Nebenlager Harmense

Übersicht

Polen, Woiwodschaft Kleinpolen, Bezirk Oświęcim, Gemeinde Oświęcim

Einsatz der Häftlinge bei
SS-WVHA/Amt W V (Land-, Forst- und Fischwirtschaft)

Das etwa sieben km vom Stammlager Auschwitz entfernt gelegene Dorf Harmense befand sich im so genannten SS-Interessengebiet. Die dort ansässige Bevölkerung wurde im April 1941 ausgesiedelt, damit auf diesem Gebiet eine landwirtschaftliche Versuchsstation errichtet werden konnte.
Im Februar 1942 übernahm SS-Oberführer Joachim Caesar die Leitung der Landwirtschaftsbetriebe beim KZ Auschwitz.
In Harmense war der Aufbau eines Geflügelzuchtbetriebes vorgesehen.
Ein Kommando aus 50 vorwiegend polnischen Häftlingen kam ab Frühsommer 1941 täglich aus Auschwitz und legte auf dem Gebiet des ausgesiedelten Dorfes eine Geflügelfarm an.
Am 8. Dezember 1941 wurde das Kommando dauerhaft in Harmense einquartiert und stellte damit das erste ständige Außenlager im Bereich der Landwirtschaftsbetriebe im SS-Interessensgebiet dar.
Im Juni 1942 wurde es um 40 weibliche Häftlinge erweitert.
Im Oktober 1942 kamen 17 weibliche Häftlinge dazu, die in Ravensbrück einen zweimonatigen Geflügelzuchtkurs und ein Praktikum absolviert hatten. Insgesamt waren im März 1944 in Harmense 553 Häftlinge (108 Männer und 445 Frauen) beschäftigt, jedoch nur 106 von ihnen im Außenlager untergebracht. Die anderen kamen in mobilen Arbeitskommandos täglich aus dem Stammlager oder aus Birkenau.
Die männlichen Häftlinge in Harmense waren vor allem Polen, vereinzelt auch griechische, niederländische, tschechische und deutsche Juden.
Die weiblichen Häftlinge waren Polinnen aus Ravensbrück, slowakische Jüdinnen und etwa 16 deutsche Häftlinge (Asoziale und Bibelforscherinnen).
Die in Harmense untergebrachten Häftlinge waren in vier Kommandos (Geflügelzucht, Fischerei, Kaninchenzucht und Wirtschaftskommando) eingeteilt. Das Kommando Geflügelzucht bestand im März 1944 aus 30 weiblichen Häftlingen. Zum durchschnittlichen Tierbestand der Zuchtstation gehörten 2000 Hühner (vor allem Leghornrasse), 500 Puten, 15 Fasane, 1000 Enten, 300 Gänse und 50 Rebhühner. In einer Brutstation wurden jährlich 10.000 Küken ausgebrütet.
Die Frauen fütterten das Geflügel, reinigten die Ställe und Ausläufe, entnahmen die Eier, schlachteten und rupften Geflügel und betreuten die Brutstation. . . .
Als im April 1943 die Geflügelpest in Auschwitz ausbrach, wurde Harmense zum Sperrbezirk erklärt.
Ab 1941 wurde in Harmense Fischzucht betrieben. Das Kommando Fischerei, bis Ende 1941 zwölf, ab Mitte 1942 bis zu 25 männliche Häftlinge, züchteten in über 100 Teichen rund um Harmense Karpfen, Schleie und Hechte. Die Teiche mit einer Gesamtfläche von 380 ha hatten vorher zum Teil der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Krakau, zum Teil Gustav Zwilling gehört. Leiter der Fischwirtschaft war SS-Unterscharführer
Rudolf Martin. Die Häftlinge mussten Teiche säubern, Dämme ausbessern, den Wasseraustausch regulieren, Brut einsetzen, Fische füttern und abfischen. . . . .
Unter Leitung des Ichthiologen und ehemaligen deutschen KZ-Häftlings Dr. Diethelm Scheer wurde in einem gut ausgestatteten Labor im Haus des ausgesiedelten Landwirts Juliusz Psota die Fischzucht wissenschaftlich begleitet.
Sei Ende Dezember 1941 war die Zucht von Angorakaninchen vom Stammlager nach Harmense verlegt worden. Sie umfasste zeitweise 3000 Tiere. Im Erdgeschoss der Villa Zwilling befand sich der „Zupfraum“ zum Bürsten und Scheren der Kaninchen und Säubern und Sortieren der Wolle, die vierteljährlich an die „Kaninchen-Angora-Zucht“ in Berlin geschickt wurde. Das Kommando Kaninchenzucht beschäftigte durchschnittlich zehn bis zwölf Häftlinge.
Ende 1943 begann man auch mit der Aufzucht von Fasanen, Rebhühnern, Nutrias und Rassehunden (vor allem Doggen).
Das Wirtschaftskommando bestand aus Zimmerleuten, Tischlern, Maurern, Glasern und Elektrikern und war für den Ausbau der Wohn- und Wirtschaftsanlagen, der Ställe und für die Errichtung der Brutstation zuständig.
Außerdem sorgten sie für die Anfuhr von Baumaterial sowie von Lebensmitteln und Kleidung aus dem Stammlager. Dafür standen ihnen sechs Pferde zur Verfügung.
Die deutschen Bibelforscherinnen (Zeuginnen Jehovas) waren in der Lagerküche beschäftigt.


Auschwitzüberlebenden Marian Kołodziej (Häftlingsnummer 432)
“Du bist nicht davongekommen, um zu leben.
Es bleibt dir wenig Zeit, es muss Zeugnis abgelegt werden.
Ich war in der Hölle und diese Hölle habe ich körperlich erfahren und gesehen.
Den Himmel hingegen habe ich nicht gesehen.
So war es im Lager, wo ich mir den Himmel nur vorstellen konnte.”


Täter

16.05.1942

Flucht
den "Häftlingen" Gawron Wincenty Häftlingsnummer 11237 * 28.01.1908 in Stara Wiew, † 21.08.1991 in Limanowa (am 05.04.1941 ins KL eingewiesen)
u.
Bielecki Stefan Häftlingsnummer 12692 * 20.02.1908 in Czestochowa (am 06.04.1941 ins KL eingewiesen)
gelingt die Flucht (
20:55 Uhr) aus dem NL Harmense. Die Suchaktion, an der 60 SS-Männer teilnehmen, bleibt ohne Erfolg.

21.06.1942

Um 19:20 Uhr erhält der Führer der SS-Wachmannschaft die Meldung, daß im Außenlager Harmense ein Häftling fehle. Um 20:40 Uhr wird die erfolgreiche Suchaktion beendet und der Alarm abgebrochen.