SS-Sturmbannführer

* 07.02.1907 in Reußmarkt (Miercurea Sibiului)
† 20.03.1985 in
Göppingen

verheiratet, drei Kinder (nach seinen Angaben war seine Frau Halbjüdin)

Volksdeutscher aus Rumänien

4 Klassen Volksschule
(Reußmarkt)

Höhere Schule (Abitur 1924)
Gymnasium in Hermannstadt (heute Sibiu)

Universität Klausenburg u. Universität Wien
Pharmaziestudium

Beruf: Pharmazie Doktor

letzter bekannter Wohnsitz: Göppingen Frühlingstraße 1

verheiratet, drei Kinder (nach seinen Angaben war seine Frau Halbjüdin)

Sohn eines Kreis- und Amtsarztes

1931
leistet einen einjährigen Militärdienst im rumänischen Heer, von dem er allerdings elf Monate zur Fortsetzung seines Studiums nach Wien beurlaubt wird.

00.10.1933
Promotion (erwirbt in Wien den Doktortitel im Fach Pharmazie)

1934
Hochzeit

1934
dreimonatige wissenschaftliche Weiterbildung bei Bayer-Leverkusen (IG-Farben).

1943
Bis August 1943 ist er als Ärztebesucher für eine Tochtergesellschaft der IG-Farbenindustrie in Rumänien tätig, führt zeitweilig auch die Spitalsapotheke des rumänischen Heeres in Cernavode und wird deshalb zum Hauptmann und, einige Zeit später zum Major der Reserve befördet

1943
Spätsommer 1943 zur Wehrmacht eingezogen und verrichtete in Zentral-Sanitätslagern Dienst in Warschau, Berlin und Dachau. Bereits bei seiner ersten Station, in Warschau, wurde Capesius der Waffen-SS unterstellt und erhielt den sogenannten Angleichungsdienstgrad eines SS-Hauptsturmführers.

ab 00.07.1943
Mitglied der Bewaffneten Verbände der SS

01.08.1943
Beförderung zum SS-Hauptsturmführer

00.08.1943
Ausbildung im Zentralsanitätslager der SS in Warschau.

ab 24.09.1943
Lagerapotheker im KL
Dachau
In Dachau hab ich mein erstes Lager gesehen. Dachau war damals noch immer ein recht geordnetes Lager. Es waren auch keine Vergasungen in Dachau, und es war in der Art nicht. Es war ein strenges Regime , aber zu uns sind Häftlinge gekommen in das Zentralsanitätslager und in das Spital - ich hab im Lazarett ein Zimmer gehabt für mich - und haben dort Ordnung gemacht bei uns, und es war alles tadellos zuverlässig.

ab 12.02.1944
wurde er als SS-Sturmbannführer Leiter der SS-Apotheke im KL
Auschwitz, wo er bis zur Evakuierung von Auschwitz im Januar 1945 war. Anschließend wurde er in das KL Mauthausen und später in das KL Sachsenhausen versetzt.

11./12.06.1944
In der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1944 gegen 3:00 Uhr oder 4:00 Uhr trifft ein Transport mit 1447 Juden und unerwünschten Elemente (RSHA-Transport) aus Clausenburg (Kolozsvár) in Siebenbürgen auf der Rampe in Birkenau an. Der Transport hat am 09. Juni 1944 den Bahnhof Kolozsvár verlassen. Der Zug blieb zunächst einige Zeit verschlossen auf der Rampe stehen. Gegen 4:00 Uhr oder 5:00 Uhr wurden die Waggons geöffnet. Die Menschen mußten aussteigen. Unter ihnen befanden sich zwölf Ärzte aus dem Ghetto-Spital in Clausenburg und etwa 250 bis 300 Schwerkranke aus dem gleichen Spital. Die Kranken wurden zunächst auf die Erde hingelegt. Es entstand ein großes Durcheinander. Die Männer schrien und die Frauen und Kinder weinten. Ein Überlebender, der zu den zwölf Ärzten aus dem Spital gehörte, sah sich hilfesuchend um. Dabei bemerkte er den SS-Sturmbannführer Dr. Victor Capesius den er von früher her kannte, etwas abseits auf der Rampe stehen. Er lief voll Freude zu ihm hin, grüßte ihn und fragte, wo man sich befinde. Capesius antwortete, sie seien in Mitteldeutschland, was der Arzt jedoch nicht glaubte, weil er unterwegs Bahnstationen mit slawischen Namen gesehen hatte. Der Arzt fragte dann Capesius weiter, was mit ihnen geschehen werde. Capesius antwortete, es werde alles gut. Der Arzt erklärte dann dem SS-Sturmbannführer Dr. Capesius, daß seine Frau nicht ganz gesund sei. Daraufhin bedeutete Capesius dem Arzt, daß sie sich zu einer bereits gesondert aufgestellten Gruppe von Kranken stellen solle, indem er sagte, sie solle sich dorthin stellen und mit der Hand auf diese Gruppe zeigte. Der Arzt lief daraufhin zu seiner Frau und seiner bei ihr befindlichen 17jährigen Nichte, die inzwischen mit den anderen jüdischen Männern und Frauen in Reihen aufgestellt worden waren, zurück und sagte ihnen, daß sie sich zur Gruppe der Kranken stellen müßten. Seine Ehefrau ging daraufhin zu der Gruppe der Kranken hin. Ihre 17jährige Nichte nahm sie mit.
Nach diesem Vorfall läßt Dr. Capesius die Reihen vorrücken und sucht die Arbeitsfähigen aus, die er mit einer Handbewegung nach rechts, also ins Lager, schickt. Die nach links Gewiesenen werden später zusammen mit den Kranken in die Gaskammern gebracht. Ein Mann, der seiner Armbinde nach Arzt ist, spricht Dr. Capesius darauf an, daß seine Frau und seine Mutter auf der anderen, der linken, Seite stünden. Daraufhin sagt Dr. Capesius zu ihm: "Dann schicke ich Sie auch dorthin, das ist ein guter Ort." So wird auch er mit den anderen zusammen in einer der Gaskammern mit Zyklon B getötet.

09.11.1944
Beförderung zum SS-Sturmbannführer

nach 1945
nach 1945 wohnt er In
Stuttgart unter seinem richtigen Namen und beginnt Elektrotechnik an der Technischen Hochschule in Stuttgart zu studieren, weil er wegen seiner früheren SS-Zugehörigkeit keine Stellung finden kann.

00.07.1946
Im Juli 1946 wird er bei einem Besuch in München von einem Auschwitz-Überlebenden, dem späteren Prozess-Zeuge Leon Czekalski auf der Straße wiedererkannt, und zeigte den vormaligen SS-Sturmbannführer von Auschwitz an. Die amerikanische Militärpolizei griff zu und Capesius wurde in Internierungslagern in Dachau und Ludwigsburg festgehalten. Da ihm nach Auffassung der amerikanischen Stelle keine Verbrechen nachzuweisen waren, entließen ihn die Amerikaner im August 1947.

1947
In seiner rumänischen Heimat verurteilte ihn das Militärgericht Klausenburg 1947 in Abwesenheit zum Tode

Herbst 1947
Stelle als Apotheker in der Reitelsberg-Apotheke in Stuttgart

05.10.1950
am 5. Oktober 1950 eröffnete er in Göppingen die Marktapotheke und in Reutlingen einen Kosmetikladen (in den letzten Jahren vor seiner Verhaftung erzielt er mit insgesamt zwölf Angestellten einen durchschnittlichen Umsatz von 400 000 DM im Jahr)
Dann ein protziges Wohnhaus. In der Steiermark eine eigene kostspielige Jagd. Ein Wirtschaftswundertyp, der, als er sich 1963 im Frankfurter Auschwitzprozeß schließlich verantworten mußte, als einziger Angeklagter aus eigener Tasche einen Wahlverteidiger bezahlen konnte. Woher kam all das Geld? Das Anfangskapital hatte Capesius wohl aus Auschwitz, wo er, wie der Prozeß ergab, seinen Opfern das Zahngold aus dem Rachen reißen und von Häftlingen hatte einschmelzen lassen. Auch Uhren, Anzüge, Schuhe und vieles mehr hatte er beim Rampendienst beiseite geschafft.

Anfang Dezember 1959
in Göppingen verhaftet.
Die Polizeibeamten, die ihn festnehmen wollten, mussten warten, bis er von einer Jagdexpedition aus Afrika zurückgekehrt war. Die örtliche Gesellschaft zeigte völlige Verblüffung, als bekannt wurde, welche Anklagen gegen ihn erhoben worden waren.

1963
Angeschuldigt im 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess (1963)
Wahlverteidiger: Rechtsanwälte Dr. Bejlovec & Dr. Gänßler in Göppingen, Stuttgarterstr. 10, sowie die Rechtsanwälte Dr. Laternser & Steinacker in Frankfurt/Main

19.08.1965
am 19. August 1965 wurde Dr. Capesius zu neun Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.
Auszug aus dem Schlußwort: Ich habe in Auschwitz keinem Menschen etwas zuleide getan. Selektiert habe ich nie. Ich bin in Auschwitz nicht schuldig geworden.

1968
Göppinger Kreisnachrichten vom 22. Januar 1968
Dr. Capesius wieder in Göppingen
Der Göppinger Apotheker Dr. Victor Capesius ist aus langjähriger Haft nach Göppingen zu seiner hier lebenden Familie zurückgekehrt. Dr. Capesius war im Alter von 52 Jahren am 4. Dezember 1959 in Göppingen verhaftet worden. Im Verlaufe des sogenannten Auschwitz-Prozesses wurde er vom Frankfurter Schwurgericht im August 1965 wegen Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord zu neun. Jahren Zuchthaus und zu fünf Jahren Ehrverlust verurteilt. Dr. Capesius war, zuletzt als SS-Sturmbannführer, in Auschwitz Leiter der Apotheke des Vernichtungslagers gewesen. Die Untersuchungshaft wurde angerechnet. Dr. Capesius wurde zehneinhalb Monate vor Ablauf der Strafzeit ohne jede Auflage entlassen. Er war in Frankfurt und zuletzt in Gießen inhaftiert. Der jetzt 61jährige Apotheker will, wie er gestern der NWZ gegenüber äußerte, zunächst gesundheitlich wieder auf die Höhe kommen, „denn acht Jahre Entzug der Freiheit — das geht nicht spurlos an einem Menschen vorüber". Er will in Göppingen bleiben, hier arbeiten, und zwar voraussichtlich in der Apotheke seiner Frau.
Bürger Göppingens wissen zu berichten, der wegen Mordbeihilfe in vier Fällen an jeweils mindestens 2000 Menschen Abgeurteilte – wie es im Urteilstenor heißt – sei noch am Tag seiner Haftentlassung beim Besuch eines Stadtkonzerts mit Beifall begrüßt worden. Sein Geschäft hatte Capesius seiner Ehefrau, selbst Apothekerin, überschrieben lassen. Der mittellose Gatte wurde zum Angestellter seiner Gattin.

1978
Victor Capesius und seine Frau wurden 1978 von dem Schriftsteller Dieter Schlesak in Capesius ,,Pharmazie und Wohnung" in Göppingen interviewt. Auszüge aus den Interviews wurden bereits 2005 in Schlesaks Buch " Zeugen an der Grenzen unserer Vorstellung" veröffentlicht.

20.03.1985
Am 20. März 1985 starb Capesius im Alter von 78 Jahren eines natürlichen Todes in Göppingen

Nach Zeugenaussagen hat sich Dr. Capesius neben Medikamenten und ärztlichem Gerät auch immer wieder Zahnplomben durch Funktionshäftlinge in die Apotheke schaffen lassen. Das in den Plomben enthaltene Zahngold habe er einschmelzen lassen. Ein Zeuge hat einmal aus dem Sanka einige Lederkoffer in das Magazin der Apotheke tragen müssen. Was dann weiter geschehen ist, schildert er folgendermaßen:
Dr. Capesius habe dann den Raum von innen abgeschlossen und mit ihm zusammen die in den Koffern befindlichen Sachen sortiert. Der Angeklagte habe die besten Stücke in einen besonderen Koffer hineingelegt und gesagt, das bleibe zu seiner Verfügung. Das Geld in fremder Währung habe er gleich in seine Tasche gesteckt, während er das deutsche Geld in den Koffern gelassen habe. Wertgegenstände und Uhren habe er ebenfalls an sich genommen, indem er sie teils in seine Tasche gesteckt, teils in die besonderen Koffer, die zu seiner Verfügung bleiben sollten, gelegt habe. Auch hieraus ergibt sich, daß der Angeklagte Dr. Capesius einen Teil des Häftlingsgutes an sich gebracht und für sich behalten hat. Denn wenn er alle Gegenstände hätte abliefern wollen - wie es vorgeschrieben war - hätte er sie nicht erst in die besonderen Koffer packen oder in seine Taschen stecken brauchen. Die Tatsache, daß er die Tür abgeschlossen hat, spricht dafür, daß er nicht hat überrascht werden wollen.

Der Standortarzt Wirths, der SS-Hauptsturmführer Bruno Weber, Leiter des Hygiene-Institutes, und der SS-Sturmbannführer Victor Capesius, Chef der SS-Apotheke, interessierten sich für die Wirkung von Meskalin und seine Anwendungsmöglichkeiten bei Verhören. Sie waren von der Berliner SS-Behörde und der GeStapo beauftragt worden, dazu Versuche durchzuführen. Wirths ließ Bruno Fischer, Professor für Psychiatrie aus Prag, in den Krankenbau überstellen, um sich dessen Kenntnisse über Meskalin zunutze zu machen. Von ihm stammen die Informationen über diese Experimente. Mit Einsatz dieses Rauschmittels wollte die GeStapo bei Verhören den Widerstand von Häftlingen brechen. Durch Fischer hoffte Wirths die Dosierung des Mittels zu erfahren. Fischer verabreichte den zum Verhör Vorgeführten immer kleine harmlose Dosen, die die erwünschte Wirkung hervorriefen. Wirths war mit Fischers Beurteilung zufrieden und er zwang ihn nicht mehr an diesen Versuchen mitzuwirken. Die SS-Männer die die Verhöre durchführten, waren von Fischers Beurteilung nicht überzeugt und setzten die Experimente mit anderen Häftlingen fort.“

Göppingen Frühlingstraße 1