NS Jurist

* 22.08.1904

vor 1945 Staatsanwalt beim Sondergericht Prag
nach 1945 Amtsgerichtsrat in Hamburg

DER SPIEGEL 21/1972

15.05.1972
Hand auf der Kasse
Die Hamburger Bußgeld-Affäre -- Richter und Staatsanwälte holten privaten Nebenverdienst von Vereinen, denen sie amtlich Gelder zuwiesen -- hat nun auch in anderen Bundesländern Untersuchungen ausgelöst.
Ernst Schmaltz, 51, ist Amtsrichter in Hamburg und ein zufriedener Mann: "Ich habe es geschafft."
Morgens vernimmt er die Zeugen, verurteilt die Angeklagten, und dann vertreibt er sich die Zeit mit seinem Hobby: Richter Schmaltz redet gern und redet oft -- 255mal allein im letzten Jahr und immer gegen dasselbe Laster, den Alkohol. Und was der Moral dienen soll, hat auch dem Vortragsredner bislang nicht geschadet: Er konnte damit sein Gehalt fast verdoppeln. 1971 belief sich das Schmaltz-Zubrot auf 25 000 Mark. Am Schluß jeder Rede war das Thema so wenig erschöpft wie der Redner. Schmaltz: "Daß meine Gesamtkonstitution gelitten hätte, würde ich verneinen."
Vorletzte Woche freilich durfte der Richter nicht mehr ausreden." Das können Sie mir nicht erzählen", mußte er sich sagen lassen: als Zeuge vor einem Untersuchungsausschuß der Hamburger Bürgerschaft, der sich seit sechs Wochen müht. Hintergründe einer Justizaffäre aufzuhellen, die bundesweit Aufsehen machte.
Hamburger Richter und Staatsanwälte hatten Geldbußen in sechsstelliger Höhe an Vereine geleitet, die zwar als "gemeinnützig" firmieren. aber durchaus auch dem Eigennutz mancher Justizherren dienten -- sie schöpften aus den von ihnen selber gefüllten Töpfen ihre Rednerhonorare. Und Vortragstätigkeit bedarf in der Hansestadt -- anders als beispielsweise in Nordrhein-Westfalen -- keiner Genehmigung.
Amtsrichter Schmaltz geriet zum Spitzenverdiener solchen Selbstversorgungssystems erst durch das spektakuläre Ende eines Kollegen. Oberstaatsanwalt Günther von Below, Leiter der Abteilung für Wirtschaftssachen bei der Hanseatischen Anklagebehörde, schoß sich am 10. Januar mit seiner Mauser-Pistole in den Mund. Below hatte im Vorjahr knapp 300 Vorträge für den "Bund gegen Alkohol im Straßenverkehr" gehalten und dabei 31 000 Mark kassiert -- nur die Bitte um einen Mercedes-Dienstwagen war dem Spitzenredner vom Bund abgeschlagen worden.
Aufgedeckt wurde der Fall Below, als der leitende Ankläger ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 1,36 Millionen Mark gegen einen Fleischgroßhändler wegen "mangelnden öffentlichen Interesses" und "geringer Schuld des Täters" eingestellt und eine Geldbuße von 400 000 Mark verordnet hatte. 100 000 Mark davon ließ von Below dem Alkohol-Bund zukommen, dessen Hamburger Sektionsvorsitzender er war.
"Günther, was du da machst", so hatte ihn der Staatsanwaltskollege und Sektionschef beim Alkohol-Bund in Rheinland-Pfalz, Roland Cherdron, einmal gewarnt. "würde ich für unangebracht halten. Doch der redefreudige Freund war darüber hinweggegangen: "Da muß man mal drüber reden."
Geredet hatte von Below im Fleisch-. händlerfall mit Amtsgerichtsrat Friedrich Arland. Der war nicht zuständig, aber hilfsbereit. denn auch er zählte zu den Bundes-Rednern wider den Alkohol (11 000 Mark Honorar im Jahr 1971) und gab die Zustimmung zur Verfahrenseinstellung bereitwillig. Gegen Richter Arland, seit dem 8. März vorzeitig im Ruhestand, wurden disziplinarische und strafrechtliche Ermittlungen wegen Rechtsbeugung und Begünstigung eingeleitet.
Mit der Bußgeld-Affäre war die Hamburger Justiz samt ihrem Chef, Justizsenator Ernst Heinsen (SPD), binnen Jahresfrist zum zweitenmal in Kritik geraten. Waren es im Frühjahr 1971 die Staatsanwälte für NS-Gewaltverbrechen. die zahlreiche Groß-Verfahren gegen schwerbelastete Nazitäter binnen eines Jahrzehnts nicht einmal bis zur Anklage zu bringen vermochten, so warf nun die Geld-Geschichte die Frage auf, ob in Hamburg der Dienst in der Robe nur eine Halbtagsbeschäftigung sei und nicht vielleicht bei der Justiz zwischen niedrigem Verfahrenstempo und hohen Nebeneinkünften ein kausaler Zusammenhang besteht.
Mehr noch: Schon das erste Zwischenergebnis des Untersuchungsausschusses, wonach 41 Hamburger Richter und Staatsanwälte im Jahre 1971 beim Anti-Alkoholbund insgesamt 156 727,23 Mark kassiert haben, ließ den Verdacht aufkommen, daß an der Alster das Recht käuflich sei.
vollständiger Bericht
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42944926.html

DER SPIEGEL 34/1972

14.08.1972
Laut Psychiater-Gutachten gilt der Hamburger Amtsrichter, der im Vorjahr einen Bußgeldskandal auslöste, jetzt als unzurechnungsfähig. Folge: Neunzig Urteile werden überprüft, er selbst dürfte straflos bleiben.
Hamburgs Amtsgerichtspräsident Paul Wienbeck fühlt sich überfordert: "Ich kann nicht jeden meiner 200 Richter auf seinen Geisteszustand untersuchen lassen."
Bei einem freilich bestand der Staats anwalt darauf -- und wurde fündig. Ein Psychiater. so Hamburgs Senatssprecher Hanno Jochimsen. "fragte auf den Punkt: Wußte der Richter im Dezember noch, was er tat?"
Es scheint, er wußte es nicht. So ist nun fraglich, ob Amtsgerichtsrat a. D. Friedrich Arland, 67, gegen den wegen des Verdachts der Rechtsbeugung und Begünstigung im Amt strafrechtlich wie disziplinarisch ermittelt wird, überhaupt noch voll zurechnungsfähig amtierte, als er, im Dezember 1971, das Verfahren gegen einen Fleischgrossisten bei einer Buße von 400 000 Mark "wegen Geringfügigkeit" einstellte.
Artands milde Geste, die den Handelsmann vor Verurteilung wegen eines Wirtschaftsdelikts bewahrte, führte die Hanse-Justiz in die Krise. Denn der Amtsgerichtsrat hatte 100 000 Mark der Bußgeldsumme dem "Bund gegen Alkohol im Straßenverkehr" zugedacht. aus dessen Kassen sich Arland selbst und 4<) weitere Justizbeamte in der Mehrzahl Richter und Staatsanwälte -- freizügig für Vorträge honorieren ließen.
1971 wurden über 150 000 Mark an Subsidien ausgeworfen, 11 000 davon bekam Arland. Und üppig schwappte es zurück: Rund 439 000 Mark durften die Abstinenzler auf Justizvermittlung bei bußwilligen Hanseaten abkassieren.
vollständiger Bericht
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42854222.html