1808 zieht mit dem Kleinhändler Simon Cohen aus Caßlau in Böhmen der erste Jude in ein Haus in der Dorfmitte Dingdens, damals Nr. 23, heute Hohe Straße 1 zu. Neben Kleinhandel mit Ellenwaren oder Gerberlohe ist er auch als Metzger tätig. Das Haus, in dem Simon Cohen wohnt, wird nach Jakob Nienhaus benannt, der es um 1695 erbaute.
Zehn Jahre nach Cohens Zuzug berichtet der Bocholter Bürgermeister am 7. April 1818 an den königlichen Landrat in Borken: Im vergangenen Herbst kam ein Jude aus Werth namens Hertz David zu der Witwe Bosch in Dingden u. verkauft ihr für etwa 300 rs. Silberwerk. Bei Untersuchung dieses Materials entdeckte sich aber, dass ein Leuchter plassirt u. das übrige aus feinem Zinn bestand. Der Jude ist wegen dieses Betruges gegenwärtig noch wirklich in Untersuchung. Nach den Verzeichnissen der Juden in Bocholt sind in den Jahren 1819 bis 1821 keine Juden in Dingden.
1822 wird der Amtmann in Dingden durch den Landrat in Borken angewiesen, Simon Cohen auszuweisen, weil er ganz gegen alle Bestimmung das Bürgerrecht genommen und als Ausländer nicht geduldet werden kann. Offensichtlich kann er aber weiter in Dingden wohnen, denn er kann 1838 nach Bocholt ziehen.
Ab 1840 wohnt der am 11. November 1811 geborene David Plaat aus Raesfeld im inzwischen wiederaufgebautem Haus. Sein ebenfalls in Dingden wohnender Bruder Joseph (* 9. April 1814) wird, da vor dessen Haus Dorf Nr. 23 eine Wasserpumpe steht, Jude Pumpenpohl genannt. Ebenfalls in Dingden wohnt Leeser Plaat. Nach dem Lösch-Reglement für die Gemeinde Dingden von 1848 gehören die drei Brüder als Pumper bzw. Ersatzpumper der Feuerwehr Dingden an. In diesem Jahr befinden sich wie einem Verzeichnis vom 27. Mai 1848 zu entnehmen ist drei jüdische Familien mit insgesamt 11 Personen in Dingden.
David Plaat wohnt im Jakobshaus, nach seinem Wegzug nach Wesel um 1850 übernahm sein jüngerer Bruder Philipp aus Raesfeld das Haus.

Nach der Verfügung der königlichen Regierung Münster vom 30. April 1853 wird aufgrund des Gesetzes vom 25. Juli 1847 die Trennung der Synagogengemeinden Bocholt und Borken durchgeführt. Dabei werden die in Dingden wohnenden Juden der Synagogengemeinde Bocholt zugeschlagen. Dafür wird ihnen ein Sitz in der Repräsentantenversammlung zugestanden. Den auswärtigen Mitgliedern der Repräsentanten Versammlung werden auf Verlangen Reisekosten gewährt, die für die Dingdener 7 ½ Mark beträgt.
Vor der Wahl stellte die Stadtverwaltung Bocholt ein Verzeichnis der männlichen stimmberechtigten Juden der Synagogengemeinde auf, nachdem sie sich u. a. bei der Amtsverwaltung Dingden die Namen der dort wohnenden Stimmberechtigten hatten anfertigen lassen. Zur Wahl werden sie durch den Polizeidiener eingeladen, der sich dies schriftlich bestätigen läßt. Anders wie die Juden in Anholt und Rhede, die über eine eigene Synagoge bzw. einen Betraum verfügen, besuchen sie am Schabbat die Synagoge in Bocholt.
Dingden verfügte aber für einige Jahre über einen jüdischen Friedhof. Er wird im Statut der Synagogengemeinde Bocholt erwähnt. Als 1877 dieses Statut geändert wird, existiert er nicht mehr.
Philipp Plaat aus Dingden wird 1853 bei den ersten Wahlen zum Repräsentanten der Synagogengemeinde Bocholt gewählt. Am 21. Dezember 1853 nimmt er die Wahl an, diese Erklärung unterschreibt er mit hebräischen Buchstaben. Am 15. Mai 1854 wird durch eine Anfrage des königlichen Landrats in Borken, Freiherr von Hamelberg, bekannt, dass sich bei Philipp Plaat der Lehrer Herz Mosebach für seine Kinder und die seines Bruders Leiser aufhält. Mosebach gibt bei einer Befragung durch den Gemeinde-Vorsteher Conrads am 20. Mai 1854 an, dass er am 22. März 1832 geboren sei und 1853/54 seiner Militärdienstpflicht nachgekommen sei. Am 22. Mai 1853 leitet der Landrat sein Gesuch auf Erteilung der Lehrerlaubnis befürwortend an die königliche Regierung in Münster weiter.
Im Wählerverzeichnis von 1861 werden bei Josef und seinem Bruder Philipp Platt als Gewerbe Fleischer, kleiner Händler mit Ellenwaren und Vieh angegeben.
Nach dem Tod seiner Frau Mina Oppenheimer heiratete er in zweiter Ehe Aleida Landau. Auch diese Ehe blieb kinderlos und so nahm Aleida nach dem Tod ihres Mannes am 6. Februar 1879 ihre Nichte Rosalie Landau aus Ramsdorf zu sich. Diese heiratet am 17. Januar 1882 den aus Klein-Reken stammenden Metzger, Vieh- und Textilhändler Abraham Humberg. Schon bei den Wahlen am 7. Juni 1882 wird Abraham Humberg auf sechs Jahre in die Repräsentantenversammlung der Synagogengemeinde Bocholt gewählt und am 4. August 1882 vom Bürgermeister in Bocholt in sein Amt eingeführt. 1888 stellt er sich nicht zur Wiederwahl. Er kommt auch zu weiteren Wahlen kaum nach Bocholt
1885 werden auf Anordnung der Königlichen Regierung Münster die Metzgerei Humberg und Plaat überprüft, ob sie die Desinfektionsvorschriften einhalten. Während bei Humberg keine Beanstandungen gemacht werden, kann Plaat seine Konzession nur mit Schwierigkeiten er kann nachweisen, dass das Duisburger Landgericht in einem vergleichbaren Fall die Schließung der Metzgerei rückgängig machte weiter behalten.
1886 leben in Dingden der damals 43jährige Händler und Metzger Abraham Humberg und Joseph Plaat (72 Jahren) mit ihren Familien. 1895 wohnte nur noch die Familie Abraham Humberg in Dingden. Im Verzeichnis wird er als Metzger, Vieh- und Manufakturenwarenhändler verzeichnet.
Er setzt damit das Gewerbe fort, das der Onkel seiner Frau, Philipp Plaat, in diesem Haus begonnen hatte. Der vordere Teil des Hauses war weitgehend Verkaufshaus. Rechts vom Flur war ein Raum, in dem der Zeit entsprechend auch geschlachtet wurde. Links befand sich der Textilladen, im hinteren Hausteil war die Wohnung.
Der Ehe von Abraham und Rosalie Humberg entstammen neun Kinder, von denen zwei nach neun bzw. dreizehn Monaten sterben. Die vier Söhne dienen im Ersten Weltkrieg. Dabei wird Leopold Humberg verwundet und ausgezeichnet. Kurt Nussbaum, der Sohn des Bocholter jüdischen Seelsorgers Leo Nußbaum, erinnert sich an Besuche seines Vaters in Dingden: Vater fuhr mindestens einmal im Monat zur einzigen jüdischen Familie in Dingden, den Humbergs. Manchmal, zu Pessach, nahm er Matzen mit. Es ging ihm wohl darum, diese Familie seelsorglich zu betreuen. Eine ehemalige Nachbarin weiß sich zu erinnern: Die Humbergs waren eine ganz liebe Familie, immer großzügig und sozial eingestellt. Beeindruckt hat uns damals, dass wir z. B. zur Erstkommunion, obwohl sie Juden waren, immer gute und reichliche Geschenke bekamen. Dies hat uns Kinder sehr gefreut. Was die Nachbarschaft anging, so machten sie alles genau mit. Wenn z. B. Hochzeiten waren, wurden sie mit eingeladen. Sie gehörten einfach dazu.
Am 22. August 1932 stirbt Abraham Humberg im Alter von 80 Jahren. Er wird unter großer Anteilnahme der Dingdener Bevölkerung zur Teilnahme ruft auch der Kriegerverein auf, auf dem Friedhof der Synagogengemeinde Bocholt beigesetzt.

Kurt Nussbaum erinnert sich:
Abraham Humberg, der 1870/71 Kriegsteilnehmer gewesen war, starb etwa 1930. Mein Vater zog dem Leichenzug an der Spitze vieler Menschen, auch Nichtjuden, von Bocholt aus entgegen. Darunter waren auch viele ehemalige Weltkriegsteilnehmer aus den Kriegervereinen Bocholt und Dingden.“ In den 1930er Jahren übernahm der Viehhändler Leopold Humberg bis zu dessen Verbot nach 1935 den Vorsitz des Hilfsvereins zur Unterstützung Bedürftiger. Die älteren Dingdener schildern Humbergs als gute Nachbarn, die immer sehr hilfsbereit waren. Wenn arme Dingdener zu Rosa Humberg kamen, schickte sie diese nie weg, ohne ihnen etwas zu geben.

Nach der Machtergreifung Hitlers wandern drei der Kinder von Rosalie und Abraham Humberg mit ihren Familien aus. Als Rosalia Humberg 1937 stirbt, begleiten mehrere Dingdener Bürger trotz des ausdrücklichen Verbots der örtlichen NSDAP den Sarg auf dem Weg zum jüdischen Friedhof in Bocholt.
Das Haus wird während der Pogromnacht von SA-Leuten verwüstet. Ein Nachbar berichtet: In der Nacht vom 9./10. November 1938 wurde auch den Humbergs das Geschäft zerstört. Dabei wurden auch der siebenarmige Leuchter, Auszeichnungen und Wandbilder zerstört. Möbel und Teppiche lagen auf der Straße. Und eine andere Nachbarin erinnert sich: Wir standen auf der Straße und konnten alles beobachten. Die Tür stand offen. Im Flur hatte ein wunderschöner Schrank gestanden. Der war jetzt umgestürzt: Porzellan und Gläser lagen auf dem Boden. Alles war zertrampelt worden.

Leopold Humberg kann danach die Metzgerei nicht mehr öffnen, da Juden das Führen von Geschäften verboten war. Er blieb tagsüber im Haus, manchmal versteckte er sich im Haus oder bei Freunden in Dingden. Abends im Dunkeln ging Mutter mal zu ihm, manchmal kam er auch zu uns. Mutter sagte ihm: Geh’ doch ins Ausland. Er blieb aber in Dingden, erinnert man sich an diese Zeit.
Leopold Humberg verzieht am 30. Juni 1941 in das Elterhaus seiner Mutter nach Ramsdorf. Von dort aus wird er am 27. Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er am 11. November 1942 umkommt.

Dieser unrühmliche und beschämende Schlusspunkt der Geschichte der Juden in Dingden wird in der Meldung des Borken-Bocholter Soldatenbrief Ausgabe Dezember 1941 deutlich: Es wird Euch übrigens interessieren, daß die Gemeinde Dingden seit Juli d. J. judenfrei ist.

Insgesamt werden zehn Angehörige der Familie Humberg, die alle bis 1941 aus Dingden verzogen, während der Shoah ermordet.
Louis Plaat, ein Sohn Phillip Plaat, zieht vor 1938 aus Dingden nach Bocholt. Später flieht er in die Niederlande. Von dort nach Sobibor deportiert, wird er in diesem Vernichtungslager in Polen am 9. April 1943 ermordet.
Nach 1945 wohnte kein Jude mehr in Dingden.