Aktenzahl des Gerichts (Geschäftszahl): LG Wien 20a Vr 3333/56

Schupo-Prozess, Denunziationsprozess

Opfer
Juden/Jüdinnen

Tatland (Tatort)
Österreich (Wien), Ukraine (Boryslav)

Strafverfahren gegen
Leopold Mitas (Schutzpolizei-Kommandeur im Getto Borislaw)
Heinrich Nemec
Josef Pöll
Friedrich Völkl
Ferdinand Neumayer
Karl Weigl
Jakob Schuch
Rudolf Guldan

wegen
Illegalität
Ermordung und Beraubung von Juden/Jüdinnen sowie missbräuchlicher Bereicherung in Boryslav (heutige Ukraine) in den Jahren 1941 bis 1944 (1945)
Misshandlung und Verletzung der Menschenwürde unter Ausnützung ihrer dienstlichen Gewalt als Angehörige der Schutzpolizei bzw. als Befehlshaber der ukrainischen Polizei (Heinrich Nemec) in Boryslav in den Jahren 1941 bis 1944 (1945)
Heinrich Nemec des weiteren wg. versuchter Denunziation sowie Verletzung der Menschenwürde in Wien in den Jahren 1938 und 1939

Verlauf der Vorerhebungen/Voruntersuchung bzw. des Gerichtsverfahrens

am 26.07.1956 wurde
Leopold Mitas zu lebenslänglichem schweren Kerker verurteilt

am 26.07.1956 wurde
Josef Pöll zu 20 Jahren schweren Kerkers verurteilt

am 26.07.1956 wurde
Ferdinand Neumayer freigesprochen

am 26.07.1956 wurde
Karl Weigl freigesprochen

am 26.07.1956 wurde
Jakob Schuch freigesprochen

am 26.07.1956 wurde
Rudolf Guldan freigesprochen

am 08.10.1959 wurde das Verfahren gegen Heinrich Nemec gemäß § 224 StG eingestellt (Heinrich Nemec war am 03.02.1948 in sowjetischer Haft gestorben), Friedrich Völkl war im April 1949 außer Landes gebracht worden.

am 30.07.1957 erfolgte die bedingte Nachsehung der Reststrafe von Josef Pöll
durch Entschließung des Bundespräsidenten

am 13.01.1958 erfolgte die bedingte Nachsehung der Reststrafe von Leopold Mitas durch Entschließung des Bundespräsidenten

am 29.04.1948 war Ferdinand Neumayer wegen Brutalitäten gegen Bürger in der UdSSR während des Krieges zu 25 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.

am 23.09.1949 war Josef Pöll von einem sowjetischen Militärgericht in Baden (Niederösterreich) zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden.

Beitrag ist kein Bestandteil der Gerichtsakte

Beim Vormarsch erreichte die Polizeieinheit im November 1941 die Ortschaft Zaleszczyki an der rumänischen Grenze. Der Schutzpolizei-Kommandeur Leopold Mitas hatte am 13. November 1941 den Befehl erhalten, am nächsten Morgen, den 14. November 1941 mit seinem Kommando Zaleszczyki abzuriegeln, die Juden des Ortes zusammen zu treiben und zu erschießen. Bei diesem Einsatz wurden 600 Juden erschossen. Keinen der Männer schienen die Ereignisse besonders geschockt zu haben.

in Boryslaw und Drohobycz sollten die jeweils fünfzehn bis 18 Männer allgemeine polizeiliche Aufgaben übernehmen. Gleich zu Beginn ihres Aufenthaltes - am 27. November 1941, beteiligten sie sich aber bereits an der ersten großen Vernichtungsaktion gegen die jüdische Bevölkerung des Ortes, bei der überwiegend Alte und Kranke erschossen wurden. Während der so genannten "Pelzaktion", der Beschlagnahmung von Pelzen in der jüdischen Bevölkerung, griffen die Wiener Polizisten ungeniert zu und schickten etliche Stücke nach Wien.

August 1942 begannen in den beiden Städten die Deportationen der Juden in das Vernichtungslager Belzec. Die Schutzpolizisten schossen dabei mitunter willkürlich auf Juden. Bei der Räumung des jüdischen Waisenhauses warfen sie Kleinkinder einfach durch die Fenster auf die Straßen oder zerschmetterten ihre Köpfe an Telegrafenmasten. Viele von ihnen nutzten die Gelegenheit für Plünderungen. Bis zum Ende der großen Deportationen im November 1942 wurden allein bei den Räumungen und Hetzjagden Hunderte Juden getötet.

Bericht
In der Nacht (07. August 1942 sehen Zeugen, wie SS-Männer und Angehörige der Schutzpolizei das jüdische Waisenhaus von Boryslaw räumen. Wie sie die Säuglinge des Heims durch die offenen Fenster auf die Straße werfen. Wie die Kinder, nur mit ihren gestreiften Nachthemden bekleidet, zum Bahnhof getrieben werden. Dort steht Beitz. Dort beobachtet er, wie jeder Erwachsene eines der Waisenkinder an die Hand nehmen und in die Waggons steigen muss. Beitz hört, wie einer der Juden sagt, dass er Arzt sei. Worauf der SS-Mann entgegnet: Im Himmel werden auch Ärzte gebraucht.

Aktion Reinhardt
Im Juli 1942 läuft die Aktion Reinhardt an, in Galizien dirigiert von den SS-Führern Odilo Globocnik und Friedrich Katzmann. Wer als Jude nicht zur Zwangsarbeit taugt, soll liquidiert werden, auch wenn die offiziellen Aufträge dies noch verschleiern. Schon im März 1942 hat der Judenrat von Drohobycz 1500 Menschen für den Abtransport auswählen müssen. Die Opfer wurden in Viehwaggons verladen, verhöhnt von betrunkenen Schutzpolizisten. Im nahen Boryslaw sorgen die Berichte von Augenzeugen aus der Nachbarstadt für blankes Entsetzen.

Berthold Beitz der Engel von Boryslaw
Ein deutscher Industrieeler ist hier besonders zu erwähen "Berthold Beitz" ein Engel der in die Hölle von Boryslaw kam. Viele Menschen bewahrt er vor der Fahrt in den Tod, viele der Karpathen-Arbeiter und Angehörige, manche Beschäftigte, deren Familie dennoch nach Belzec transportiert wird, und nicht wenige Juden, die mit seiner Firma gar nichts zu tun haben.

weitere Gerichtsvefahren im Zusammenhang mit den verbrechen deutscher Schutzpolizeieinheiten (vollstädiger Bericht siehe Verfahren)
LG Wien 20 Vr 1077/57