Mentz

Der Angeklagte Mentz unterstützte die Massenvernichtung dadurch, dass er zunächst einige Zeit lang die Leichenträger im oberen Lager beaufsichtigte und dass er dann im Lazarett des unteren Lagers alte und kranke Ankömmlinge, die man ihm dorthin brachte, durch Genickschuss erschoss.

Mentz kannte alle Tatumstände, die das Verhalten der Haupttäter als ein solches aus niedrigem Beweggrund, als heimtückisch und grausam kennzeichnen, da er nahezu täglich alle Scheußlichkeiten der Judenvernichtung unmittelbar erlebte. Daneben handelte Mentz aber auch selbst grausam und heimtückisch.
Zwar ist nicht zu übersehen, dass Mentz sich an die ihm von Wirth erteilten Anweisungen über die Erschiessungen im Lazarett gehalten hat, welche die gesamte Prozedur (Entkleiden der Opfer, Hinsetzen der Opfer an den Rand der brennenden Leichengrube, Herunternehmen des Kopfes, Genickschuss und anschliessendes selbstttiges Hineinfallen der Krper in die brennende Leichengrube) genau festlegten.
Aus seiner gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung heraus hat er jedoch einigen Opfern, die er nur verwundet und als noch Lebende in die brennende Grube gleiten ließ, ohne sich von ihrem Tod zu überzeugen, dadurch besondere Qualen und Schmerzen zugefügt, dass sie lebendigen Leibes verbrannten.
Einen solchen Fall hat der Zeuge Raj. (vergleiche den Abschnitt
D.IV.6. des Zweiten Teiles der Gründe) beobachtet, als sich nämlich eine nur verwundete ältere Jüdin aus den Flammen der Grube erhob, um schließlich von Mentz den endgültigen Todesschuss zu erhalten.

Mentz räumt selbst ein, sich niemals darum gekümmert zu haben, ob seine Genickschüsse auch stets tödlich waren. Die Möglichkeit hierzu hätte bestanden. Mentz hätte nämlich seine drei jüdischen Helfer, darunter den Kapo Kurland, mit derartigen Kontrollen beauftragen können. Der Umstand, dass er solche Kontrollen unterließ und bewusst in Kauf nahm und billigte, dass lediglich verletzte Opfer lebend in den Flammen umkamen, zeugt von einer gefühllosen, unbarmherzigen Gesinnung des Angeklagten gegenüber seinen Opfern.

Schließlich hat Mentz selbst auch heimtückisch gehandelt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHSt. 2, 251, 7, 218 und 9, 385) ist Heimtücke die Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers. Dagegen ist es zur Annahme von Heimtücke nicht erforderlich, dass der Handelnde die Arg- und Wehrlosigkeit selbst herbeigeführt haben muss (vgl. BGH in NJW 1951, 410).

Wenn sich Mentz darauf beruft, dass nicht er, sondern andere Männer den Lazarettopfern vorgespiegelt hätten, sie kämen in ein richtiges Krankenhaus, so ist das also unbeachtlich. Dass Mentz jedoch die Arg- und Wehrlosigkeit seiner meist alten und kranken Opfer, die aufgrund der irreführenden Zusagen anderer Männer sowie durch die am Lazaretteingang angebrachten Symbole des Roten Kreuzes an eine Ärztliche Behandlung glaubten und sich entkleideten, ausnutzte, ist ihm selbst als heimtückisches Verhalten zuzurechnen.

Mentz war trotz Kenntnis aller Tatumstände damit einverstanden, dass durch seine Tätigkeit der schnelle Ablauf der Massentötungen unterstützt wurde. Seine Mitwirkung geschah also vorsätzlich.

Obwohl der Angeklagte bei seiner Tätigkeit im Lazarett, wo er den Opfern mit eigener Hand den Genickschuss gab, den Tatbestand des 211 StGB in seiner eigenen Person erfüllte, handelte er nicht als Mittäter, sondern als Gehilfe.
Es hat sich nicht feststellen lassen, dass sein Wille über die Leistung eines Forderungsbeitrages hinausging und dass er die Tötungen als eigene wollte.
Er war zwar Mitglied der NSDAP, hatte sich aber die rassepolitischen Vorstellungen seiner Partei keineswegs zu eigen gemacht. Er sah keinen Sinn in der Vernichtung der Juden. Er wurde deshalb auch nicht aus eigenem Antrieb tätig, sondern führte nur die ihm befohlenen Tätigkeiten aus, weil er sich hierzu gegenüber seinem Führer für verpflichtet hielt. Er tröstete sich selbst damit, dass er sich sagte, der Führer müsse wissen, wozu das gut sei und der Führer werde das alles zu verantworten haben. Er verfügte darüber hinaus nicht über die Tatherrschaft, da er keinen Einfluss auf die Planung und die Art und Weise der Judenvernichtung hatte.
Selbst die Technik der Erschießungen im Lazarett war ihm von Wirth vorgemacht und vorgeschrieben worden. Einen geringen Spielraum hatte er nur insoweit, als er unter mehreren Opfern die Reihenfolge der Tötungen bestimmen konnte. Die Befugnis, einen zur Erschiessung ins Lazarett geschickten alten oder kranken Menschen am Leben zu lassen, hatte er nicht.

Für die Frage, ob er Täter oder nur Gehilfe ist, bleibt jedoch vor allem seine Willensrichtung von Bedeutung.

Nach seinem Lebenslauf, seinem beruflichen Werdegang, seinem Gesamtverhalten in Treblinka und seinem in der mehrere Monate dauernden Hauptverhandlung gewonnenen Charakterbild ist das Schwurgericht davon überzeugt, dass er sich nicht deshalb an der Vernichtungsaktion in Treblinka beteiligte, weil er sich den Haupttätern gleichstellen, sondern weil er infolge seiner Einstellung zu Befehl und Gehorsam eine fremde Tat weisungsgemäß unterstützen wollte.
Sofern man ihm nicht die Arbeit im Lazarett abverlangte, weil er gelegentlich von anderen SS-Männern abgelöst wurde, arbeitete er als Chef des Landwirtschaftskommandos so zuverlässig und solide, wie er es sonst in seinem erlernten Beruf als Melkermeister gewohnt war.
Er schlug die ihm anvertrauten Häftlinge des Landwirtschaftskommandos nicht, weil er hierzu keine Neigung verspürte und weil ihm das nicht befohlen war.

Wie er selbst sagt, war für ihn der Ausspruch maßgebend Befehl ist Befehl, wobei es ihm gleichgültig war, ob er nun zu einer friedlichen Beschäftigung in der Landwirtschaft oder zum Henker unschuldiger Menschen bestimmt wurde. Er fühlte sich somit als Werkzeug einer allmächtigen Staatsgewalt, die in seinen Augen die Verantwortung für alles tragen musste, was sie anordnete.
Seine innere Einstellung lässt sich deshalb nicht als Täterwille ansehen. Nicht zuletzt spricht hierfür der Umstand, dass ihm in Treblinka keine eigenmächtigen Tötungen und keine eigenmächtigen Misshandlungen von Arbeitshäftlingen nachgewiesen werden konnten.

Nach der Überzeugung des Schwurgerichts hat der Angeklagte Mentz in Treblinka an der Tötung von mindestens 300000 Menschen mitgewirkt. Er hat dem SS-Sonderkommando Treblinka von Ende Juni / Anfang Juli 1942 bis Ende November 1943, also über 17 Monate lang, angehört. Selbst wenn man einen Heimaturlaub von insgesamt 17 Wochen absetzt, so verbleiben mehr als 12 Monate, in denen Mentz an den Massentötungen teilgenommen und deren reibungslosen Ablauf gefördert hat.
Das Schwurgericht schätzt deshalb die Anzahl der Personen, an deren Tötung Mentz im Rahmen der Massenvernichtung beteiligt gewesen ist, auf mindestens 300000. In dieser Zahl sind aus den bereits beim Angeklagten Franz genannten Gründen die von Mentz mit eigener Hand oder unter seiner unmittelbaren Mitwirkung bei der Transportabfertigung durchgeführten Tötungen im Lazarett (vergleiche Abschnitt D.IV. des Zweiten Teiles des Urteils) mit enthalten.

Der Angeklagte Mentz erfüllt mithin den Tatbestand der Beihilfe zum gemeinschaftlichen, aus niedrigen Beweggründen (Rassenhass), heimtückisch und grausam begangenen Mord in mindestens 300000 tateinheitlich miteinander verbundenen Fällen (211, 47, 49, 73 StGB).