. Juli 1875 in Burkanow wohnhaft in Lichtenstein i. Sachsen und Dresden
Todesdatum: 12. Oktober 1940, Dresden, Polizeigefängnis

Weidler, Frieda geb. Meyer * 03. Februar 1899 in Dresden wohnhaft in Dresden
Inhaftierung: 11. Mai 1944 bis 28. Juli 1944 Polizeigefängnis Dresden
Deportation: 29. Juli 1944, Auschwitz, Vernichtungslager Todesdatum: Auschwitz, Vernichtungslager

Weigmann, Horst * 10. Juni 1920 in Bad Elster, wohnhaft in Dresden
Inhaftierung: 08. Januar 1944 Dresden, Polizeigefängnis
Todesdatum: 09. Januar 1944, Dresden, Polizeigefängnis
Geschlecht
Frauen und Männer

Im Polizeigefängnis wurden am 28.10.1938 polnische Juden vor ihrer Ausweisung festgehalten.
Am Abend des 09.11.1938 wurden 151 jüdische Männer verhaftet und aus der Schießgasse ins KZ Buchenwald oder Sachsenhausen transportiert.
An der Durchsetzung der Verfolgung waren die verschiedenen Polizeiabteilungen, wie Kriminalpolizei, Schutzpolizei, Ordnungspolizei beteiligt, sowie eine erschreckend hohe Zahl von Denunzianten, Bürgern, die aus politischen oder persönlichen Beweggründen ihre Nachbarn anzeigten.

In einem Bericht der Gestapo Dresden von 1935 heißt es:
Die rassistische Politik und Propaganda stößt in allen Bevölkerungskreisen auf Verständnis und ist bereits in vielen Fällen ein Ansporn zur Mitarbeit gewesen.

Die Verfolgung richtete sich anfangs vor allem gegen die bisherigen politischen Gegner, die Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, mit der Umsetzung der Rassenpolitik ab 1935 gegen Paare, die unter Rassenschande fielen, gegen Asoziale, gegen Homosexuelle, gegen Zeugen Jehovas, gegen Gegner und Kritiker des Naziregimes. Bei der Verfolgung der Juden war die Polizei wesentlicher Handlanger. Alle Verbote wurden durchgesetzt, alle Übertretungen verfolgt, widerrechtlich Wohnungen durchsucht, Juden wurden im Polizeigefängnis inhaftiert und misshandelt.

Nach 1945

Auszug vom
Prozess gegen Angehörige der Gestapo Dresden 15. bis 28. September 1987 vor dem Bezirksgericht Dresden

SS-Untersturmführer Henry Schmidt
SS-Scharführer Martin Petri
Kriminalobersekretär Rudolf Müller

Gleichermaßen konnte der SS-Untersturmführer Henry Schmidt nicht bestreiten, dass im Ergebnis der genannten 90 Festnahmen mindestens 3 jüdische Bürger an unmittelbar auf die Festnahme folgenden Tagen bereits im Polizeigefängnis Dresden zu Tode kamen. An 2 dieser Opfer erinnert sich Schmidt zwar nicht direkt namentlich, aber wegen der von ihm selbst als Beispiel entsprechend seiner Erinnerung vorgetragenen Festnahmegründe.

Die zu Zwangsarbeit verpflichteten jüdischen Bürger Arthur Juliusburger und Fritz Meinhard wurden von der Gestapo festgenommen bzw. bei Fritz Meinhard dort hinbestellt, weil einer von beiden am 20.April 1943 das im Betrieb ausgegebene Essen als dem Sinne nach, nicht zu Hitlers Geburtstag passend bezeichnet hatte. Der andere sollte diese Äußerung weitergegeben haben. Wer die Äußerung tat und wem die Weitergabe vorgeworfen wurde, war nicht mehr klärbar. Juliusburger wurde in diesem Zusammenhang vorgeworfen, dass er bereits vor einiger Zeit von der Gestapo für mehrere Tage festgenommen werden musste, Meinhard, dass er sich schon früher feindlich betätigt habe. Beide wurden laut standesamtlicher Beurkundung am 23.April 1943 im Polizeigefängnis Dresden tot aufgefunden, was die Gestapo auch beiden Ehefrauen mitteilte, wobei erklärt wurde, dass beide sich erhangen hätten.

Am 23.April 1943 wurde der frühere Professor an der Technischen Hochschule Dresden, Dr. med. Heinrich Conradi, wegen Verdecken des Judensterns von der Gestapo festgenommen und hat spätestens am 26.April 1943 den Tod gefunden, da das an diesem Tage der Ehefrau von der Gestapo mitgeteilt wurde, wobei angegeben wurde, er habe sich vergiftet.

Zu diesen 3 Opfern liegen neben den bereits erwähnten Urkunden eindeutige Bekundungen von Angehörigen in VdN-Unterlagen bzw. von anderen ehemaligen Insassen des Polizeigefängnisses vor.
Schmidt bestreitet ein direktes Töten dieser Opfer durch Erschlagen oder in anderer Weise. Er beruft sich darauf, dass die genauen Todesursachen damals nicht festgestellt worden seien.
Tatsächlich ist nicht eindeutig geklärt, ob der Tod infolge direkter Tötungshandlungen oder durch Folgen der schweren Misshandlungen eintrat oder ob die Opfer sowohl wegen dieser Misshandlung und in Verbindung mit der erwarteten Verbringung in ein Konzentrationslager oder allein deswegen da diese Maßnahme in der Regel angedroht wurde ihrem Leben ein Ende setzten.
Ihr Tod war in jedem Falle eine Folge der vom Referat des Angeklagten Schmidt gegen sie betriebenen Verfolgungsmaßnahmen.

Den Tod erlitt auch Horst Weigmann bei dem ebenso verzweifelten wie mutigen Versuch, seine Mutter und eventuell weitere Opfer vor der Deportation nach Theresienstadt zu retten. An diesen Vorgang, der mit dem Transport V/10 im Zusammenhang steht, aber von der Anklage und vom Eröffnungsbeschluss in den Komplex 3 der vom Angeklagten begangenen Straftaten eingereiht wurde, erinnert sich der Angeklagte selbst noch weitgehend und auch in Übereinstimmung mit den Aussagen der Zeugin Zak. und mit dem erwähnten Erlebnisbericht der Frau Toni Weigmann.

Dieser Versuch war von Horst Weigmann in der Weise vorbereitet worden, dass er sich aus Blech eine Marke schnitt, die er später als Dienstmarke vorwies und dass er an seine Schwester, die Zeugin Zak., eine Mitteilung gelangen ließ, in der er auf seine Absicht hinwies und eine Verständigungsmöglichkeit für den Fall vorsah, dass der Versuch gelingt bzw. scheitert. Dazu sollte ein an bestimmter Stelle abgestelltes Fahrrad dienen.
Horst Weigmann begab sich am frühen Abend des 8.Januar 1944 in das Polizeigefängnis Dresden in der Schiessgasse, wo er sich als Kommissar Schmidt ausgab und verlangte, dass ihm verschiedene am gleichen Tage festgenommene Juden, darunter seine Mutter, übergeben werden. Der Versuch scheiterte jedoch durch die inzwischen herbeigeführte telefonische Verständigung zwischen Polizeigefängnis und Staatspolizeileitstelle Dresden.
Dort war an diesem Abend zufällig Petri aus dem Referat IIB3 als diensthabender Beamter tätig, der sich sofort mit dem Angeklagten in Verbindung setzte. Dieser fuhr daraufhin in das Polizeigefängnis.
Im Polizeigefängnis hat der Angeklagte Schmidt zusammen mit Polizeibeamten den Horst Weigmann überwältigt und ihn gemeinsam mit dem Polizisten in übler Weise durch Faustschläge misshandelt. Der Angeklagte schlug, wohin er traf, und begründete dies damit, dass er infolge der kriegsbedingt verschärften Nervenanspannung sehr erregt gewesen sei und seine Erregung über den Vorfall habe abreagieren müssen.

Horst Weigmann wurde danach gefesselt in eine Zelle gebracht und war am nächsten Tage tot.
Der Angeklagte ließ hierzu ein, Horst Weigmann sei erhängt vorgefunden worden. Der Angeklagte und sein Untergebener Müller haben dies am nächsten oder übernächsten Tag in herzloser Weise der Mutter des Toten, Frau Toni Weigmann mitgeteilt, wobei sie einen Auftrag zur Einäscherung ihres Sohnes zur Unterschrift vorlegten, bei dem zunächst der Text abgedeckt war. Diese Mitteilung verband der Angeklagte nach der schriftlichen Darstellung von Frau Weigmann mit der Bemerkung, es sei anständig von ihrem Sohn gewesen, dass er sich erhängt habe, weil sie das sonst hätten tun müssen. Der Angeklagte bestritt eine solche Äußerung nicht ausdrücklich.
Das Einäscherungsregister des Krematoriums Dresden-Tolkewitz vermerkt den Tod des Horst Weigmann unter dem 9.Januar 1944, wobei als Todesursache Erhängen angegeben ist. Horst Weigmann ist das 4. der von Anklage erfassten Opfer, bei denen der Tod im Polizeigefängnis Dresden herbeigeführt wurde.


Quelle: Prozess vom 15. bis 28. September 1987 vor dem Bezirksgericht Dresden

Überarbeitet: Tenhumberg Reinhard

Dresdner Transporte
Judenlager Hellerberg Dresden

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