Auschwitz, 24. April 1942

Es wird seitens der Deutschen Reichsbahn erneut bei der Kommandantur Beschwerde geführt, daß seitens eines Teils der zum SS-Standort Auschwitz - Kdtr., SS-T-Stuba. usw. gehörenden SS-Angehörigen Rechte für sich in Anspruch genommen werden, die in Widerspruch stehen zu der allgemein gültigen Ordnung. U.a. schreibt die Reichsbahn wie folgt:
Es hat sich in letzter Zeit die Unsitte eingebürgert, daß SS-Männer und Unterführer die Gleisanlagen am Westkopfe des Bahnhofs Auschwitz überschreiten, um sich den Weg von und zur ,Praga“ abzukürzen. Wiederholt ist auch beobachtet worden, daß geschlossene Abteilungen mit Schutzhäftlingen die Gleisanlagen außerhalb der öffentlichen Verkehrswege überquerten. Das Überschreiten der Bahnanlagen ist stets mit Lebensgefahr verbunden und allen eisenbahnfremden Personen nach § 79 der Eisenbahn-, Bau- und Betriebsordnung verboten. Wenn unsere Bediensteten die SS-Männer auf dieses Verbot aufmerksam machen, so werden sie von den SS-Männern unverständlicherweise noch beschimpft oder gar tätlich bedroht. Auch das Betreten und Verlassen der Bahnsteige ist nur durch die Bahnsteigsperre gestattet. Trotz wiederholter Verbote kürzen sich einzelne SS-Männer den Weg zum Lager dadurch ab, indem sie auf verbotenem Wege die Bahnsteige verlassen bzw. betreten. Auch der Zugang zur Güterabfertigung Auschwitz ist nur auf der öffentlichen Zufahrtstraße zur Güterabfertigung gestattet. Die SS-Männer haben auf Bahngebiet keine besonderen Vorrechte gegenüber den anderen Reisenden und Kunden der Deutschen Reichsbahn und haben sich den Anordnungen unserer Aufsichtsbediensteten zu fügen. Bei weiteren Verstößen gegen die §§ 79 und 81 der Eisenbahn-, Bau- und Betriebsordnung werden wir gegen die Schuldigen mit Bahnpolizeistrafen einschreiten.
Weiter besteht erneut Veranlassung darauf hinzuweisen, daß es allen eisenbahnfremden Personen strengstens verboten ist, in irgend einer Art und Weise in den Eisenbahnbetriebsdienst einzugreifen. Am 17.4.42 um 22:00 Uhr haben einige SS-Männer einer Rangierabteilung unerlaubterweise Rangiersignale gegeben. Nur durch die Geistesgegenwart eines Rangierers wurde ein Betriebsunfall verhindert.
Es wird hierdurch angeordnet, daß sämtliche Abteilungen und der SS-T-Sturmbann innerhalb sämtlicher Kompanien alle SS-Angehörigen eingehend darüber belehren, daß Verstöße gegen die Begriffe einer selbstverständlichen Disziplin und Ordnung im öffentlichen Leben, die selbstverständlich auch auf die Betriebsvorschriften der Reichsbahn Anwendung finden, zukünftig sofern solche weiterhin zur Kenntnis der Kommandantur gelangen streng bestraft werden. Die Reichsbahn ist im Bereich ihrer Anlagen jeglicher Art autoritär. Eingriffe in die Rechte der Reichsbahn sind strafbar. Insbesondere haben sämtliche Angehörige der SS gegenüber bestehenden Bestimmungen im öffentlichen Leben die vorbildlichste Haltung und Beachtung derselben zu beweisen, die nur aufgebracht werden kann, um dadurch auf der anderen Seite beispielsweise der poln. Bevölkerung und denjenigen Kontingenten der Bevölkerung, die nicht an Ordnung gewöhnt sind, als Vorbild zu dienen. Anordnungen der Reichsbahn und ihrer Organe sind genauestens zu befolgen, auch wenn ein Teil der Reichsbahnangestellten, die sich durch ihre Uniformen äußerlich als solche dokumentieren, zum Teil noch von Volksfremden gestellt werden müssen, was auf den Mangel an reichsdeutschen Personal zurückzuführen ist. Die Standortkommandantur erwartet, daß diesbezüglich keine erneuten Klagen eingehen.

Der Standortälteste
gez. Höß
SS-Sturmbannführer und Kommandant

F.d.R.
a.B.i.V. Mulka
SS-Obersturmführer u. Adjutant