Aktionen gibt es selbst in den kleinen Gemeinden Lippes. Der Bösingfelder SA-Führer Kruse macht sich weisungsgemäß auf den Weg nach Silixen und Alverdissen.
Unterstützt wird er durch ein Kommando aus Detmold, das vor allem aus Lemgoer SS-Männern besteht und mit einem Lastwagen unterwegs ist. In Bösungfeld werden die Wohnungen von Benjamin Katz, Moses Kleeberg und Moritz Frankenstein aufgesucht.
Ein Nachbar erinnert sich daran, wie Moritz Frankenstein und Tochter aus dem Hause fliehen, nur in Unterhose und Strümpfen bzw. im Nachthemd.

Die Tochter schreit:
Die SA ist im Haus und macht meine Mutter tot!

Das Kommando zieht zum Friedhof ab und verwüstet einen Teil des Grabfeldes. Dann stürzen sich SA- und SS-Leute auf die Inneneinrichtung der Synagoge. In Silixen und Alverdissen dringt das Kommando in die Häuser der Familien Katz, Stern und Arensberg ein, zertrümmert Fenster und Möbel, verbrennt Geschäftsunterlagen auf der Straße. An der Aktion in Alverdissen sind sogar zwei Lemgoer Polizisten aktiv beteiligt. In Barntrup gibt der Bürgermeister dem SA-Führer eine Pistole. Die soll einem Juden untergeschoben werden, um dessen Festnahme begründen zu können. In der Stadt werden die Wohnungen von Salli und Max Katz demoliert, dann werden Bänke und Kultgegenstände der Synagoge zerschlagen.



Bericht der Kreisleitung Lippe an die Gauleitung Westfalen-Nord vom 12.11.1938

Aus Anlaß der Ermordung des Botschaftsrats vom Rat ist es auch in Lippe zu Ausschreitungen gegen jüdische Geschäfte gekommen.

In Alverdissen wurden die Fensterscheiben in der Wohnung des Juden Arensberg zertrümmert und auch die Einrichtung z.T. demoliert.

In Bösingfeld wurden Fensterscheiben des Juden Frankenstein und die Räumlichkeiten, soweit sie für die Lederhandlung des Juden benutzt wurden, zertrümmert. Außerdem wurde die Einrichtung der Synagoge vollkommen demoliert; ein Brand ist hier nicht ausgebrochen.

Ebenso sind in den Orten Oerlinghausen, Schwalenberg und Barntrup, in denen sich je ein Judengeschäft befand, Ausschreitungen vorgekommen und die Einrichtungen der Geschäfte zertrümmert worden.

In Silixen sind in 3 jüdischen Geschäften, es handelt sich um Viehhändler namens Katz, die Wohnungen z.T. zertrümmert.

In der Nacht vom 09. zum 10. November 1938 und am 10. November vormittags sind alle namhaften Juden und z.T. auch Jüdinnen in Schutzhaft genommen. Die Letzteren sind z.T. wieder freigelassen. Inzwischen wurden aus dem Kreisgebiet Lippe 45 Juden in ein Konzentrationlager überwiesen.

Quelle: (StA DT M1 IP Nr. 1106)

Anonymes Schreiben an die Gebrüder Arensberg vom 08.03.1933

Ihr Bonzen Juden in Alverdissen.
Ihr habt gar jetzt wohl gesehen das unser NSDAP- Führer Adolf Hitler Reichskanzler ist. Ihr habt lange genug unsere deutschen Männer und Frauen betrogen und belogen. Jetzt sprechen wir Nationalsozialisten erst mahl mit. Ihr Bonzen Juden. Das geht jetzt auf was ihr mit den deutschen Bürgern gemacht haben. Ihr Stinke Juden haben viehle Familien das Strick fest gezogen und das Blut ausgesaugt. Das Geschäft hört jetzt erst mahl auf. Wie wir Nationalsozialisten erfahren stinken sie wieder in Sonneborn rum und wollen Lesebuscher Land verkaufen. Wir Nationalsozialisten in Sonneborn haben uns vereinbart wenn wir hören das du wieder in Sonneborn rumstinkst und willst Lesebuscher Land verkaufen dann sollst du mahl sehen was wir mit dir machen. Wir werdens gewahr wenn du da mit zwischen sitzt. Dann können wir wohl mal den Gummiknüppel (unleserlich) und den Stinke Juden nach Pallästina zu treiben. Da kannst du den Leuten alles wegnehmen. Aber jetzt bei dieser deutschen Nation gibts es nicht mehr. Es weht anderer Wind in Deutschland. Du kannst es nochmahl riskieren wegen Lesebuscher Land und stinken hinrennen. Es ist ein Pfiff dann sind die Gummiknüppel da. Dann sollst du mahl sehen was wir mit den Stinke Juden machen.
Heil Juda
Alverdissen
Reisen nach Pallästina
Quelle: ( StA DT L 113 Nr. 1271)

Beachten Sie die Rechtschreibung

Schreiben des Ortsgruppenleiters in Alverdissen an die Kreisleitung der NSDAP in Lemgo vom 20.03.1936

Am Donnerstag, 19.03., war hier in Alverdissen Kram- und Viehmarkt und dies hat der Jude Arensberg dazu benutzt, unsere Jugend wieder an sich zu ziehen. Der Jude Arensberg hat an diesem Tage 13 Kindern 5 und 10 Pfg. gegeben, um für dieses Geld etwas zu kaufen. Die Kinder natürlich, es waren welche von 6-7 Jahren, gingen hiermit zum Markt und waren darüber hocherfreut.
Jetzt, wo wir vor der Wahl stehen, ist es von diesem Juden eine bodenlose Frechheit, sich so wieder an unsere Jugend heranzumachen. Wir wissen es ja, warum der Jude dieses getan hat. Die Bevölkerung war über dieses sehr erregt. Wir haben immer und immer wieder versucht, den Eltern klarzumachen, was die Juden für uns bedeuten. Vielleicht können Sie den Volksgenossen, die die Versammlungen besuchen, auch noch mal auf die Judenfrage mit kleinen Kindern aufmerksam machen. Ich werde den Juden auffordern, dieses zu unterlassen, sonst sind wir gezwungen, mit diesem Burschen einen anderen Ton zu sprechen.

Quelle: StA Detmold L 113 IV Nr. 24

Von den in Schutzhaft befindlichen Gebrüdern Arensberg erpresste Erklärung vom 01.07.1933

Die Gebrüder Gustav und Paul Arensberg, in Firma G. Arensberg, in Alverdissen sind auf Anordnung der Landesregierung in Schutzhaft genommen worden. Es werden gegen sie Vorwürfe des strafrechtlichen Wuchers und volksschädigenden Verhaltens vom wirtschaftspolitischen Standpunkte aus gesehen erhoben.
Die Gebrüder Gustav und Paul Arensberg wollen zu diesem Vorwürfen heute keine Stellung nehmen, aber zur Abgeltung und als Sühne für irgendein vorwerfbares Verhalten sind sie bereit, dem Lande Lippe, z. Hd. Des Staatsministeriums, eine Summe von 35000 RM zur Verfügung zu stellen. Sie können diesen Betrag natürlich nicht im Augenblick flüssig machen, sind jedoch bereit, diese Summe in folgender Weise zu leisten.
10000 RM in bar. Davon 5000 RM sofort bei Entlassung aus der Schutzhaft und 5000 RM binnen drei Monaten.
Der Rest von 25000 RM soll durch eine hypothekarische Eintragung zugunsten des Landes Lippe gesichert und amortisiert werden mit Beträgen von jährlich 3000 RM.
Soweit die Gebrüder Arensberg trotz ernsthaften Bemühens diese Summen in Bar derzeit nicht aufbringen können, sind sie berechtigt, ihnen zustehende sichere Hypotheken hierfür in Zahlung zu geben.
Damit sollen alle Vorfälle an denen die Gebrüder Gustav und Paul Arensberg beteiligt sind und die sich vom heutigen Tage ab rückwärts ereignet haben, als endgültig abgetan gelten, insbesondere wird die Staatsregierung daraufhin wirken, dass das bei der Staatsanwaltschaft in Detmold anhängige Ermittlungsverfahren gegen die Gebrüder Gustaf und Paul Arensberg wegen Wuchers zur Einstellung gelangt, weil nunmehr nach obiger Sühne das Staatsministerium auf dem Standpunkte steht, dass daneben eine gerichtliche Strafe nicht mehr am Platze ist und deswegen die Angelegenheit jetzt als geringfügig im Sinne des § 153 stopp angesehen werden kann.
Außerdem wird der Steinbruch in Alverdissen mit dem anliegenden Lande etwa 6 Scheffelsaat an den Staat übereignet.
Mit dem vorstehendem erklären wir uns einverstanden.

Quelle: StA DTD 1 Nr.10589

Aus einem Rundschreiben der Kreisleitung Detmold an alle Ortsgruppen und Stützpunkte vom 09.08.1935

Betrifft: Judenfrage

Nachstehend gebe ich Ihnen die Richtlinien für den neueröffneten Kampf gegen die Juden bekannt:

1. Es darf kein Verkehr mit Juden gepflegt werden,
2. Es dürfen keine jüdischen Ärzte in Anspruch genommen werden,
3. Es sollen nach Möglichkeit an allen Dorf- bzw. Stadteingängen Schilder angebracht werden mit der Aufschrift:
Juden sind nicht erwünscht.
4. Es ist selbstverständlich, dass die Badeanstalten aus Reinlichkeitsgründen für Juden verboten werden.
5. Die Staats- und Gemeindebehörden dürfen keine Aufträge an Lieferanten vergeben, die oder dessen Frauen heute noch bei Juden kaufen, bzw. mit ihnen Handel treiben.
6. Die Bürgermeister haben das Recht, den Juden das Ankeufen von Grundstücken zu verbieten.
7. Es ist erlaubt, die Namen bzw. Fotografien der Folksgenossen zu veröffentlichen, die heute noch bei Juden kaufen.
8. Die Schrift an den Stürmerkästen, dass die Juden unser Unglück sind, dürfen wieder angebracht werden.
9.  Juden, die im Besitz von Wandergewerben sind, kann der Wandergewerbeschein entzogen werden, mit der Begründung, dass sie politisch unzuverlässig sind.
10. Die Ortsgruppen- und Stützpunktleiter stellen fest, ob Juden, die im Besitze eines Wandergewerbescheines sind, sich deutscher Weiterkäufer bedienen.
11. Die Ortsgruppen- und Stützpunktleiter werden gebeten, der Staatszeitung Aufnahmen einzusenden von Volksgenossen, die heute noch mit Juden handeln, bzw. bei Juden kaufen. Diese Aufnahmen sind zur Veröffentlichuung in der Presse bestimmt.

Quelle: StA Detmold L 113 Nr. 263

Beachten Sie die Rechtschreibung

Beschwerde des NSDAP-Ortsgruppenleiters in Alverdissen an die Firma Regenhardt AG in Berlin vom 16.01.1936

Bei einer gelegentlichen Durchsicht ihres Regenhardt-Geschäftskalenders 1936 stelle ich fest, dass für den hiesigen Ort der Jude Arensberg in Alverdissen als Vertrauensperson für Auskünfte aufgeführt wird. Ich muß mein Erstaunen darüber ausdrücken, dass heute noch, nachdem wir nun bald im vierten Jahr des nationalsozialistischen Regimes stehen, von einer der größten Auskunftei Deutschlands ein Jude als Vertrauensperson aufgegeben wird. Gleichzeitig ist es sehr bedauerlich, dass der rassepolitische Grundgedanke des Nationalsozialismus, man möchte sagen, derart mit Füßen getreten wird. Die Regierung gibt sich die größte Mühe und scheut kein Opfer, das deutsche Volk von dem jüdischen Joch zu befreien, und auf der anderen Seite wird von gewissen Kreisen dieses große Befreiungswerk unseres Führers direkt boykottiert.
Die Geschichte der Vergangenheit hat uns doch zur Genüge gelehrt, was der Jude ohne Ausnahmen für ein Vertrauensmann ist. Der Jude wird stets nur Vertrauensmann für seine eigene Rasse sein, niemals für eine andere Rasse. Die Geschichte des Judentums hat dies tausendmal bestätigt. Gerade die Auskunfteien sind für das Wirtschaftsleben in Deutschland von größter Wichtigkeit, und wir müssen im Interesse unserer Wirtschaft verlangen und jeder deutsche Geschäftsmann muß die Gewissheit haben, dass der Auskunft erteilende auch wirklich eine Vertrauensperson ist, und dies kann kein Jude sein, sondern nur ein Deutscher.
Es ist anzunehmen, dass in ihrem Kalender noch weitere Juden aufgeführt sind und bitte ich, überprüfen Sie diesen und säubern Sie ihn. Damit festigen Sie den Ruf Ihres Kalenders und Sie dienen dem deutschen Volke.

Die NS-Presse über das angebliche Vermögen der Juden, 1938

Lippische Staatszeitung vom 27.11.1938

Die armen Juden in Lippe und ihr Vermögen
140 Juden meldeten ein Vermögen von mehr als 4 Millionen Reichsmark an, Grundstücksmakler, Kornjuden und die arme Jüdin zwischen Wellentrup und Kachtenhausen ohne ein Kapitel zum Nachdenken für die Ewig-Gestrigen.
An der Spitze der durchweg vermögenden, teilweise sogar sehr reichen Juden, steht ein berüchtigter Sohn des auserwählten Volkes, der viele Jahre lang im Extertal beim An – und Verkauf von Häusern und Grundstücken glänzende Geschäfte gemacht hat.
Dieser Jude, der rund um Alverdissen eine traurige Berühmtheit erlangte, bezifferte vor der Behörde sein Vermögen mit 272.890 RM.
Wie die Juden zu diesen Vermögenswerten gekommen sind, brauchen wir kaum zu betonen. In allen Städten und vielen Dörfern haben die Vertreter auserwählten Volkes ihr trauriges Unwesen getrieben und sich auf Kosten gutgläubiger Menschen bereichert. Wir können dankbar sein, dass diesem Parasitentum endlich mit Radikalenmitteln das Handwerk gelegt ist.

Jüdische Mitbürger aus Alverdissen die zwischen 1933-1945 verfolgt und deportiert wurden

Arensberg Arnold * 28.05.1891 in Alverdissen
Arensberg Erich * 08.01.1899 in Alverdissen
Arensberg Gustav * 30.03.1883 in Alverdissen
Arensberg Hans * 30.04.1931 in Alverdissen
Arensberg Philipp * 09.04.1885 in Alverdissen
Hoffmann Marta * 08.05.1887 in Alverdissen