Arzt im Euthanasie Programm

Ullrich Aquilin Dr. (Tarnnahme Dr. Schmitt)
* 14.03.1914 in Dillingen
+ 30.05.2001 in Stuttgart (nach der Implantation eines Kniegelenkes)
letzter bekannter Wohnort: 70174 Stuttgart Hölderlinstr.10
Tel.0711/295938

01.05.1937
Eintritt in die NSDAP

14.11.1939
als Arzt notapprobiert

15.03.1940 - 00.11.1940
Vertreter des Leiters der
NS-Tötungsanstalt Brandenburg, Irmfried Eberl

00.12.1940 - 00.04.1942
Mitarbeiter der T4-Zentrale in Berlin

1942 - 00.03.1943
Assistent am Pathologischen Institut der Universität München

1945
Flucht aus amerikanischer Gefangenschaft

1949
Assistentenstelle an einer Stuttgarter Klinik

1952
Facharzt für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe sowie Belegarzt einer Klinik in Stuttgart

ab 22. August 1961
in Untersuchungshaft

am 8. September 1961
unter Auflagen entlassen

14.02.1964
Der Regierungspräsident in Stuttgart ordnet an, daß die Approbation Aquilin Ullrich bis auf weiteres ruht. Bis dahin hatte Aquilin Ullrich eine Praxis als Frauenarzt betrieben. Der Grund für die Entscheidung des Regierungspräsidenten liegt in der Tätigkeit des Arztes zur Zeit des Nationalsozialismus. Ullrich arbeitete in der Vergasungsanstalt Brandenburg.

18.05.1967
Ullrich wird vom Landgericht Frankfurt/M. wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 4 500 Fällen zu vier Jahren Haft verurteilt
Ullrich gestand bei der Verhandlung, er habe in mindestens 210 Fällen mit eigener Hand den Tod besorgt. Die Patienten seien mit Kohlenmonoxid (CO) vergast worden. Das geschah nach Ullrichs Worten so:
Wenn ein Transport kam, entkleideten sich die Patienten und wurden an einem Tisch vorbeigeleitet, wo Eberl und ich standen. Dann öffnete sich eine Tür in einen Raum der als Duschraum bezeichnet war. Darin waren Pritschen, worauf sich die Patienten legten. Dann wurde die Tür geschlossen und das CO eingelassen. Die Einströmung des Gases besorgte ein Arzt. Wenn Eberl da war, tat er es, wenn nicht, dann tat ich es. Die Patienten schliefen ruhig ein. Man ließ das Gas etwa 20-30 Minuten im Raum. Die Patienten waren immer tot. Das Gas wurde abgesaugt, die Tür geöffnet, der Raum durchlüftet.
Sind die Opfer tot, wird ihnen das Zahngold herausgebrochen, das vorgeschmolzen an die "Degussa" veräußert wird. Vielfach werden auch die Gehirne entnommen, da eine Anzahl von Universitätsprofessoren - so Ullrich in einer Aussage - "die wertvollen Gehirne für die wissenschaftliche Forschung" beanspruchten.

14.12.1968
Das BGH ermäßigt im Revisionsverfahren auf drei Jahre mit der Begründung, die Beihilfe zum Mord könne nur für 2 340 Menschen nachgewiesen werden

+ 30.05.2001 in Stuttgart (nach der Implantation eines Kniegelenkes)
Wenn nicht der Vorwurf eines Kunstfehlers erhoben worden wäre, hätte die breite
Öffentlichkeit kaum davon Notiz genommen, daß auf diese Weise ein Arzt den Tod im OP fand, dem als Vertreter des Leiters der NS-Tötungsanstalt Brandenburg, Irmfried Eberl, Beihilfe zum Mord an 2 340 Menschen nachgewiesen wurden.

Bemerkungen
Euthanasie-Programm

Zu Ullrichs Aufgaben gehörte auch, den Angehörigen der Ermordeten verlogene Beileidsschreiben zu schicken. Unter seinem Tarnnamen "Dr. Schmitt" schrieb er beispielsweise am 13. August 1940 einem Vater: "Trotz aller Bemühungen unserer Ärzte war es bei der Heftigkeit der Erkrankung nicht möglich, die Patientin am Leben zu erhalten." Der Vater solle jedoch in dem Gedanken Trost finden, "daß Ihre Tochter von einem schweren und unheilbaren Leiden erlöst wurde".
Der Mann hat offenbar wütend reagiert und wollte wenigstens die Sachen der "Verstorbenen" zurück. Am 24. August 1940 geht von Brandenburg ein Brief ab, der mit "Dr. Schmitt" gezeichnet ist: "Bei der augenblicklichen Rohstoffknappheit wurden die Sachen zwecks nutzbringender Verwendung einer Verwertungsstelle zur Verfügung gestellt. Wir hoffen, damit auch in Ihrem Sinne gehandelt zu haben, zumal Ihnen durch die aus öffentlichen Mitteln bestrittene Feuerbestattung keine Kosten entstanden sind." In der "Kanzlei des Führers" nannte man solch zynische Schreiben "Trostbriefe".

Trotz seines angeblich miserablen Gesundheitszustands operierte Frauenarzt Ullrich bis 1979 regelmäßig in der Stuttgarter "Staatsrat-von-Fetzer-Klinik".