Schutzhaftlager Columbia-Haus

Columbia-Haus

Bezeichnung: Haftanstalt für politische Gefangene (Columbia-Haus)

Gebiet
Land und Stadtstaat Berlin (Bezirk Tempelhof) Prinz-August-von-Württemberg-Straße

Gebiet heute
Land und Stadtstaat Berlin (Bezirk Tempelhof) Columbiadamm

Eröffnung
Juli 1933

Schließung
Am 27. Dezember 1934 endete die Unterstellung des Columbia-Hauses unter die Gestapo. Als K.L. Columbia gehörte das Lager ab diesem Zeitpunkt zur Inspektion der Konzentrationslager (IKL). Organisatorisch endete damit die willkürliche Terrorherrschaft und wurde durch den systematischen Terror des Dachauer Modells ersetzt. Für die Häftlinge änderte sich damit nur wenig.
Anlässlich des Neubaus des Flughafens Tempelhof wurde das Columbia-Haus 1938 abgerissen.

Unterstellung
Gestapo

Häftlinge
Juli 1933: 80
September 1933: 300
Februar 1934: 450

Geschlecht
Männer

Wachmannschaft
SS-Sturmbannführer Walter Gerlach
SS-Sturmbannführer
Arthur Liebehenschel
SS-Oberführer Alexander Reiner
SS-Obersturmführer Karl Otto Koch
SS-Oberführer Heinrich Deubel
SS-Mann Hans Bächle
Max Koegel
Hans Schmidt
Richard Baer
Max Koegel
Albert Sauer
1933-1934: Kommandant SS-Truppführer Othmar Toifl
1933-1934: Oberaufsicht des SS-Oberführer Max Henze
1933-1934: Gruppe Wecke
1933-1934: SS-Männer des SS-Abschnitts III Berlin-Brandenburg
Ab 01.03 1935 SS-Wachtruppe Oranienburg-Columbia (Ab 1936 in SS-Wachverband Brandenburg umbenannt).
Dem Wachverband gehörten zu dieser Zeit 155 SS-Männer zuzüglich 39 SS-Anwärter an.
Ende Mai 1935 war diese Zahl bereits auf 273 SS-Männer und 64 Anwärter gestiegen.
Ab 1936 zählte der Wachverband 420 Mann.
Bei der Auflösung des KZ im Oktober 1936 versahen 531 SS-Männer und 30 Kommandanturangehörige ihren Dienst bei der Wachtruppe.

Täter

Einsatz der Häftlinge bei

Lagerausstattung
156 Zellen

Ausstattung der Insassen

Lageralltag

Bemerkungen
Die Wachmannschaft hatte völlig freie Hand bei der Behandlung der Gefangenen erhalten. So kam es regelmäßig zu Misshandlungen und auch Morden. Die Wachtruppe wurde zwar 1934 ausgetauscht, an der Behandlung der Häftlinge änderte dies jedoch nichts. Um die Berliner Bevölkerung nicht unnötig zu beunruhigen, wurde im September die Schikanierung und Misshandlung der Häftlinge ausdrücklich verboten. Die Situation der Insassen besserte sich dadurch etwas, es ist jedoch nicht bekannt, ob jemals die angedrohten disziplinarischen Maßnahmen gegen Wachmänner angewendet wurden.

Flucht von Hans Bächle
Im April 1935 flüchtete der SS-Mann Hans Bächle zusammen mit den Gefangenen Hausmann und Wiendig aus dem Columbiahaus nach Prag.
Bächle war aufgrund mangelnder Anerkennung und schlechter Bezahlung unzufrieden. Für den inhaftierten ehemaligen Kommandanten des Freikorps Oberland, Josef Römer, hatte Bächle bereits Post und Geld in das Lager geschmuggelt. Über Römer wurden Hausmann und Wiendig, beide enge Mitarbeiter des ebenfalls inhaftierten ehemaligen schlesischen Gauleiters Helmut Brückner, mit Bächle bekannt gemacht. Dieser ließ sich überreden, die Fluchtpläne von Hausmann, Wiendig und Römer zu unterstützen.
Römer blieb letztlich freiwillig im KZ zurück. Die drei anderen Männer flohen am 20. April 1935 mit einem von Bächle organisierten Wagen in die Tschechoslowakei.
Begünstigt wurde ihre Flucht dadurch, dass der damalige Kommandant Reiner wegen des Mordes an zwei Häftlingen beurlaubt worden war und in der SS-Wachtruppe Verunsicherung herrschte. Am 23. Mai 1935 erschien in der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung, dem Organ der Prager Exil-SPD, eine Reportage, in der Bächle die Zustände im KZ aufdeckte. Als Konsequenz dieser propagandistischen Katastrophe wurde Reiner abgelöst.

Auflösung des KZ
Mit dem geplanten Großprojekt des Flughafen Tempelhof wurde die Auflösung des KZ Columbia beschlossen. Die Columbia-Häftlinge sollten in ein neues zentrales Konzentrationslager bei Berlin verlegt werden, das KZ Sachsenhausen. Die Baupläne für Sachsenhausen wurden im Columbia-Haus ausgearbeitet. Zusammen mit Häftlingen des KZ Esterwegen errichteten die Insassen des Columbia-Hauses das KZ Sachsenhausen. Das Gelände des Columbia-Hauses ging am 1. Oktober 1936 an das Reichsluftfahrtministerium. Am 5. November 1936 wurde das KZ Columbia schließlich auch offiziell aufgelöst. Fotos von der Baustelle des Tempelhofer Flughafens zeigen, dass die Gebäude des KZ noch mindestens bis zum März 1938 existierten.

Hiller Kurt

Aussage Hiller Kurt
Mit drei oder vier andern werde ich auf einem Flitzer verladen; wir müssen uns getrennt setzen und alle rückwärts, offenbar, um nicht zu sehen, wohin die Reise geht. Etwa um acht Uhr abends halten wir auf dem Hof eines jener halb-kasernenartigen, halb-zuchthaushaften Backsteingebäude, die der Gegend am Rande des Tempelhofer Feldes ihr unerfreuliches Gepräge geben.Vor mich tritt ein riesiger Sportskerl...höhnischer Blick...und schon habe ich vier, fünf Fausthiebe im Gesicht mit voller Boxkraft aus nächster Nähe, das mir schwummrig wird und das Blut in vollem Strome aus der Nase schiesst. Dann jagt man mich mit Tritten in eine Zelle. Ich falle blutbesudelt auf den Strohsack. Noch ehe ich recht zur Besinnung komme, holt man mich wieder heraus, hetzt mich in ein geräumiges Zimmer. Seine Wände sind mit Peitschen und Geisseln drapiert. Ich muss mich über den Tisch legen, hinter mich tritt der Entblößte mich riesiger Peitsche...Fünfundzwanzig Hiebe...Nach der Exekution bin ich nicht viel lebendiger als eine Leiche. So sieht der Empfang aus; nicht nur bei mir. Alle Intellektuellen werden so empfangen, alle Juden, viele Kommunisten und ein Teil der Sozialdemokraten. „Sind die physischen Mißhandlungen das schlimmste oder die moralischen?

Eine Doktorfrage, wir müssen auf dem Hof Kastanienstubben ausroden. Wir - nämlich das Prominentenkommando, das hämisch zusammengestellt wird. Ein ehemaliger Polizeipräsident, ein Stadtrat, ein Reichsgraf und ich. Kintopp für ein Dutzend Schwarze in der Runde. Zuletzt bekomme ich eine Schaufel mit zu kurzem, zackig abgerissenen Stiel. Natürlich pack ich sie falsch an. Man wiehert. Ich reisse mir einen gewaltigen Splitter in den Handteller. Als mir das Wasser in Bächen von Kopf und Körper rinnt und das letzte Mark aus den Knochen gepumpt, werde ich abgelöst. An meine Stelle tritt der Genosse Klühs vom Vorwärts. Ein andermal müssen vier Juden dicht zusammentreten und sich eine Viertelstunde in mittlerer Kniebeuge halten, kurz vor dem Umfallen wird ihnen ein Karton über den Kopf gestülpt: sie dürfen sich aufrichten und müssen nun ein heiliges hebräisches Gebet sprechen. Ich soll es vorsprechen.“

Szepansky Wolfgang

Aussage Szepansky Wolfgang
Die Zelle enthielt nur eine Pritsche. Jetzt taten mir die Kinnladen von den Schlägen weh. Immer wieder erwachte ich von dem Wimmern und Stöhnen, das aus anderen Zellen zu mir drang. „Oh mein Bauch, mein Bauch“, jammerte es. Ich verschloß meine Ohren. Der nächste Tag begann mit Essensempfang. Trockenes Brot und Kaffeelorke. Eine Toilette oder einen Kübel gab es in der Zelle nicht. Wer austreten mußte, konnte die Fahne werfen, eine Metallscheibe, die sich durch die Wand auf den Gang schieben ließ. Die SS-Wache reagierte, wann sie wollte, selten, wenn ein Gefangener mußte. Das wurde zu einer zusätzlichen Folter. Zu meinem Glück brauchte man Maler, um Büroräume, Gänge und Toiletten zu streichen. Von nun an wurde ich jeden Tag zum Arbeiten aus meiner Zelle geholt. Dabei bekam ich viele aufschlußreiche Dinge zu erfahren. So gab es eine Gefangenenkapelle, mit Pauken und Trompeten. Die mußten spielen, um die Schreie der Gefolterten zu übertönen. Immer dasselbe:“Wenn am Sonntag die Dorfmusik spielt“.

In dem Zimmer des „Vernehmungsrichters“, wie er von den Mitgefangenen genannt wurde, hingen Ochsenstriemer, Siebenstriemer, ein vierkantiges Stuhlbein, Stahlruten. Getrocknetes Blut und Haare klebten an ihnen. Im Keller gab es Zellen, in denen die Gefangenen strenger bewacht wurden. Sie durften sich nicht setzen. Eines Tages wurden alle arbeitenden Häftlinge früher als gewöhnlich in ihre Zellen gebracht. Auf dem Hof waren alle SS-Männer versammelt. Einer ihrer Hauptleute hielt eine Ansprache. „Alle herhören! Die Neuzugänge, die heute eintreffen, sind hart anzufassen. Schluß mit der Humanitätsduselei. Wir sind hier nicht im Kindergarten. Ich hoffe, ich bin verstanden worden.“