Auschwitz

Die Kommandantur des KL Auschwitz wird am 28.06.1942 benachrichtigt, daß um 5:20 Uhr der fünfte Transport (Sonderzug N.815) mit 1038 Juden aus Beaune-La-Rolande in Frankreich in Richtung Auschwitz abgefahren sei.

Am 13. Mai 1942 fand ein Treffen zwischen Dannecker und Generalleutnant Kohl, dem Leiter des Eisenbahntransports in Paris (ETRA), statt, bei dem die Frage des für die anstehenden Transporte notwendigen Rollmaterials erörtert wurde. Dannecker gab Kohl dabei einen Überblick über die Situation der Juden in Frankreich. Kohl wies darauf hin, dass er zur Deportation von 10 000 bis 20 000 Juden bereit sei und die dafür nötige Ausrüstung einschließlich der Transportwaggons zur Verfügung stellen würde. Am 16. Juni wurde jedoch ein dringendes Fernschreiben an das RSHA-Judenreferat (IVb4) geschickt, in dem erklärt wurde, die Vereinbarung mit General Kohl könne nicht eingehalten werden, da das Rollmaterial für den Krieg im Osten benötigt würde. Zwei Tage später rief der im Referat IVb4 für die Koordinierung des Eisenbahntransports verantwortliche SS-Obersturmführer
Franz Nowak Dannecker an und stellte klar, dass das Verkehrsministerium trotz der zuvor erwähnten Schwierigkeiten bereit sei, die Leitung der Deportation der Juden aus Frankreich zu übernehmen. Dannecker konnte ihm die Daten für die nächsten drei Transporte übermitteln, einer von welchen am 28. Juni 1942 das Internierungslager verlassen sollte.

Am 1. Juni 1942 übernahm
Carl Oberg das Amt des SS- und Polizeiführers in Frankreich. Während Sipo und SD die vom Militärbefehlshaber Frankreich (MBF) geplanten Vergeltungsdeportationen weiterführten, wurden die Auswahlkriterien nicht immer strikt befolgt. Infolgedessen umfasste die Deportation vom 28. Juni 1942 auch mehrere Frauen und französische Staatsbürger.

Am 16. Juni bat Dannecker in einem Fernschreiben an den Sipo-SD-Leiter in Orleans um die Vorbereitung von zwei Deportationszügen: Der erste sollte am 25. Juni in Pithiviers abfahren und der zweite am 28. Juni in Beaune-la-Rolande. Er erklärte, dass die zu deportierenden Juden unter 55 Jahre alt und körperlich tauglich sein müssten und nur solche eingeschlossen werden dürften, die zum Tragen des gelben Sterns verpflichtet seien – eine Restriktion, die den Juden in der besetzten Zone einen Monat zuvor auferlegt worden war. Dannecker listete mehrere Gegenstände auf, die jede Person mit sich führen sollte, darunter für Zwangsarbeit nötige Kleidung wie Stiefel und Arbeitskluft sowie Bettzeug. Jede Person solle Proviant für drei Tage mitbringen. Zudem sei von der Präfektur Proviant für zwei Wochen vorzubereiten. Am 23. Juni bestätigte Dannecker, dass der SD in Orleans erklärt habe, 35 seiner Männer zur Bewachung des Zugs bereitzustellen.

Der Deportationszug verließ Beaune-la-Rolande am 28. Juni mit insgesamt 1004 Männern und 34 Frauen an Bord. Die Mehrheit der Männer war unter jenen ausgewählt worden, die im Mai 1941 verhaftet wurden. Weitere 108 Deportierte, darunter 34 Frauen, wurden verhaftet, um das Soll zu erfüllen.

Ein Bericht der Sipo-SD-Kommandostelle in Orleans vom 29. Juni (dem Tag nach der Deportation) an den Militärbefehlshaber Frankreich wies darauf hin, dass die französische Verwaltung wegen der hohen Zahl von in Mischehen lebenden Internierten, die nicht in die Deportation eingeschlossen werden sollten, nicht in der Lage gewesen sei, die gewünschte Zahl von 1000 Deportierten zu erreichen. Infolgedessen wurden Verhaftungen in der Region Orleans vorgenommen und weitere 34 Frauen und 74 Männer dem Transport hinzugefügt. Unter den Festgenommenen seien französische Staatsbürger gewesen. Der lokale Präfekt, Jacques Martin-Sané hätte versucht, Juden mit französischer Staatsbürgerschaft von dem Transport auszunehmen, aber seine Anfragen seien abschlägig beschieden worden, nachdem man entschieden hatte, dass auch französische Staatsbürger einbezogen werden könnten.

Am 19. Juni verschickte die Hauptverkehrsdirektion in Paris einen Fahrplan für den Transport. Dieser Sonderzug N.815 mit jüdischen Arbeitern nach Auschwitz sollte um 5:20 Uhr in Beaune-la-Rolande abfahren, mit Zwischenhalten in Malesherbes (6:45-6:58), Montereau (8:10-8:34), Flamboin (9:22-9:27), Troyes (11:35-11:49), Brienne-le-Chateau (13:07-13:10), Valentigny (13.24-13:25), Montier en Der (13:58-14:01), Eclaron (14:42-14:43), Saint-Dizier (15:14-15:29), Revigny (16:29-16:32), Bar le Duc (17:05-17:15), Lérouville (18:39-18:44) und an der französisch-deutschen Grenze in Neuburg (Novéant-sur-Moselle) (19:57-20:20). Der Zug konnte eine Ladung von 350 Tonnen transportieren und eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h erreichen. Er bestand aus einer Lokomotive, zehn Güterwaggons und einem Schlafwagen. Drei Stunden vor der Abfahrt sollte er am Gleis bereitstehen. Im November 1943 erstellte die Reichbahn einen Fahrplan für die Transporte aus Frankreich ab diesem Datum. Für die Zeit davor verfügen wir über keine Unterlagen im Zusammenhang mit Fahrplänen von Transporten ab der französisch-deutschen Grenze nach Auscwhitz-Birkenau, aber aller Wahrscheinlichkeit nach waren sie sehr ähnlich. Insofern haben die früheren Transporte nach Auschwitz, einschließlich dem aus Beaune-la-Rolande vom 28. Juni 1942, ab der Grenze wohl die folgende Route genommen: Saarbrücken, Frankfurt am Main, Dresden, Görlitz, Nysa, Kattowitz und schließlich Auschwitz.

Am 28. Juli 1942 schickte Röthke dem Sipo-SD-Befehlshaber in Frankreich, Helmut Knochen, und seinem Stellvertreter Kurt Lischka, neue Anweisungen mit dem Fahrplan für die nächsten 13 Transporte aus Frankreich. Er erklärte: „ ... und zwar werden nach wie vor deutsche Güterwagen für den Abtransport genommen werden können.“ Während die Waggons aus Deutschland stammten, wurde die Lokomotive des Zugs von der Staatlichen Eisenbahngesellschaft Frankreichs (SNCF) zur Verfügung gestellt; SNCF-Personal begleitete den Zug bis zur Grenze in Novéant (Neuburg). Dies ist von dem SNCF-Historiker Christian Bachelier bestätigt worden. An der französisch-deutschen Grenze wurden die französische Lokomotive und das französische Personal durch Reichsbahnmitarbeiter und deutsche Technik ersetzt.
Dannecker bestätigte die Abfahrt schriftlich und erklärte, der fünfte Judentransport aus Frankreich, der Sonderzug mit der Bezeichnung N.815 habe am 28. Juni 1942 um 5:20 Uhr die Bahnstation Beaune-la-Rolande verlassen, mit insgesamt 1038 Juden an Bord, darunter 34 Frauen. Leiter des Transports war der Leutnant der Feldgendarmerie Kleinschmidt, der bis zur Grenze in Novéant verantwortlich für den Zug war.

Die Transportbedingungen schilderte Martin Steg, einer der Deportierten, in seiner Zeugenaussage nach dem Krieg: „Am Nachmittag des 27sten wurden wir in Güterwaggons ohne Nahrung und Wasser verfrachtet. Wir fuhren am 28sten ab, bewacht von Deutschen, die einen Passagierwaggon hatten. Wenn wir die Franzosen um Wasser baten, bekamen wir welches, aber sobald wir die Grenze passiert hatten, waren all unsere Bitten vergeblich.“ (JM 13129 91963)

Zu den auf diesem Transport Deportierten gehörte Salomon Sniadov, der am 14. Mai 1941 verhaftet und am 28. Juni 1942 von Beaune-la-Rolande aus deportiert worden war. In seiner Zeugenaussage nach dem Krieg erinnerte er sich, wie er in einen Viehwaggon mit einem Fass für die Bedürfnisse gepfercht wurde. Wie Sniadov sich erinnerte, kippte das Fass bald um und sein Inhalt ergoss sich über den ganzen Waggon. Während die Zivilbevölkerung an der Grenze im Elsass den Deportierten mit Wasser zu helfen versuchte, verweigerten die Deutschen dies und ließen sie ohne etwas zu trinken zurück.
Quelle: Yad Vashem

In dem Transport befanden sich neun Jungen und sieben Mädchen, im Alter zwischen 15 und 18 Jahre

1004 Männliche Personen (Häftlingsnummern 4277 - 43780) und 34 weibliche Personen (8051 - 8084) aus diesem Transport wurden als Häftlinge ins Lager Auschwitz übernommen. Am 15. August 1942 sind nur noch 703 Personen aus diesem Transport am Leben. 55 Männliche Personen aus diesem Transport haben den Krieg überlebt.

Fahrtstrecke

Abfahrtsort: Beaune la Rolande, Loiret
(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtstation Beaune-la-Rolande Bahnhof, Loiret
Zielort des Transports Malesherbes, Loiret

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Malesherbes, Loiret
Zielort des Transports Montereau Fault Yonne, Seine et Marne

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Montereau Fault Yonne, Seine et Marne
Zielort des Transports Flamboin, Seine et Marne

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Flamboin, Seine et Marne
Zielort des Transports Troyes, Aube

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Troyes, Aube
Zielort des Transports Brienne le Chateau, Aube

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Brienne le Chateau, Aube
Zielort des Transports Valentigney, Doubs

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Valentigney, Doubs
Zielort des Transports Montier en Der, Haute Marne

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Montier en Der, Haute Marne
Zielort des Transports Éclaron Braucourt Sainte Livière, Haute Marne

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Éclaron Braucourt Sainte Livière, Haute Marne
Zielort des Transports Saint Dizier, Haute Marne

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Saint Dizier, Haute Marne
Zielort des Transports Revigny sur Ornain, Meuse

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Revigny sur Ornain, Meuse
Zielort des Transports Bar le Duc, Meuse

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Bar le Duc, Meuse
Zielort des Transports Lerouville, Meuse

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Lerouville, Meuse
Zielort des Transports Novéant sur Moselle, Moselle

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Novéant sur Moselle, Moselle
Zielort des Transports Sarrebruck, Saar, Saarland

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Sarrebruck, Saar, Saarland
Zielort des Transports Frankfurt am Main, Wiesbaden, Hessen-Nassau

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Frankfurt am Main, Wiesbaden, Hessen-Nassau
Zielort des Transports Dresden, Bautzen, Land Sachsen

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Dresden, Bautzen, Land Sachsen
Zielort des Transports Gorlitza, Gorlice, Krakow

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Gorlitza, Gorlice, Krakow
Zielort des Transports Nysa, Oppeln, Oberschlesien

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Nysa, Oppeln, Oberschlesien
Zielort des Transports Katowice, Katowice, Slask

(Teilstrecke mit Halt)
Abfahrtsort Katowice, Katowice, Slask
Zielort des Transports Auschwitz Birkenau

Beauftragende Behörde

Militärbefehlshaber Frankreich (MBF)
Feldgendarmerie
RSHA - Reichssicherheitshauptamt
KdS Paris- Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD Paris
KdS Orleans - Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD Orleans

Beteiligte Verantwortliche

Eichmann Adolf (Otto)
von Stülpnagel Otto
Vallat Xavier
Dannecker Theodor
Novak Franz
Oberg Carl-Albrecht
Kohl Otto

Bahngesellschaft

Deutsche Reichsbahn
SNCF - Societe Nationale des Chemins de fer Francais

Zuständige lokale Behörde

CGQJ - Commissariat General aux Questions Juives

Namensliste der Deportierten

Kreisler Fritz
* 07.05.1891 in Wien
† 18.08.1942 in Auschwitz
Wohnort in Wien: Othmargasse 46/12
Sohn von Dr. Ignatz Kreisler und Malvine Kreisler geb. Sonnenschein
Bruder Stephan Kreisler und Michael Kreisler

Kornfeld Itshak Moshe "Isaac"
* 17.02.1905 in in Gorlice
† 1942 in Auschwitz
Itshak KORNFELD wurde in Gorlice, Polen, geboren. Er lebte in der 5, rue Le Regrattier in Paris mit seiner Frau und 3 Kindern. Itshak wurde mit dem Konvoi 5 von 28. Juni 1942 von Beaune-la-Rolande deportiert. Seine Frau wurde mit dem 14. Konvoi deportiert und alle 3 Kinder wurden mit dem 25. Konvoi deportiert.
Ehepartner:
Sarah Balsam Kornfeld (1904 - 1942)
Kinder:
Haya Zema Kornfeld (1935 - 1942)
Hanna Kornfeld (1938 - 1942)
Shlomo Kornfeld (1939 - 1942)

Fritz Siegfried Goldschmidt (Homberg/Efze)
* 29.05.1899 in Homberg, Klosterschüler 1913/14 (Mittlere Reife)
Letztes Lebenszeichen: Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz 29.07.1942
Goldschmidt Fritz (Siegfried) wurde am 29. Mai 1899 als Sohn von Moritz und Henriette Goldschmidt (geb. Loeb) in Homberg/Efze geboren. Die Adresse in Homberg war Untergasse 30. Fritz Goldschmidt heiratete die Berlinerin Ilse Löwy (geb. 27. Juli 1910). Die beiden flüchteten 1936 von Berlin-Wilmersdorf nach Amsterdam, wo sie in der Milletstraat 37 Unterschlupf fanden. Nach der Besetzung des Landes durch die deutsche Wehrmacht im Mai 1940 wurden sie verhaftet, am 28. Juni 1942 von dem Transitlager Beaune-la-Rolande aus nach Auschwitz gebracht und dort am 29. Juli 1942 ermordet.

Streicher Arthur
* 13.01.1918 in Wien
† 04.12.1942