296

26. Die Aussage des im Wege der Rechtshilfe in Polen vernommenen Zeugen Tadeusz Usielski zur Person des Angeklagten Olejak, zur Dauer seines Aufenthaltes in Jaworzno und zur Teilnahme am Evakuierungsmarsch wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 262 und 263).

Zur Person des Angeklagten Pansegrau hat der Zeuge Usielski bekundet, dieser sei von den Häftlingen Mietliczka genannt worden und in Jaworzno als Blockführer tätig gewesen.

Zum Evakuierungsmarsch hat der Zeuge Usielski ausgesagt, kurz vor dessen Beginn seien zur Verstärkung noch zwei Kompanien SS. Leute in Jaworzno eingetroffen. Während des Marsches sei hinter den Häftlingen ein SS. Kommando gegangen, dem auch der Angeklagte Pansegrau angehört habe. Diese hätten auf die Häftlinge geschossen und viele getötet. Die Leichen seien auf einen von Häftlingen gezogenen Wagen geladen und im nächstgelegenen Waldstück begraben worden.

Von einem anderen SS. Mann habe er gehört, daß Pansegrau einen Häftling namens Kazik erschossen habe. Dieser Häftling Kazik sei beim Durchqueren einer Ortschaft, in der er gewohnt habe, aus der Kolonne gesprungen und nach Hause gelaufen. Zwei SS. Leute, darunter Pansegrau, seien ihm gefolgt und er selbst habe kurze Zeit später einen Schuß gehört. Das Schießen auf den Häftling selbst habe er nicht gesehen, da dies in einem Korridor erfolgt sei. Er habe dann von einem SS. Mann gehört, Pansegrau habe diesen Häftling erschossen.

Die Kammer hat keinen Zweifel daran, daß der Zeuge Usielski den Angeklagten Pansegrau in Jaworzno gut gekannt hat.

Gegen die Zuverlässigkeit der Erinnerung des Zeugen spricht aber, daß er den Angeklagten Olejak immer in Jaworzno und auch beim Evakuierungsmarsch gesehen haben will. im Übrigen hat dieser Zeuge die von ihm geschilderte Erschießung des Häftlings Kazik nicht selbst gesehen. Ob das, was dem Zeugen nach seiner Aussage mitgeteilt worden sei, richtig ist, kann die Kammer nicht überprüfen.

Im Übrigen hat der Zeuge Usielski nach der in der Hauptverhandlung verlesenen Niederschrift über seine kommissarische Vernehmung nicht direkt ausgesagt, er habe Pansegrau auf dem Evakuierungsmarsch beim Schießen auf Häftlinge gesehen. Er hat vielmehr nur ausgesagt, er habe Pansegrau in der Gruppe von SS. Leuten gesehen, die hinter der Kolonne hergegangen seien und die auf Häftlinge geschossen hätten. Daß er Pansegrau direkt beim Schießen gesehen hat, hat der Zeuge Usielski nicht ausgesagt.

Auch aufgrund dieser Aussage sieht es die Kammer nicht mit der zu einer Verurteilung ausreichenden Sicherheit als erwiesen an, daß der Angeklagte Pansegrau beim Evakuierungsmarsch selbst auf Häftlinge geschossen hat.

297

27. Zu der in der Hauptverhandlung verlesenen polizeilichen Aussage der Zeuge Szabtei Leszczinsky, der wegen seines schlechten Gesundheitszustandes weder in der Hauptvorhandlang noch im Wege der Rechtshilfe vernommen werden konnte, wurde bereits im Rahmen der Ausführungen zum Anklagepunkt II 1 Stellung genommen (vgl. Seite 390 - 392 und 394 - 396).

Dabei wurde auch schon zum Ausdruck gebracht, daß die Kammer die Aussage dieses Zeugen nicht als sicher und zuverlässig ansieht.

Zu der Frage von Erschießungen auf dem Evakuierungsmarsch hat der Zeuge Leszczinsky nach dem Inhalt der Niederschrift ausgesagt, es seien viele Häftlinge erschossen worden. Weiter heißt es in der Niederschrift:

... Mietliczka gehörte bei dem Marsch zu den Hauptschießern. Er hat mit Pistole und Gewehr geschossen. Ich war mit Unterbrechungen am Freitag und Samstag, immer in der Nähe von Mietliczka, und habe ihn selbst schießen sehen. Ich kann nicht sagen, wie viele Häftlinge Mietliczka erschossen hat. Ich habe auch keine Erinnerung mehr an ganz konkrete Fälle. Ich weiß nur, daß Mietliczka immer hin und her ging. Er war einmal da und einmal dort und hat geschossen. Er hat mir befohlen, die Erschossenen auf den Wagen zu legen. Es war verschieden, ein Häftling war in den Kopf, der andere in den Nacken, der dritte in den Rücken geschossen. ...

Aus den bereits erwähnten Gründen sieht die Kammer auch diesen sehr pauschal gemachten Teil der Aussage des Zeugen Leszczinsky nicht als so zuverlässig und sicher an, um hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau stützen zu können. Hier sei insbesondere nochmals auf die Ausführungen auf Seiten 395 und 396 hingewiesen.

Der Zeuge David Burdowski, der jetzt in den USA wohnhaft ist, wurde am 9.6. und 12.6.1980 in der Hauptverhandlung vernommen.

Dabei hat er ausgesagt, er sei im Mai 1944 von Lagischa nach Jaworzno verlegt worden. Zu Beginn seiner Vernehmung, als die beiden Angeklagten mit mehreren Vergleichspersonen im Zuhörerraum des Sitzungssaales saßen, deutete der Zeuge auf den Angeklagten Pansegrau und erklärte, diesen Mann kenne er vielleicht. Es sei aber schwer zu sagen, ob er ihn wirklich kenne. Dieser Mann sehe aus wie einer der Wachposten, der auf dem Evakuierungsmarsch auf Häftlinge geschossen habe.

Weiter deutete der Zeuge auf einen Justizangestellten und erklärte, dieser Mann könne damals auch dabei gewesen sin. Er habe auch bei der Evakuierung auf Häftlinge geschossen.

Namen von SS. Leuten aus Jaworzno könne er nicht nennen, da er diese damals nicht gekannt habe. Spitznamen habe er damals zwar gekannt, er erinnere sich aber nicht mehr an sie.

Bei Vorlage der Bildtafeln meinte der Zeuge zu Bild Nr. 15 (Angeklagter Olejak) dieser Mann sei in Jaworzno gewesen.

298

Zu Bild Nr. 10 (Oberscharführer Knoblich) meinte der Zeuge, auch diese Person erinnere ihn an einen Mann, der auf dem Evakuierungsmarsch dabei gewesen sei. Er glaube auch, daß dieser SS. Mann bei der Erhängung von 28 Häftlingen eine aktive Rolle gespielt habe.

Auch zu Bild Nr. 7 (Angeklagter Pansegrau) bekundete der Zeuge, dieser sei bei der Hängeaktion dabei gewesen.

Zu Bild Nr. 17 (Angeklagter Olejak) meinte der Zeuge, der sehe aus wie ein SS. Mann aus dem Lager Lagischa.

Zu den Bildern 14 und 15 (Angeklagter Olejak) schließlich erklärte der Zeuge, hier handele es sich um die gleiche Person. der betreffende Mann sei in Lagischa, in Jaworzno und auch auf dem Evakuierungsmarsch dabei gewesen.

Weiter sagte der Zeuge Burdowski folgendes aus:

Kurz nach seiner Ankunft aus Lagischa in Jaworzno habe er selbst gesehen, wie im Lager 28 Häftlinge, die versucht gehabt hätten, durch einen Tunnel aus dem Lager zu fliehen, erhängt worden seien. Den Namen Pansegrau habe er im Lager Jaworzno gehört, mehr könne er dazu nicht sagen.

Am zweiten Tag seiner Vernehmung erklärte der Zeuge dann, er sei in der Zwischenzeit im Konzentrationslager Dachau gewesen und da sei ihm vieles wieder eingefallen. Das Gesicht des Angeklagten Pansegrau habe er zum ersten Mal gesehen, als er ihn im Schlaf heimgesucht habe. Dieser Mann sei beim Evakuierungsmarsch dabei gewesen und habe einen Häftling, der nicht mehr habe laufen können, mit einer Pistole erschossen. Er habe ihn ganz sicher und auf den ersten Blick wiedererkannt.

Die Aussage dieses Zeugen stellt zwar sine gewisse Belastung des Angeklagten Pansegrau dar. Sie enthält jedoch so viele Unrichtigkeiten und Widersprüche, daß sie nicht als sicher und zuverlässig angesehen werden kann.

So ist die Erklärung des Zeugen am zweiten Tag seiner Vernehmung, er habe den Angeklagten Pansegrau sofort und auf den ersten Blick sicher wiedererkannt, nicht zutreffend, Der Zeuge hielt es vielmehr zu Beginn seiner Vernehmung lediglich für möglich, daß der Angeklagte Pansegrau in Jaworzno gewesen ist. Diese Erklärung gab der Zeuge allerdings nicht nur zur Person des Angeklagten Pansegrau ab, sondern auch zu einem Justizangestellten ab.

Was die Aussage des Zeugen Burdowski zu den Lichtbildern betrifft, so kam ihm zwar das Bild Nr. 7, das den Angeklagten Pansegrau darstellt, bekannt vor. Er brachte es aber nicht mit dem Mann in Verbindung, der auf dem Evakuierungsmarsch Häftlinge erschossen haben soll, sondern mit der Erhängung von 28 Häftlingen im Lager Jaworzno. Im Übrigen will der Zeuge auch den SS. Oberscharführer Knoblich (Bild 10), den ersten Lagerführer des Lagers Czechowitz, in Jaworzno gesehen haben. Den auf den Bildern 14 und 15 (Angeklagter 0lejak) abgebildeten Mann will der Zeuge in Lagischa, in Jaworzno und auch beim Evakuierungsmarsch gesehen haben.

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Diese Aussage des Zeugen beweist nach Auffassung der Kammer klar und eindeutig, daß er an die SS. Leute aus dem Lager Jaworzno keine sichere und klare Erinnerung mehr hat.

Gegen eine sichere Erinnerung des Zeugen an die damalige Zeit spricht insbesondere auch die Tatsache, daß er die Erhängung von 28 Häftlingen im Lager Jaworzno nach einem gescheiterten Fluchtversuch selbst gesehen haben will. Es wurde bereits dargelegt, daß diese Erhängung am 6.12.1943 stattgefunden hat und daß die Verlegung der Häftlinge aus dem Lager Lagischa nach Jaworzno im September 1944 (der Zeuge spricht vom Mai) erfolgt ist. Der Zeuge Burdowski kann demnach die Erhängung der Häftlinge im Lager Jaworzno nicht selbst gesehen, sondern davon nur gehört haben. Trotzdem schildert er dieses Ereignis als eigenes Erlebnis.

Die Kammer sieht deshalb diese Aussage dieses Zeugen nicht als Beweis dafür an, daß der Angeklagte Pansegrau auf dem Evakuierungsmarsch selbst auf Häftlinge geschossen hat.

29. Zur Aussage des Zeugen David Zimmermann wird im Rahmen der Ausführungen zum Anklagepunkt II 10 Stellung genommen werden. Auch aufgrund der Aussage dieses Zeugen sieht es die Kammer nicht als erwiesen an, daß der Angeklagte Pansegrau selbst auf Häftlinge geschossen hat.

30. Von den übrigen in der Hauptverhandlung oder im Wage der Rechtshilfe vernommenen Zeugen konnte keiner zu der Frage, ob der Angeklagte Pansegrau auf dem Evakuierungsmarsch auf Häftlinge geschossen hat brauchbare Angaben machen, sei es, daß sich diese Zeugen an den Angeklagten Pansegrau nicht erinnert haben, sei es, daß sie zu der Frage, welche SS. Leute auf dem Evakuierungsmarsch geschossen haben, keine Angaben mehr machen konnten.

Dies gilt auch für die übrigen noch nicht erwähnten Zeugen, deren Aussagen im Ermittlungsverfahren in der Hauptverhandlung verlesen worden sind.

Trotz einer gewissen Belastung, die das Beweisergebnis in diesem Punkt gebracht hat, sieht es die Kammer deshalb nicht mit einer zur Verurteilung ausreichenden Sicherheit als erwiesen an, daß der Angeklagte Pansegrau im Rahmen des Evakuierungsmarsches selbst auf Häftlinge geschossen oder solche erschossen hat.

IV. Anklagepunkt II 10 (Begraben von lebendigen Häftlingen nach einer Übernachtung während des Evakuierungsmarsches).

1. In diesem Fall der Anklage liegt dem Angeklagten Pansegrau folgendes zur Last:

Während der einzigen längeren Pause auf dem Evakuierungsmarsch, die die Häftlinge in einer Scheune in Peiskretscham hätten verbringen müssen, sei eine nicht mehr feststellbare Zahl von Häftlingen ums Leben gekommen.

300

Die Leichen dieser Häftlinge seien am anderen Morgen in einem Massengrab beerdigt worden. In die betreffende Grube seien neben den Leichen der toten Häftlinge auch solche Häftlinge hineingeworfen worden, die vollkommen erschöpft oder verwundet gewesen seien. Während andere Häftlinge auf Befehl der SS. Leute die Grube zugeschaufelt hätten, hätten einige dieser noch nicht toten Häftlinge versucht, wieder aus der Grube heraus zu kommen. Sie seien von dem Angeklagten Pansegrau und anderen SS. Leuten mit den Stiefeln wieder in die Grube zurückgetreten und schließlich lebendig begraben worden. Der Angeschuldigte Pansegrau habe in mindestens einem Fall durch bewußtes und gewolltes Zusammenwirken mit anderen SS. Leuten den Tod eines Häftlings herbeigeführt.

Als mögliche Tatzeugen hat die Staatsanwaltschart in ihrer Anklageschrift die Zeugen
Menachem Pruszanowski,
Mordechaj Hoffmann,
Chaim Mastbaum,
Eljahu Tenzer,
Abraham Podebski und
David Zimmermann
benannt.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme hat die Staatsanwaltschaft ohne nähere Begründung insoweit Freispruch für den Angeklagten Pansegrau beantragt.

2.1. Der Zeuge Menachem Pruszanowski hat hierzu bei seinen Vernehmungen in der Hauptverhandlung bekundet, er habe selbst gesehen, wie zwischen Jaworzno und Blechhammer nach einer Übernachtung in einer Scheune zahlreiche verletzte Häftlinge von SS. Leuten, die er nicht namentlich nennen könne, erschossen worden seien. Ihre Leichen seien zusammen mit den Leichen von solchen Häftlingen, die schon vorher verstorben gewesen seien oder erschossen worden seien, in eine Grube geworfen worden. Diese Grube sei von Häftlingen auf Befehl von SS. Leuten in der Nähe dieser Scheune ausgehoben worden.

Er habe nicht gesehen, daß Häftlinge, die noch nicht tot gewesen seien, versucht hätten, aus dieser Grube wieder heraus zu kriechen. Er habe auch nicht gesehen, daß sich die auf die Leichen der Häftlinge gefüllte Erde noch bewegt habe.

2.2. Der bereits mehrfach erwähnte Zeuge Mordechaj Hoffmann hat ebenfalls ausgesagt, nach der Übernachtung in der Scheune sei von Häftlingen eine Grube gegraben worden. In dieser seien die Leichen der Häftlinge, die während der Übernachtung in der Scheune ums Leben gekommen seien, hineingeworfen worden. In dieser Grube seien auch die Körper von noch lebenden Häftlingen geworfen worden, die dann erschossen worden seien. Irgendeinen Täter könne er nicht nennen.

2.3. Der Zeuge Chaim Mastbaum hat bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel Aviv bekundet, er habe nach der Übernachtung in einer Scheune zwischen Jaworzno und Blechhammer gesehen, wie in einer Grube Häftlinge begraben worden seien.

301

Er habe nicht gesehen, wie diese Grube ausgehoben worden sei, sondern nur, wie die Leichen von Häftlingen hineingelegt und anschließend Erde darüber geschüttet worden sei. Er habe nicht beobachtet, daß ein oder mehrere Häftlinge wieder versucht hätten, aus der Grube heraus zu kommen.

Er nehme allerdings an, daß einige der in die Grube geworfenen Häftlinge noch gelebt hätten. Dies schließe er daraus, daß sich die auf die Häftlinge geschüttete Erde nach oben bewegt habe. Dies habe er selbst gesehen.

2.4. Der Zeuge Eljahu Tenzer hat bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht Tel Aviv ausgesagt, auf der Strecke zwischen Jaworzno und Blechhammer sei einmal in der Nähe von Peiskretscham in einer Scheune übernachtet worden. Als er am Morgen nach der Übernachtung die Scheune verlassen habe, habe er in der Nähe viele Leichen von Häftlingen liegen sehen. Neben diesen Leichen seien etwa drei Häftlinge gesessen, die schon dreiviertel tot gewesen seien.

Er habe weiter gesehen, daß in der Nähe der Scheune eine Grube ausgehoben worden sei. Er habe dann später gehört, daß in dieser Grube die Leichen der toten Häftlinge begraben worden seien. Er habe auch gehört, daß man die drei schwachen Häftlinge in die Grube geworfen und erschossen habe. Irgendwelche Täter hier für könne er nicht nennen.

2.5. Der Zeuge Abraham Podebski hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung bekundet, er habe gesehen, wie an einem Morgen nach einer Pause zusammen mit den Leichen von toten Häftlingen noch lebenden Häftlinge in eine Grube geworfen worden seien. Dies sei von Mithäftlingen in Anwesenheit von SS. Leuten gemacht worden.

Welche SS. Leute dies gewesen seien, wisse er nicht mehr. Als einige dieser noch lebenden Häftlinge versucht hätten, wieder aus der Grube zu kommen, seien sie zurückgestoßen worden. Ob dies ebenfalls die anderen Häftlinge oder die SS. Leute getan hätten, wisse er nicht mehr.

Nach Vorhalt seiner Aussage vor dem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Seattle vom 15.3.1976, nach dem er damals gesagt hatte, bei diesen SS. Leuten seien Pansegrau und Lapka gewesen, erklärte der Zeuge, er bezweifelt, daß er damals Pansegrau in diesem Zusammenhang erwähnt habe. Unter Pansegrau stelle er sich den SS. Mann mit dem verkürzten Arm vor, der von den Häftlingen Lapka genannt worden sei. Er könne aber auch nicht sicher sagen, ob dieser Lapka bei dem Vorfall an der Grube dabei gewesen sei.

2.6. Die Aussage des Zeugen David Zimmermann zur Person des Angeklagten Olejak und zu dem hier vorliegenden Anklagepunkt wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 288 und 289).

Dabei wurde auch schon darauf hingewiesen, daß die Aussage des Zeugen, was die angeblieben Täter, als die er die SS. Leute Olejak, Pansegrau, König und Markewicz bezeichnet hat, betrifft, in dieser Form nicht richtig ist.

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Insbesondere hat der ehemalige Block- und Kommandoführer König, der im Frühjahr 1944 nach einem Selbstmordversuch aus Jaworzno weggekommen ist, am Evakuierungsmarsch nicht teilgenommen und kann deshalb als Täter nicht in Betracht kommen. Dies ergibt sich, wie bereits erwähnt, aus der Aussage des Zeugen König. Auch der Angeklagte Olejak hat nach dem übrigen Ergebnis der Beweisaufnahme nach Auffassung der Kammer nicht am Evakuierungsmarsch des Lagers Jaworzno teilgenommen und scheidet daher als Täter von vorneherein aus.

Das der Zeuge Zimmermann diese beiden SS. Leute trotzdem als Täter in diesem Fall genannt hat, beweist, daß er von den betreffenden SS. Leuten keine klare und deutliche Vorstellung mehr hat. Dafür spricht auch, daß der Zeuge Zimmermann, wie bereits ausgeführt, zu Beginn seiner Vernehmung von den SS. Leuten Gruber und Olejak von zwei verschiedenen Personen gesprochen und diese auch unterschiedlich beschrieben hat und erst nach einem Vorhalt aus der Vernehmung vor dem Generalkonsulat im Jahre 1972 gemeint hat, Gruber und Olejak seien ein und dieselbe Person.

Die Kammer sieht deshalb die Aussage des Zeugen Zimmermann, Pansegrau sei einer der SS. Leute gewesen, die noch lebende Häftlinge wieder in die Grube zurückgetreten haben sollen, als nicht so zuverlässig und sicher an, um hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau stützen zu können.

Von den weiter zu diesem Vorfall vernommenen Zeugen, deren Aussagen bereits dargelegt wurden, hat keiner bekundet, daß er gesehen habe, daß noch lebende Häftlinge von SS. Leuten am Verlassen der Grube gehindert wurden. Während die Zeugen Pruszanowski, Hoffmann, Mastbaum und Tenzer nach ihren Aussagen einen solchen Vorfall überhaupt nicht gesehen haben, wußte der Zeuge Podebski nicht mehr, ob es sich um SS. Leute oder Mithäftlinge gehandelt hat.

Aufgrund der Aussagen dieser Zeugen geht die Kammer im Übrigen davon aus, daß nach der Übernachtung in der Scheune bei Peiskretscham tatsächlich Häftlinge erschossen und zusammen mit den Leichen von Häftlingen, die während der Übernachtung in der Scheune ums Leben gekommen sind, begraben worden sind. Dies ergibt sich auch schon aus dem Buch von Dr. Novy ans dem Jahre 1949 und dem Bericht von Dr. Paul Heller aus dem Jahre 1945 (vgl. Seite 50, 133 und 136).

Aufgrund der geschilderten Umstände sieht die Kammer auch die Aussage den Zeugen David Zimmermann, Pansegrau habe auf dem Evakuierungsmarsch einen Häftling erschossen, nicht als so sicher und zuverlässig an, was die Angabe den Täters betrifft.

V. Bei Würdigung den gesamten. Ergebnisses der Beweisaufnahme sieht es die Kammer daher nicht als erwiesen an, daß der Angeklagte Pansegrau mit einer zu einer Verurteilung ausreichenden Sicherheit in den Anklagepunkten II 9 und II 10 überführt ist, während der Evakuierung der Häftlinge des Lagers Jaworzno auf der Strecke zwischen Jaworzno und Blechhammer einen Häftling selbst getötet zu haben. Die Kammer hält die Aussage keines der Zeugen, was den jeweiligen Täter angeht, für so sicher und zuverlässig, um hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau stützen zu können.

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Allerdings hat die Kammer keinen Zweifel daran, daß die Zeugen zahlreiche Erschießungen von Häftlingen tatsächlich beobachtet haben. Denn, wie bereits ausgeführt, sieht es die Kammer als erwiesen an, daß während der Evakuierung der Häftlinge des Lagers Jaworzno zwischen Jaworzno und Blechhammer zahlreiche Häftlinge erschossen worden sind.

VI.

Mittäterschaft und Beihilfe:

Der Angeklagte Pansegrau hat sich dadurch, daß er sich während der Evakuierung der Häftlinge des Lagers Jaworzno auf der Strecke zwischen Jaworzno und Blechhammer zumindest zeitweise bei der Häftlingskolonne aufgehalten hat, nicht eines oder mehrerer in Mittäterschaft begangener Verbrechen des Mordes und auch keines Verbrechens der Beihilfe zu einem oder mehreren Verbrechen des Mordes schuldig gemacht.

1. Die Kammer sieht es, wie bereits ausgeführt, aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme als erwiesen an, daß auf der Strecke zwischen Jaworzno und Blechhammer zahlreiche, besonders schwache und entkräftete Häftlinge, von den begleitenden SS. Leuten erschossen worden sind. Die Zahl der auf diese Weise um Leben gekommenen Häftlinge konnte nicht sicher festgestellt werden (vgl. Seite 50 und 51 sowie 144 - 146).

Ebenso konnte nicht sicher geklärt werden, wie es zu diesen Erschießungen gekommen ist, insbesondere weiche Befehle der damalige Kompanie- und Lagerführer Pfütze für die Evakuierung der Häftlinge von seiner vorgesetzten Dienststelle bekommen und welche Befehle er den Angehörigen der Wachkompanie und der Lagerkommandantur für den Evakuierungsmarsch erteilt hat.

Der Zeuge Josef Weis, der, wie schon erwähnt, damals im Range eines Oberscharführers nach Pfütze der ranghöchste SS.Mann in Jaworzno war, hat hierzu ausgesagt, Pfütze habe vor Beginn des Evakuierungsmarsches zu den angetretenen SS. Leuten gesagt, unterwegs dürfe kein Häftling erschossen werden. Weiter habe Pfütze gesagt, die Häftlinge, die dem Marschtempo nicht mehr folgen könnten, sollten zurückgelassen werden. Gegenüber dem Rapportführer des Lagers habe Pfütze gesagt, wer von den Häftlingen aus Gesundheitsgründen den Marsch nicht mitmachen könne, solle schon im Lager zurück bleiben.

Die anderen in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, die als SS. Leute im Lager Jaworzno bzw. bei der Wachkompanie waren, nämlich der damalige Sanitätsdienstgrad Emil Hantl und die damaligen Wachleute Philipp Desch und Anton Oder, wollten oder konnten zu der Frage, welche Befehle Pfütze zu Beginn des Evakuierungsmarsches an die ihm unterstellten SS. Leute erteilt hat, keine Angaben mehr machen.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Aussage des Zeugen Theo Streicher hinzuweisen. Dieser Zeuge, der eine zeitlang zur Wachmannschaft des Lagers Czechowitz gehört hat, hat bekundet, er sei von Czechowitz aus in das Hauptlager nach Monowitz versetzt worden und habe an der ebenfalls zu Fuß erfolgten Evakuierung dieses Lagers teilgenommen.

304

Zu Beginn des Marsches sei der Befehl erteilt worden, auf solche Häftlinge, die zu fliehen versuchten, zu schießen. Weitere Befehle zur Erschießung von Häftlingen seien nicht erteilt worden.

Es sei dann während des Marsches so gehandhabt worden, daß sich die SS. Leute, die auf Häftlinge hätten schießen wollen, am Ende der Kolonne aufgehalten und dort entkräftete Häftlinge erschossen hätten. Es habe viele SS. Leute gegeben, die am Schießen auf Häftlinge eine Freude und Lust gehabt hätten.

Ob es bei der Evakuierung der Häftlinge den Lagers Jaworzno so gehandhabt worden ist wie dies der Zeuge Streicher für das Lager Monowitz geschildert hat, konnte nicht sicher geklärt werden.

Nach Auffassung der Kammer spricht aber die Tatsache, daß auch bei der Evakuierung des Lagers Jaworzno besonders am Ende der Häftlingskolonne auf schwache und entkräftete Häftlingen geschossen worden ist dafür, daß auch bei dieser Evakuierung wie in der von dem Zeugen Streicher für das Lager Monowitz geschilderten Weise verfahren worden ist, zumal das Lager Jaworzno dem Lager Monowitz unterstellt war und Pfütze seine Befehle von der Kommandantur dieses Lagers erhalten hat.

2. Aufgrund des gesamten Ergebnisses der Hauptverhandlung geht die Kammer davon aus, daß die Evakuierung der Häftlinge des Lagers Jaworzno nicht dem Zweck diente, alle Häftlinge oder auch nur einen Teil dieser Häftlinge zu töten.

Hierfür spricht einmal die Tatsache, daß schon zu Beginn des Marsches die etwa 400 - 500 kranken bzw. gehunfähigen Häftlinge ohne Bewachung im Lager Jaworzno zurückgelassen worden sind. Von diesen Häftlingen ist, wie bereits ausgeführt, in der Folgezeit bis zu ihrer Befreiung keiner im Lager Jaworzno getötet worden.

Für diese Annahme spricht weiter die Tatsache, daß während des Evakuierungsmarsches eine größere Gruppe von schwachen Häftlingen von den übrigen Häftlingen abgetrennt und alsbald in Züge verladen worden ist. Dies ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen Schwarz, Zejer und Orenbach. Auch der Zeuge Weis hat ausgesagt, er habe eine Gruppe von etwa 20 besonders schwachen Häftlingen übernommen und diese der Polizei übergeben.

Schließlich spricht dafür auch, daß die Mehrzahl der in Blechhammer angekommenen Häftlinge von den SS. Leuten unbehelligt und unbewacht in diesem Lager zurückgelassen worden ist.

3. Unter diesen Umständen liegen bei dem Angeklagten Pansegrau nicht die Voraussetzungen dafür vor, daß er hinsichtlich der Erschießung von Häftlingen durch andere SS. Leute als Mittäter anzusehen ist.

305

Als Mittäter gilt gem. § 25 Abs. 2 StGB, wer gemeinsam mit einem anderen handelt oder einen Teil der Handlung durch ihn ausführen läßt, und zwar aufgrund eines gemeinschaftlichen Entschlusses. Darauf wie die Tatbestandsverwirklichung auf die einzelnen Mittäter verteilt ist, kommt es nicht an. Maßgebend sind der gemeinsame Wille sowie die gemeinsame Herrschaft über die Tat. Dazu ist noch irgendeine Förderung der als gemeinsam gewollten Tat erforderlich, sei es durch Rat, durch bewußtes Bestärken im Tatwillen oder durch eine vorbereitende Handlung (vgl. Dreher-Tröndle, Kom. zum Strafgesetzbuch, 39. Auflage, Anm. 3 A und 3 B zu § 25 StGB).

Dem Angeklagten Pannegran kann nicht nachgewiesen werden, daß er mit der Erschießung von Häftlingen auf dem Evakuierungsmarsch einverstanden war oder diese gar als eigene Tat gewollt hat. Der Angeklagte Pansegrau als SS. Rottenführer hatte auch keine Tatherrschaft hinsichtlich dieser Erschießungen, da er als Angehöriger der Lagerkommandantur gegenüber den Angehörigen der Wachmannschaft auf dem Evakuierungsmarsch keine Befehlsgewalt hatte. Insoweit hat die Hauptverhandlung jedenfalls keine konkreten Anhaltspunkte ergeben.

4. Auch die Voraussetzung für die Annahme eines Verbrechens der Beihilfe zu den von anderen SS. Leuten durch die Erschießung von Häftlingen begangenen Verbrechen des Mordes liegen bei dem Angeklagten Pansegrau nicht vor.

Nach Auffassung der Kammer ist es schon zweifelhaft, ob in der Tatsache, daß der Angeklagte Pansegrau zumindest zeitweise die Häftlingskolonne befehlsgemäß begleitet hat, eine Förderung und Unterstützung der Haupttat, nämlich der Erschießung von Häftlingen, gesehen werden kann.

Auf jeden Fall kann dem Angeklagten Pansegrau nicht nachgewiesen werden, daß er mit der Erschießung von Häftlingen durch andere SS. Leute einverstanden war oder diese selbst gewollt hat.

Als Gehilfe könnte der Angeklagte Pansegrau gem. § 27 StGB nur dann bestraft werden, wenn er das Zustandekommen der Haupttat, nämlich die Erschießung von Häftlingen während des Evakuierungsmarsches, selbst gewollt hätte.

5. Der Angeklagte Pansegrau war daher insgesamt freizusprechen.

Unter diesen Umständen brauchte dem Hilfsbeweisantrag seiner Verteidiger, die im Beschluß der Kammer vom 31.5.1979 näher bezeichneten Zeugen zum Beweis dafür zu vernehmen, daß der Angeklagte Pansegrau während der Evakuierung zu keiner Zeit zur Begleitmannschaft der Häftlinge gehört und mit den Häftlingen nicht in Berührung gekommen ist, nicht entsprochen zu worden.

306

K)

Nebenentscheidungen :

1. Da die beiden Angeklagten Olejak und Pansegrau freigesprochen wurden, war gem. §§ 2 Abs. 1, 8 Abs. 1 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen vom 8.3.1971 anzuordnen, daß sie für den durch den Vollzug der Untersuchungshaft erlittenen Schaden aus der Staatskasse zu entschädigen sind.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.

Das Urteil ist zur Geschäftsstelle gelangt am: 29 Juli 1981