Liquidierung des aus mindestens 25 Personen bestehenden Restkommandos Ende November 1943

Nach dem Abbruch des Lagers befanden sich gegen Ende November 1943 außer einigen Angehörigen der deutschen und der ukrainischen Wachmannschaft wenigstens 25, höchstens 30 jüdische Häftlinge im Lagergelände, darunter 2 jüdische Frauen, die in der im Siedlungshaus untergebrachten Küche arbeiteten. Die restlichen Häftlinge waren in zwei Güterwaggons untergebracht, die entweder bewacht oder abgeschlossen wurden. Als der Angeklagte den Befehl erhielt, das Lager endgültig zu schließen und mit dem Rest der Mannschaften in das Vernichtungslager Sobibor zu kommen, ordnete er die Liquidierung der letzten jüdischen Häftlinge an.
Zu diesem Zweck wurden sämtliche männlichen jüdischen Häftlinge in die zwei Güterwaggons gesperrt und dort von dem Mitangeklagten Ru. bewacht. Einer der jüdischen Häftlinge erhängte sich im Waggon, die anderen warteten auf ihre Erschießung. Mit Hilfe eines von einem deutschen SS-Unterführer befehligten Zuges Ukrainer, der aus dem etwa 2 km entfernten Arbeitslager Treblinka zur Verfügung gestellt wurde, wurde in dem Raum zwischen den Güterwaggons und dem Siedlungshaus eine Postenkette gebildet, um jede Fluchtmöglichkeit auszuschließen. Alsdann holte der SS-Unterscharführer Bredow zunächst die beiden in der Küche des Siedlungshauses tätigen jüdischen Frauen heraus. Gleichzeitig wurden die ersten fünf männlichen Häftlinge aus einem der beiden Waggons hergebracht. Diese sieben Personen, die angekleidet blieben, mussten sich in einer kleinen Mulde links vom Siedlungshaus hinknien und den Kopf herunternehmen. Dann wurden sie im Beisein des Angeklagten Franz von dem Mitangeklagten Mentz, dem SS-Unterscharführer Bredow und dem SS-Unterführer aus dem Arbeitslager Treblinka mit finnischen Maschinenpistolen, die auf Einzelschuss eingestellt waren, durch Genickschuss getötet. Die drei beteiligten SS-Unterführer, welche schossen, teilten sich in der Weise die Arbeit, dass einer links, der andere rechts und der Dritte in der Mitte mit dem Erschießen der Opfer begann. Als das geschehen war, wurden jeweils 5 Männer aus den Waggons hergebracht. Sie mussten zunächst die Leichen der bereits Getöteten auf einen provisorisch hergerichteten Verbrennungsrost tragen, auf dem die Leichen verbrannt wurden. Dann wurden auch diese 5 Männer auf die eben beschriebene Art und Weise erschossen. Das wiederholte sich so lange, bis sämtliche Häftlinge getötet waren. Die letzten erschossenen Häftlinge wurden von Ukrainern zum Rost getragen und dort verbrannt.
Nachdem auf diese Weise die letzten jüdischen Häftlinge des Vernichtungslagers Treblinka beseitigt waren, fuhr der Angeklagte Franz mit den Angehörigen des Wachkommandos, darunter den Mitangeklagten Mentz und Ru., mit einem LKW zum Vernichtungslager Sobibor. Zuvor hatte der Angeklagte Mentz den Hund Barry auf Anordnung des Angeklagten Franz bei dem Chefarzt des Reservelazaretts Ostrow, dem Zeugen Dr.med. Stru., abliefern müssen.

Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass Franz sich an der Erschießung persönlich beteiligt hat. Irgendein daran, dass er die Exekution des jüdischen Restkommandos angeordnet und ihre genaue Durchführung überwacht hat, besteht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch nicht.
Dieser Sachverhalt, für den naturgemäß keine jüdischen Zeugen vorhanden sind, ist zur überzeugung des Schwurgerichts durch die Angaben der Angeklagten Mentz und Ru. erwiesen. Der Angeklagte Franz bestreitet nicht, die Liquidierung des Restkommandos angeordnet zu haben. Er behauptet aber entsprechend seiner sonstigen Einlassung, dass diese Liquidierung bereits am 2.Oktober 1943 erfolgt sei, und zwar auf ausdrücklichen Befehl Globocniks. Dieser sei Mitte September 1943 mit einem Fieseler Storch nach Treblinka gekommen und habe ihm die ausdrückliche Anweisung erteilt, beim Verlassen des Lagers die dann noch vorhandenen Juden zu erschießen. Bei einem zweiten Besuch, der diesmal mit einem Personenkraftwagen erfolgt sein soll, habe Globocnik seine Anweisung nochmals wiederholt. Schließlich habe Globocnik ihm am Vormittag des 2.Oktober 1943 telefonisch erneut und unwiderruflich den Befehl zur Liquidation gegeben. Er, Franz, habe sich diesem Befehl nicht entziehen können, obwohl er großes Mitleid mit den restlichen Häftlingen gehabt habe. Ihre Leichen seien auch nicht verbrannt, sondern durch den Ukrainer, der das Siedlungshaus übernommen und bewohnt habe, ordnungsgemäß bestattet worden.
Diese Einlassung ist durch die klaren und eindeutigen Angaben der Mitangeklagten Mentz und Ru. in Verbindung mit den übrigen Ergebnissen der Beweisaufnahme widerlegt. Dass der Angeklagte Franz Treblinka nicht bereits am 2.Oktober 1943, sondern erst Ende November 1943 verlassen hat, wurde schon in A. III. des Zweiten Teiles der Gründe ausführlich dargetan. Die von ihm behaupteten Anweisungen Globocniks kann er zudem in dieser Form schon deshalb nicht erhalten haben, weil Globocnik bereits seit dem Sommer 1943 das Generalgouvernement verlassen hatte, um seinen neuen Aufgaben in Oberitalien und Istrien nachzugehen. Das ergibt sich eindeutig aus der glaubhaften eidlichen Aussage des ehemaligen SS-Obergruppenführers und Generals der Waffen-SS von dem Ba., der erklärt hat, er habe Globocnik, mit dem er 5 bis 6 mal zusammengetroffen sei, zum letzten Mal am 9.August 1943 in Lublin gesehen, und bereits Anfang September 1943 sei Globocniks Nachfolger SS-Gruppenführer Jakob Sporrenberg in Lublin gewesen. Danach muss Globocnik spätestens Ende August 1943 Lublin verlassen haben, um seine neue Stellung in Istrien und Oberitalien anzutreten. Er kann also unter keinen Umständen Franz Ende November 1943 den Befehl zur Erschießung des jüdischen Restkommandos gegeben haben. Alles, was Franz in diesem Zusammenhang vorträgt, ist also unwahr und soll nur dazu dienen, seine Verantwortung für die letzten Vorkommnisse in Treblinka zu mindern. Damit kann der Angeklagte aber angesichts des eindeutigen gegenteiligen Beweisergebnisses keinen Erfolg haben. Der Angeklagte trägt für die Vernichtung der letzten jüdischen Häftlinge in Treblinka in der festgestellten Weise die volle Verantwortung, selbst dann, wenn was nicht auszuschließen ist der letzte Anstoß zur Liquidierung des Restkommandos eine aus Lublin an ihn ergangene Weisung gewesen sein sollte, die aber keineswegs von Globocnik persönlich an ihn ergangen ist.
Die beiden Mitangeklagten Mentz und Ru. haben die Erschießung des Restkommandos übereinstimmend so genau geschildert, dass das Schwurgericht von der Richtigkeit der von ihnen gegebenen Schilderung überzeugt ist. Beide bestätigen auch, dass die Leichen entgegen der von Franz gegebenen Darstellung nicht bestattet, sondern sofort an Ort und Stelle verbrannt worden sind. Wenn man sich überlegt, dass bisher die Leichen sämtlicher Opfer verbrannt worden sind, um alle Spuren der Aktion Reinhard zu vernichten, so kann man sich nicht vorstellen, dass es ausgerechnet bei der Erschießung der letzten Häftlinge anders gehandhabt worden sein soll. Es ist bezeichnend für den Angeklagten Franz, dass er trotz mehrfacher Vorhalte dabei blieb, die Angeklagten Mentz und Ru. müssten sich geirrt haben, die Leichen seien nicht verbrannt, sondern auf seine ausdrückliche Anweisung von dem im Siedlungshaus wohnenden Ukrainer ordnungsgemäß in Gräbern bestattet worden.