Das, was man Leben nannte,
ob neue, doch alt bekannte
Wege es waren, die wir gingen,
das ewige Werden, Klingen und Singen,
der ewige Wille, der in uns lebte,
der Kampf, in dem unsere Seele bebte, –
das alles war irgendwann, irgendwo zuvor,
das alles blieb vor dem eisernen Tor.

Was uns jetzt blieb, sind helle Träume,
die sehend noch greifen blühende Bäume,
sie gehen noch ihren eigenen Weg –
und übersehen den zu schmalen Steg,
wo Menschen nackt ohne Masken gehen,
zitternd und bettelnd ums eigene Leben,
wo wogend sich schleppt die düstere Masse,
die Menschheit verzerrend zu einer Grimasse.

Was wir noch wollen, ist wenig, doch viel,
nichts aufzugeben als nutzloses Spiel,
nicht müde werden vom ewigen Toben,
einmal noch Menschen als Menschen loben,
sich selbst nicht verlieren im dumpfen Brüten,
woran wir glauben, für das Leben behüten,
das Leben, das siegend trotz Tod und Trauer
unser wartet jenseits der grauen Mauer!

Text: Antonia Bruha
1942 - 1945 in Ravensbrück