Gebiet
Ukraine, Oblast Schytomyr, Kreisfreie Stadt Schytomyr

Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion wurde Schytomyr am 9. Juli 1941 von deutschen Truppen besetzt, unmittelbar hinter den Wehrmachtspanzern rückten drei Lastwagen des SS-Einsatzkommandos 4a in die Stadt ein, kurze Zeit später wurden die meisten Juden aus Schytomyr und Umgebung ermordet.

Mitarbeiter der Staatspolizeileitstelle Stuttgart
Karl Zimmermann arbeitete ab Mai 1943 als Verwaltungsbeamter beim KdS in Shitomir (Schytomyr). Zimmermann war 1921 in die württembergische Schutzpolizei eingetreten und vom Polizeiamt Heidenheim im August 1938 zur Staatspolizeileitstelle Stuttgart versetzt worden.
Nach seiner Rückkehr nach Stuttgart im März 1944 arbeitete er in der Verwaltung des Arbeitserziehungslagers Aistaig, bevor er im September dieselbe Position im Sicherungslager Rotenfels-Gaggenau übernahm. Das britische Militärgericht Wuppertal verurteilte ihn 1946 wegen Beihilfe zum Mord an französischen, amerikanischen und britischen Kriegsgefangenen zu zehn Jahren Gefängnis.

Die Sonderbehandlung der Schwerkriegsbeschädigten am Heiligen Abend 1942

Aus den Akten des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD in Shitomir
Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD Shitomir
Berditschew, den 24.12.1942

Auf Anordnung erscheint der SS-Sturmscharführer u. Krim.-Obersekretär Fritz Knop, 18.2.1897 in Neuklenz, Krs. Köslin, geboren, und macht folgende Angaben:
Seit Mitte August bin ich Dienststellenleiter der Außendienststelle Berditschew des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD in Shitomir. Am 23.12.42 besichtigte der zur Zeit stellv. Kommandeur, SS-Hauptsturmführer Kallbach, die hiesige Dienststelle und auch das Arbeitserziehungslager, das meiner Dienststelle untersteht. In diesem Arbeitserziehungslager befinden sich seit Ende Oktober oder Anfang November 78 ehem. Kriegsgefangene, die aus dem Stalag in Shitomir s.Z. entlassen waren, da sie nicht arbeitsfähig waren. Diese Kriegsgefangenen sind damals m.W. in einer größeren Anzahl entlassen und dem Kommandeur der Sipo und SD zur Verfügung gestellt worden. In Shitomir hat man dann von ihnen eine kleine Anzahl noch einigermaßen arbeitsfähiger Männer herausgesucht und die restlichen 78 dem hiesigen Arbeitslager überstellt.
Bei den sich im hiesigen Lager befindlichen 78 Kgf. handelte es sich ausschließlich um Schwerkriegsbeschädigte. Einigen der Kgf. fehlten beide Beine, einigen wiederum beide Arme, anderen wieder eins der Glieder. Nur wenige von ihnen hatten wohl noch ihre Glieder, waren aber durch andere Verwundungen so stark versehrt, daß sie irgendwelche Arbeiten nicht verrichten konnten. Die letzteren hatten dann die anderen zu betreuen. Bei der Besichtigung des Arbeitserziehungslagers am 23.12.1942 ordnete SS-Hauptsturmführer Kallbach an, daß die inzwischen durch Todesfälle übriggebliebenen 68 oder 70 Kgf. am heutigen Tage Sonderzubehandeln sind. Zu diesem Zweck stellte er einen Lkw mit dem Fahrer SS-Mann Schäfer von der Kommandeurdienststelle zur Verfügung, der heute um 11.30 Uhr hier eintraf. Mit den Vorbereitungen für die Exekution habe ich heute früh die Angehörigen der hiesigen Dienststelle SS-Unterscharf. Paal, SS-Rottenf. Hesselbach und SS-Sturmm. Vollprecht beauftragt. Von diesen drei Männern beauftrage ich wieder Vollprecht als den Verantwortlichen.
Über die drei mit der Erschießung der Kgf. beauftragten Männer war mir bekannt, daß sie bereits in Kiew bei Großexekutionen von mehreren tausend Personen teilgenommen hatten. Auch an der hiesigen Dienststelle waren sie in früherer Zeit, d.h. auch zu meiner Zeit, mit Erschießungen von mehreren hundert Personen beauftragt. Aus diesem Grunde und weil ich z. Z, mit Arbeit stark überlastet bin, habe ich diesen drei Männern die Durchführung der heutigen Exekution überlassen und als Verantwortlichen den Dienstältesten, SS-Unterscharf. Paal, bestimmt. An Waffen führten die Männer eine deutsche MP., ein automatisches russ. Gewehr, eine Pistole 08 und m. W. noch einen Karabiner bei sich. Ich möchte noch bemerken, daß ich den SS-Hauptscharführer Wenzel als Beamten den drei Männern beigeben wollte, daß dieses aber von dem SS-Sturmmann Vollprecht mit dem Bemerken abgeschlagen wurde, sie seien zu dritt stark genug.
Auf Vorhalt: Es ist mir nicht der Gedanke gekommen, durch ein größeres Kommando den reibungslosen Verlauf der Exekution zu sichern, da die Exekutionsstelle nicht einzusehen war und auch die Häftlinge durch ihre körperliche Behinderung nicht fähig waren zu flüchten. Etwa gegen 15 Uhr erhielt ich einen Anruf vom Stalag, daß ein Kamerad meiner Dienststelle vom Sonderauftrag verwundet und ein Mann getötet sei, Darauf entsandte ich sofort mit einem Fuhrwerk SS-Hauptscharführer Wenzel und SS-Oberscharführer Fritsch zur Exekutionsstelle. Einige Zeit später erhielt ich einen zweiten Anruf vom Stalag, wodurch mir mitgeteilt wurde, daß 2wei Kameraden von der Dienststelle tot seien. Durch einen zufällig bei meiner Dienststelle ankommenden Kraftwagen der Wehrmacht ließ ich mich sofort zum Stalag fahren. Vor dem Stalag traf ich den Lkw der Kommandeurstelle an, auf dem bereits die beiden erschossenen Kameraden lagen. Hesselbach machte mir Meldung über den Vorfall. Danach hat Hesselbach die Erschießung in der Grube vorgenommen, während die anderen beiden Kameraden zur Bewachung in der Nähe des Wagens standen. Hesselbach habe bereits drei Kgf. erschossen, der vierte stand neben ihm, als er plötzlich oberhalb der Grube Schüsse hörte. Darauf erschoß er noch den vierten Kgf., kletterte aus der Grube heraus und sah die Kgf. auseinanderlaufen. Er hat hinter den Flüchtenden hergeschossen und nach seiner Meinung zwei davon erschossen. Ich bin dann noch ins A. Lager hinein gefahren und habe Anordnungen gegeben, daß die Häftlinge besonders scharf bewacht werden. Eine Verstärkung der Wache konnte ich nicht vornehmen, da ich nicht die nötigen Kräfte zur Verfügung habe. Auch von anderen Pol.-Dienststellen konnte ich eine Verstärkung nicht bekommen, da ich wußte, daß sie sich im Einsatz befinden. Hesselbach hatte an Ort und Stelle beim Stalag bereits veranlaßt, daß ein Kommando von 20 Mann die Gegend nach den Geflüchteten absuchte. Zur weiteren Fahndung habe ich dann die Feldgendarmerie, Pol.-Gendarmerie und die Eisenbahnpolizei verständigen lassen. Hesselbach, der Kraftfahrer und die beiden nachgesandten Beamten haben die erschossenen Kgf. ordnungsmäßig mit Erde bedeckt.
Ich möchte noch darauf hinweisen, daß der Vorfall bei der zweiten Exekution geschehen ist. Dieser ist vorausgegangen eine Erschießung von etwa 20 Kgf., ohne besonderen Zwischenfall. Unmittelbar nach meiner Rückkehr habe ich fernmündlich dem Kommandeur in Shitomir Meldung erstattet.
Weitere Angaben habe ich nicht zu machen. Ich versichere, daß sie wahrheitsgemäß sind und bin darauf hingewiesen worden, daß bei nicht wahrheitsgemäßen Angaben meine Bestrafung und Ausschluß aus der SS erfolgt.

Geschlossen:
Kuntze
SS-Ostuf. Fritz Knop, SS-St.scharf.

Weiter erscheint auf Anordnung der SS-Rottenführer der Waffen-SS Friedrich Hesselbach 24.1.1909 in Feudingen, Krs. Wittgenstein/Westf., geboren und macht folgende Angaben:
Beim ersten Transport hatte auf Anweisung von Paal der Transport fast ausschließlich aus Beinamputierten bestanden. Ich machte gegen diese Einteilung, zunächst alle Beinamputierten heranzunehmen, den Einwand, daß das nicht richtig wäre. Paal wies meinen Einwand jedoch zurück, mit dem Bemerken, er hätte die Einteilung schon so gemacht. Die Exekution des ersten Transportes verlief ohne Zwischenfall. Während Vollprecht bei der Grube blieb, fuhren Paal und ich zurück zum Arbeitslager, wo wir weitere 28 Kgf. auf den Lkw luden. Bei diesem zweiten Transport handelte es sich in erster Linie um Männer, die irgendwelche Armamputationen hatten. Soweit ich mich jetzt richtig entsinne, hatten die meisten alle Glieder. Auch jetzt kritisierte ich die falsche Einteilung von Paal. Er bemerkte darauf, daß es ja doch afles Krüppel seien. Ich warnte ihn dann noch zur besonderen Vorsicht. Auf Anordnung von Paal stellte ich mich auf das Trittbrett beim Führerhaus und beobachtete mit gezogener Pistole die im offenen Wagen sitzenden Häftlinge. Paal selbst stand nicht auf der anderen Seite des Trittbrettes, sondern saß neben dem Kraftwagenführer. Während bei dem ersten Transport Vollprecht mit seiner MP die Erschießung durchgeführt hatte, wurde ich jetzt bei dem zweiten durch Paal damit beauftragt. Er beabsichtigte damit, bei diesem gefährlichen Transport eine größere Feuerkraft als Bewachung am Wagen zu haben. Unmittelbar am Lkw stand also Paal mit einem dicken Fahrermantel bekleidet und umgehängtem automatischen Russengewehr. Auch Vollprecht stand mit Mantel und der MP in der Hand unmittelbar beim Lkw. Der Kraftfahrer Schäfer bezog am Rande der Grube Posten, während ich in der Grube mit meiner Pistole 08 die Erschießung vornahm. Bevor ich in die Grube stieg, habe ich Paal noch einmal zur Vorsicht ermahnt und ihm geraten, den Mantel auszuziehen, damit er beweglicher sei. Ich habe ihm auch weiter geraten, das Gewehr im Anschlag zu halten, da wir es hier nicht mit Juden zu tun hätten. Auf meine Einwände hat Paal jedoch in keiner Weise reagiert, sondern befahl im Gegensatz zu meinem Vorschlag, immer die Gefangenen einzeln zur Grube zu führen, daß zwei Mann gleichzeitig durch mich und den Kraftfahrer zur Grube geführt werden sollten. Nachdem ich die ersten drei Häftlinge erschossen hatte, hörte ich plötzlich oberhalb der Grube ein Geschrei. Da der vierte Häftling gerade beim Hinlegen war, habe ich diesen schnell abgeknallt und bemerkte dann beim Aufblicken, daß am Lkw ein wüstes Durcheinander war. Ich hatte auch unmittelbar vorher Schüsse fallen hören, und die Häftlinge sah ich links und rechts vom Wagen das Weite suchen. Über den einzelnen Ablauf der Dinge, die am Lkw vor sich gingen, kann ich genaue Angaben nicht mehr machen, zumal ich in größerer Entfernung von etwa 40-50 m stand und das Ganze ein wüstes Bild darbot. Ich weiß jetzt nur noch zu sagen, daß ich die beiden Kameraden am Boden liegen sah und daß zwei Häftlinge mit den erbeuteten Waffen auf mich und den Kraftfahrer schössen.

Die Sonderbehandlung der restlichen ehem. Kgf.

Shitomir, den 27.12.1942.
Am 25.12. fand unter meiner Leitung die Sonderbehandlung der restlichen 20 ehem. Kgf. an derselben Stelle statt. Da zu befürchten war, daß die geflüchteten Häftlinge in kürzester Zeit Verbindung mit einer Bande aufgenommen haben könnten, habe ich veranlaßt, daß das Stalag wiederum ein Kommando von 20 mit LMG und Karabiner bewaffneten Soldaten zur Sicherung der Umgegend abstellte. Die Exekution ist ohne Zwischenfall verlaufen.
Als Vergeltungsmaßnahmen ordnete ich an, daß durch die Gendarmerie in den umliegenden Ortschaften sofort eine Überprüfung sämtlicher bereits entlassener Kgf. auf ihre politische Betätigung während der Sowjetzeit durchgeführt würde und 20 Aktivisten und KP-Mitglieder aus diesen Reihen festgenommen und der Sonderbehandlung zugeführt
werden. Außerdem erteilte ich Sturmscharf. Knop Anweisungen und Richtlinien für die Durchführung weiterer Exekutionen.
Bei meinem Eintreffen in der Außendienststelle Berditschew waren die erschossenen Kameraden in einem hergerichteten Totenzimmer würdig aufgebahrt. Der Dienststellenleiter hat durch die Wehrmacht in Berditschew Särge erhalten, so daß am 27.12. die Überführung der erschossenen Kameraden nach hier erfolgen konnte. Die Beisetzung fand am heutigen Tage um 14 Uhr auf dem Heldenfriedhof der SS und Polizei in Hegewald statt.

Kuntze
SS-0bersturmführer