19. April 1943

Aufstand und Vernichtung des Warschauer Ghettos
Aus den Tagesmeldungen des SS-Generals Stroop

Abschließung des Ghettos ab 3.00 Uhr. Ansetzen der Waffen-SS in Stärke von 16/850 zur Durchkämmung des Restghettos. Sofort nach Antreten der Einheiten starker planmäßiger Feuerüberfall der Juden und Banditen.
Es wurde erreicht, daß der Gegner sich von den Dächern und höher gelegenen eingerichteten Stützpunkten in die Keller bzw. Bunker und Keller zurückzog. Bei der Durchkämmung wurden nur etwa 200 Juden erfasst. Anschließend wurden Stoßtrupps auf bekannte Bunker angesetzt, mit dem Auftrag, die Insassen hervorzuholen, die Bunker zu zerstören. Judenerfassung hierdurch etwa 380. Es wurde der Aufenthalt der Juden in der Kanalisation festgestellt. Die vollkommene Unterwassersetzung wurde durchgeführt, damit Aufenthalt unmöglich.

20. April 1943

Die in dem unbewohnten, noch nicht freigegebenen Ghetto festgestellten Widerstandsnester wurden durch eine Kampfgruppe der Wehrmacht – Pionierzug und Flammenwerfer – niedergekämpft. Die angesetzte 10-cm Haubitze hat die Banden aus ihren starken Befestigungen verdrängt und soweit festgestellt werden konnte, diesen auch Verluste beigebracht. Wegen Eintritt der Dunkelheit mußte diese Aktion abgebrochen werden.

21. April 1943

Die Anlegung des Brandes hatte im Laufe der Nacht das Ergebnis, daß die unter den Dächern bzw. in den Kellern und sonstigen Schlupfwinkeln trotz aller Durchsuchungsaktionen noch verborgenen Juden sich an den äußeren Fronten des Häuserblocks zeigten, um dem Feuer irgendwie zu entgehen. In Massen – ganze Familien – sprangen die Juden, schon von dem Feuer erfasst, aus dem Fenster oder versuchten sich durch aneinandergeknüpften Bettlaken usw. herabzulassen. Es war Vorsorge getroffen, daß diese sowohl auch die anderen Juden sofort liquidiert wurden.

22. April 1943

Leider ist nicht zu verhindern, daß ein Teil der Banditen und Juden sich in den Kanälen unterhalb des Ghettos aufhält und kaum zu fassen ist, weil die Unterwassersetzung von diesen unterbrochen wurde. Die Stadtverwaltung ist nicht in der Lage, diesen Übelstand zu beheben. Das Anbringen von Nebelkerzen und das Vermengen des Wassers mit Chreosot hatte ebenfalls nicht den gewünschten Erfolg. Verbindung mit der Wehrmacht tadellos.

23. April 1943

Die ganze Aktion wird erschwert durch die mit allen Raffinessen vorgehenden Juden und Banditen, z.B. wurde festgestellt, daß in den Leichenwagen, mit den die herumliegenden Toten gesammelten werden, gleichzeitig lebende Juden auf den jüdischen Friedhof gefahren werden und damit außerhalb des Ghettos entkommen. Durch ständige Kontrolle der Leichenwagen wird auch dieser Weg zur Flucht unterbunden.
Zur Verlagerung aus den Betrieben wurden heute 3500 Juden erfaßt. Insgesamt wurden bis heute zur Verlagerung erfaßt bzw. bereits Abtransportiert: 19450 Juden. Von diesen Juden sind z.Zt. noch etwa 2500 zu verladen. Der nächste Zug fährt am 24.04.1943 ab.

24. April 1943

Um 18.15 Uhr trat die Durchsuchungskampfgruppe nach Abriegelung in die Gebäude ein und stellte die Anwesenheit einer großen Anzahl von Juden fest. Da die Juden zum großen Teil Widerstand leisteten, gab ich den Befehl zum Ausbrennen.
Erst nachdem der Straßenzug und zu beiden Seiten sämtliche Höfe in hellen Flammen standen, kamen die Juden zum Teil brennend aus den Häuserblocks hervor bzw. versuchten sich durch einen Sprung aus den Fenstern und Balkonen auf die Straße, auf die sie vorher Betten, Decken und sonstige Teile geworfen hatten, zu retten. Immer wieder konnte man
beobachten, daß trotz der großen Feuersbrunst Juden und Banditen es vorzogen, lieber wieder ins Feuer zurückzugehen, als in unsere Hände zu fallen.

25. April 1943

Wenn gestern Nacht das ehem. Ghetto von einem Feuerschein überzogen war, so ist heute Abend ein riesiges Feuermeer zu sehen. Da bei den planmäßigen Durchkämmungen immer wieder Juden in großer Zahl aufgespürt werden, wird die Aktion am 26.04.1943 fortgesetzt. Beginn 10.00 Uhr.
Mit dem heutigen Tage wurden insgesamt 27 464 Juden des ehem. jüd. Ghettos Warschau erfaßt.

26. April 1943

Es zeigt sich immer mehr, daß nunmehr die Reihe an die zähesten und widerstandsfähigsten Juden und Banditen kommt.
Es sind mehrfach Bunker gewaltsam geöffnet worden, deren Insassen seit der Dauer der Aktion nicht mehr an die Oberfläche gekommen waren. In einer Reihe von Fällen waren die Insassen der Bunker nach der erfolgten Sprengung kaum noch in der Lage, an die Oberfläche zu kriechen. Nach Aussagen der gefangenen Juden sollen in den Bunkern eine
größere Anzahl der Insassen von der Hitze und dem Qualm und von den erfolgten Sprengungen irre geworden sein.
30 Juden verlagert, 1330 Juden aus Bunkern hervorgeholt und sofort vernichtet. 362 Juden im Kampf erschossen. Insges. heute erfasst: 1722 Juden. Dadurch erhöhte sich die Gesamtzahl der erfaßten Juden auf 29186. Außerdem sind mit Wahrscheinlichkeit in den 13 gesprengten Bunkern und durch Brände ungezählte Juden umgekommen.

27. April 1943

Durch in die Kanalisation hinabgestiegene SS-Männer wurde festgestellt, daß die Leichen verendeter Juden in großer Anzahl vom Wasser fortgeschwemmt werden.

28. April 1943

Ergebnis des heutigen Tages: 1655 Juden zur Verlagerung erfaßt, davon 110 im Kampf erschossen. Weiter verbrannten viele Juden im Feuer bzw. wurde eine nicht feststellbare Anzahl von Juden durch Sprengungen in den einzelnen Bunkern vernichtet. Durch die Erfolge des heutigen Tages erhöht sich die Zahl der insgesamt erfaßten bzw. vernichteten Juden auf 33401. In dieser Zahl sind die verbrannten und in den Bunkern vernichteten Juden nicht erfaßt.

29. April 1943

Einige Kanalschächte wurden gesprengt. 2 außerhalb des Ghettos ermittelte Ausgänge wurden ebenfalls durch Sprengung bzw. Vermauerung unbrauchbar gemacht.
Aus den Aussagen verschiedener Bunkerbesatzungen geht hervor, daß die Juden bereits 10 Tage nicht mehr aus den denselben hervorgekommen sind und ihnen nun infolge der längeren Dauer der Großaktion die Lebensmittel usw. ausgehen.

30. April 1943

Insgesamt wurden heute 1599 erfaßt, davon 179 im Kampf erschossen. Damit erhöht sich die Gesamtzahl der bisher erfaßten Juden auf 37359. Verladen wurden 3855 Juden. Bei den in den letzten Tagen erfaßten Juden ist die Zahl der bewaffneten erheblich gestiegen.

01. Mai 1943

Eine größere Anzahl der erfaßten Juden wurde aus der Kanalisation herausgeholt. Die systematische Sprengung bzw. Verschüttung der Kanalausgänge wurde fortgesetzt.
Ein Stoßtrupp stellte fest, daß in einem Hauptkanal unter dem Ghetto eine festzustellende Anzahl von Leichen schwammen.

02. Mai 1943

Durchkämmung des gesamten Gebietes des ehem. Ghettos durch 9 Stoßtrupps, außerdem Ansetzung einer größeren Abteilung zur Säuberung bzw. Vernichtung eines Häuserblocks, der sich um die beiden Rüstungsbetriebe Transavia und Wischniewski gruppiert.
Bei der Vernichtung der vorgenannten Häuserblocks wurden 120 Juden erfaßt und ungezählt Juden, die infolge des Brandes aus dem Dachgeschoß auf die inneren Höfe absprangen, vernichtet. Weiter sind viele Juden in den Flammen umgekommen bzw. wurden eine weitere Anzahl von Juden durch vorgenommene Sprengungen von Bunkern und Kanalöffnungen ebenfalls vernichtet.

03. Mai 1943

In den meisten Fällen leisteten die Juden mit der Waffe in der Hand vor Verlassen des Bunkers Widerstand. Dadurch sind 2 Ausfälle durch Verwundung zu verzeichnen. Die Juden und Banditen feuerten teilweise mit beiden Händen aus Pistolen.

04. Mai 1943

Ungezählte Juden, die sich während der Feuerbrunst auf den Dächern zeigten, sind in den Flammen umgekommen.
Andere kamen erst im letzten Augenblick in den höchsten Stockwerken zum Vorschein und konnten sich nur durch Abspringen vor dem Verbrennungstod retten. Es wurden am heutigen Tage insgesamt 2283 Juden erfaßt, davon 204 erschossen, ungezählte Juden in Bunkern und durch Feuer vernichtet. Die Gesamtzahl der bisher erfaßten Juden erhöht sich auf 44089.

05. Mai 1943

Auch heute leisteten die Juden, bevor sie gefangen wurden, an verschiedenen Stellen Widerstand. In mehreren Fällen wurden die die Öffnungen (Luken) zu den Bunkern von innen mit Gewalt zugehalten bzw. verriegelt, so daß nur mit starken Sprengung eine Öffnung erzwungen und die Bunkerinsassen vernichtet werden konnten.

06. Mai 1943

Heute wurden insbesondere die Häuserblocks durchkämmt, die am 04.05. durch Feuer vernichtet wurden. Obwohl kaum zu erwarten war, daß hier noch Menschen lebend angetroffen würden, wurden eine ganze Anzahl von Bunkern, in denen sich eine glühende Hitze entwickelt hatte, festgestellt. Aus diesen Bunkern und aus in anderen Teilen des Ghettos festgestellten wurden insgesamt 1553 Juden erfaßt. Beim Widerstand und bei einem sich entwickelnden Feuergefecht wurden 356 Juden erschossen.

07. Mai 1943

Die Juden sagen aus, daß sie Nachts an die frische Luft kommen, da ein ununterbrochener Aufenthalt in ihren Bunkern für sie durch die längere Dauer der Aktion unerträglich wird. Durchschnittlich werden durch die Stoßtrupps in jeder Nacht 30 bis 50 Juden erschossen. Nach diesen Aussagen muß angenommen werden, daß immer noch eine größere Zahl von Juden sich unterirdisch im Ghetto aufhält.

08. Mai 1943

Nach gemachten Aussagen sollen sich noch etwa 3-4000 Juden in den unterirdischen Löchern, Kanälen und Bunkern aufhalten. Der Unterzeichnete ist entschlossen, die Großaktion nicht eher zu beenden, bis auch der letzte Jude vernichtet ist.

09. Mai 1943

Die heute durchgeführte Großaktion hatte folgendes Ergebnis: Von den angesetzten Durchkämmungsstoßtrupps wurden 42 Bunker ermittelt. Aus diesen Bunkern wurden 1037 Juden und Banditen lebend hervorgebracht. Im Kampf wurden erschossen 319 Banditen und Juden, außerdem ungezählte wiederum bei den Sprengungen der Bunker vernichtet.

10. Mai 1943

Der von den Juden geleistete Widerstand war heute ungeschwächt. Im Gegensatz zu den Vortagen haben sich anscheinend die noch vorhandenen und nicht vernichteten Angehörigen der jüdischen Hauptkampfgruppe in die ihnen höchst erreichbaren Ruinen zurückgezogen, um von dort feuernd den eingesetzten Kommandos Verluste beizubringen.

11. Mai 1943

Erfaßt wurden insgesamt 931 Juden und Banditen. Erschossen wurden 53 Banditen. In gesprengten Bunkern und bei der Vernichtung eines Häuserblocks durch Feuer kamen weitere ums Leben. Die Gesamtzahl der bisher erfaßten Juden erhöht sich auf 53667.

12. Mai 1943

Es sind wahrscheinlich eine größere Zahl von Juden in den Flammen umgekommen. Das das Feuer vor Eintritt der Dunkelheit noch nicht niedergebrannt war, konnten genaue Feststellungen in dieser Hinsicht nicht getroffen werden.

13. Mai 1943

Die wenigen sich noch im Ghetto aufhaltenden Juden und Verbrecher benützen seit 2 Tagen die noch in Ruinen sich bietenden Schlupfwinkel, um nachts in die ihnen bekannten Bunker zurückzukehren, dort zu essen und sich wieder für den nächsten Tag zu verproviantieren.

14. Mai 1943

Es wurde wiederholt aus dem arischen Teil auf die äußere Absperrung geschossen. Von der Postenkette wurde rücksichtslos das Feuer erwidert.

15. Mai 1943

Durch ein Sonderkommando wurde der letzte noch vorhandene unversehrte Gebäudekomplex des Ghettos noch mal durchsucht und anschließend vernichtet. Am Abend wurden auf dem jüdischen Friedhof die Kapelle, Leichenhalle und sämtliche Nebengebäude gesprengt bzw. durch Feuer vernichtet.

16. Mai 1943

Das ehemalige jüdische Wohnviertel Warschau besteht nicht mehr. Mit der Sprengung der Warschauer Synagoge wurde die Großaktion um 20.15 Uhr beendet.
Gesamtzahl der erfassten und nachweislich vernichteten Juden beträgt insgesamt 56065.

24. Mai 1943

Funkspruch Warschau an Führerhauptquartier
Bis auf 8 Gebäude (Polizeiunterkunft, Krankenhaus und vorgesehene Unterkunft für Werkschutz) ist das ehem. Ghetto vollständig zerstört. Soweit nicht Sprengungen durchgeführt wurden, stehen nur noch die Brandmauern. Aus den Ruinen sind aber noch Steine und Schrott in unübersehbarer Menge zu verwerten.

Personenverzeichnis

Generalmajor der Waffen-SS und Polizei
Reinefarth Heinz (Heinrich) "Henker von Warschau"
* 26. 12.1903 Gnesen
+ 07. 05.1979 Westerland auf Sylt
Befehlshaber bei der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes
nach 1945
Landtagsabgeordneter Kieler Landtag
Bürgermeister von Westerland auf Sylt