Judenumsiedlung 09.1942 in Kolomea

Nach Durchführung der Aktionen zur Judenumsiedlung am 03. und 05. 09.19 42 in Skole, Stryj und Chodorow, bei der als Führer der eingesetzten Orpo-Kräfte Hauptm. d. Sch. Kröpelin bestellt worden war und von dem hierüber besonders berichtet worden ist, traf die 7 /Pol- 24 befehlsgemäß am 06.09.1942 abends in Kolomea ein.
Hier wurde von mir unverzüglich die Fühlung mit dem Kriminalkommissar und SS-Ostuf. Leitmeritz, Leiter der Außenstelle der Sich. Pol. in Kolomea und Rev. Obltn. Hertel von der Schutzpol. Dienstabteilung Kolomea aufgenommen.

Die für den 07.09.1942 angesetzte Aktion in Kolomea war für alle beteiligten Kräfte entgegen den Erfahrungen in Stryj erleichtert und gut vorbereitet. Von den genannten Dienststellen und dem Arbeitsamt in Kolomea war die Parole an die Juden ausgegeben worden, sich zur Registrierung am 07.09. - 5.30 Uhr, auf dem Sammelplatz des Arbeitsamtes einzufinden. Hier waren zur angegebenen Zeit tatsächlich etwa 5300 Juden aufmarschiert. Mit allen Kräften meiner Kompanie habe ich die Judenviertel abgesperrt und gründlich durchsucht, wobei noch etwa 600 Juden aufgetrieben worden waren.

Die Verladung des Transportzuges war um 19 Uhr abgeschlossen. Es sind 4769 Juden umgesiedelt worden, nachdem von den insgesamt aufgetriebenen Juden etwa 1000 von der Sich.-Pol. freigegeben worden waren. Jeder Waggon dieses Transportzuges war mit 100 Juden beladen. Die am Tage herrschende große Hitze hat die ganze Aktion stark belastet und auch den Transport sehr erschwert.
Nach der ordnungsmäßigen Vernagelung und Plombierung aller Waggons setzte sich der Transport gegen 21 Uhr mit einem Begleitkommando von 1/9 nach Belzec in Bewegung. Bei der aufkommenden starken Dunkelheit der Nacht sind mehrere Juden entkommen, die sich nach Entfernung des Stacheldrahtes durch die Luftlöcher hindurchgezwängt haben, wovon jedoch ein Teil sofort von dem Begleitkommando erschossen werden konnte, während der größte Teil der geflüchteten Juden in der Nacht oder am anderen Tage vom Bahnschutz oder anderen Polizeikräften beseitigt worden ist.
Dieser Transport konnte ohne nennenswerte Vorkommnisse in Belzec abgeliefert werden, obwohl sich bei der Länge des Zuges und der starken Dunkelheit das Kommando als zu schwach erwiesen hat, wie mir von dem direkt nach Stanislau zurückgekehrten Transportführer der 6. /Pol. 24 erst am 11. 09. in Stanislau berichtet werden konnte.

Am 07.09. sind cirka 300 altersschwache, verseuchte, gebrechliche und nicht mehr transportfähige Juden exekutiert worden. Gemäß dem mir erst am 6.9. zur Kenntnis gekommenen Befehl v. 04.09.1942, betr. Judenumsiedlung, hier Munitionsverbrauch sind 90 % aller Exekutierten durch Karabiner, bzw. Gewehr erschossen worden. Nur in Ausnahmefällen wurde von der Pistole Gebrauch gemacht.

Am 08.09. und 10. 09.1942 sind Aktionen in Kuty, Kosow, Horodenka, Zaplatow und Sniatyn durchgeführt worden. Etwa 1500 Juden mußten von Kuty 50 km oder von Kosow 35 km in Fußmärschen nach Kolomea getrieben werden, wo sie mit anderen in der Umgebung zusammengebrachten Juden im Hofe des Gefängnisses der Sipo übernachtet haben.
Außer den in Horodenka und Sniatyn aufgetriebenen Juden, die in je 10 Waggons an diesen Orten von der Sipo bereits eingeladen worden waren, wurden weitere 30 Waggons in Kolomea beladen. Die Gesamtzahl der mit dem Umsiedlungszug am 10. 09.1942 nach Belzec beförderten Juden hat 8205 betragen.

Bei den Aktionen in der Umgebung von Kolomea am 08., 09. und 10.09.1942 mußten etwa 400 Juden aus den bekannten Gründen mit der Schußwaffe beseitigt werden.

Bei dem großen Auftrieb an umzusiedelnden Juden bis zum 10.09. in Kolomea hat trotz der von mir geäußerten Bedenken die Sich.- Polizei alle Juden in die gestellten 30 Waggons verladen. Mit Rücksicht auf die an den Tagen herrschende große Hitze und die Belastung der Juden durch lange Fußmärsche oder durch tagelanges Warten ohne Zuführung nennenswerter Verpflegung war die geschehene übermäßig starke Beladung des größten Teiles der Waggons mit 180 bis 200 Juden derart katastrophal, daß sich der Umstand stark nachteilig für den Transport ausgewirkt hat.

Wie stark die von der Sipo in Horodenka und Sniatyn beladenen je 10 Waggons im einzelnen mit Juden angefüllt waren, entzog sich meiner Kenntnis. Jedenfalls kamen beide Transporte in Kolomea mit vollkommen unzulänglicher Bewachung an, sodaß die Vernagelung der Luftlöcher mit Stacheldraht fast restlos entfernt war. Ich habe sobald als möglich die Herausnahme dieser Transporte aus dem Bahnhof in Kolomea erwirkt und die Koppelung mit den weitab vom Bahnhof im Abstellgeleise stehenden 30 Waggons aus Kolomea veranlaßt. Der jüdische Ordnungsdienst und Angehörige des Bahnhof-Gaudienstes (Ostbahn Rottenarbeiter) von Kolomea wurden eingesetzt, um bis zum Einbruch der Dunkelheit alle ungenügend verschlossenen Waggons in der üblichen Weise ordnungsmäßig zu verschließen. Ein Kommando in der Stärke von 1/15 unter Führung des Hptw. W. war beauftragt, den abgestellten Umsiedlerzug mit 50 Güterwagen bis zur Abfahrt zu bewachen und jeden Ausbruchsversuch zu verhindern. Durch die bereits geschilderte Beanspruchung der Juden, die nachteilige Einwirkung der Hitze und die starke Überladung des größten Teiles der Waggons versuchten die Juden immer wieder, aus den abgestellten Waggons auszubrechen, als die Dunkelheit bereits gegen 19.30 Uhr hereingebrochen war. Um 19.50 traf das Begleitkommando zu dem Umsiedlerzug in Stärke von 1/9 unter Führung des Zugw. K. am Abstellgleise ein.
Ausbruchsversuche aus dem abgestellten Zug während der Dunkelheit konnten entweder verhindert oder die ausgebrochenen Juden auf der Flucht erschossen werden. In sämtlichen Waggons hatten sich die Juden unter dem Einfluß der Hitze vollständig nackt ausgezogen.

Als der Zug um 20.50 Uhr planmäßig in Kolomea abfuhr, rückte das Bewachungskommando in die Unterkunft ein. Das Begleitkommando war, wie zunächst von mir bestimmt, mit 5 Wchtm. (SD) auf 1 Personenwagen am Anfang und 5 Wachtm. (SD) auf 1 Pers.Wagen am Ende des Zuges verteilt. Wegen der Länge des Zuges und seiner Gesamtverladungsstärke von 8205 Juden erwies sich diese Verteilung als unzweckmäßig. Zugw. J. ordnete beim nächsten Halt eine Verteilung der Bewachungskräfte auf den ganzen Zug an. Die Wachtm. mußten sich während der ganzen Fahrt in den Bremshäuschen aufhalten, um auf diese Weise am wirkungsvollsten den Fluchtversuchen der Juden entgegenzutreten zu können. Schon nach kurzer Fahrzeit versuchten die Juden bei einzelnen Waggons nach allen Seiten und sogar die Wagendecken zu durchbrechen. Es gelang einem auch teilweise dieses Vorhaben auszuführen, so dass schon 5 Stationen vor Stanislau Zugw. J. den Bahnhofsvorsteher in Stanislau fernmündlich bat, Nägel und Bretter für eine behelfsmäßige Verschließung der schadhaften Waggons bereitzulegen und den Bahnschutz zur Bewachung des Transportes anzufordern. Als der Zug in Stanislau eintraf, waren Handwerker des Bahnhofs Stanislau und der Bahnschutz zugegen, um die notwendigen Reparaturen durchzuführen und zusätzlich die Bewachung des Zuges zu übernehmen.

Die Arbeiten nahmen 1 1/2 Stunden in Anspruch. Als der Zug nach dieser Zeit weiterfuhr, stellte sich beim nächsten Anhalten nach einigen Stationen heraus, daß schon wieder größere Löcher in mehreren Waggons von den Juden ausgebrochen und der größte Teil des an den Lüftungsfenstern außen angebrachten Stacheldrahtes abgerissen worden waren. In einem Waggon war sogar von den Juden mit Hammer und Zange gearbeitet worden. Sie erklärten auf Befragen, daß ihnen dieses Handwerkzeug von der Sipo mit der Erklärung überlassen worden sei, daß sie dasselbe an ihrem nächsten Arbeitsplatz gut gebrauchen könnten. Zugw. J. ließ sich das Handwerkszeug von den Juden aushändigen. Während der Weiterfahrt des Transportzuges mußte bei jedem Anhalten auf einer Station der Zug behelfsmäßig vernagelt werden, da andernfalls eine Weiterfahrt überhaupt nicht möglich gewesen wäre.

Um 11. 15 Uhr traf der Zug in Lemberg ein. Da keine Ablösung für das Begleitkommando eingetroffen war, mußte das Begleitkommando J. die Bewachung des Zuges bis Belzec übernehmen. Der Zug fuhr nach kurzem Aufenthalt im Bahnhof Lemberg zum Vorortbahnhof Kleparow, wo an SS-Ostuf. Schulze 9 Waggons, die mit L bezeichnet und für das Zwangsarbeitslager bestimmt waren, übergeben und hier entladen wurden. SS-Ostuf. Schulze hat dann wieder etwa 1000 Juden dazuladen lassen. Gegen 13.30 ging der Transport in Richtung Belzec weiter.

Beim Maschinenwechsel in Lemberg wurde eine so alte Maschine vorgespannt, daß die Weiterfahrt nur mit dauernden
Unterbrechungen möglich war. Die langsame Fahrt wurde immer wieder von den noch kräftigsten Juden benutzt, um sich durch die gewaltsam geschaffenen Öffnungen zu zwängen und in der Flucht ihr Heil zu suchen, da sie beim Absprung von dem langsam fahrenden Zug kaum verletzten. Trotz der wiederholten Aufforderung an den Zugführer, schneller zu fahren, war ihm dieses unmöglich, so dass das häufige Anhalten auf offener Strecke zunehmend unangenehmer wurde.

Das Kommando hatte die mitgeführte Munition kurz hinter Lemberg bereits verschossen und auch weitere 200 Schuß Munition, die es von Wehrmachtsangehörigen erhalten hatte, verbraucht, so daß es sich für den Rest der Fahrt mit Steinen vom fahrenden Zug und mit dem aufgepflanzten Seitengewehr beim anhaltenden Zug helfen mußte.

Die immer größer werdende Panik unter den Juden, hervorgerufen durch starke Hitze, Überfüllung der Waggons und den Leichengestank es befanden sich beim Ausladen der Waggons etwa 200 Juden tot im Zuge machten den Transport fast undurchführbar. Um 18.45 Uhr kam der Transportzug in Belzec an und wurde um 19.30 Uhr von Zugw. J. an den SS-OStuf. und Leiter des dortigen Lagers übergeben. Bis zur Entladung des gesamten Transportes gegen 22 Uhr mußte sich J. im Lager aufhalten, während das Begleitkommando zur Bewachung der außerhalb des Lagers abgestellten Waggons eingesetzt wurde.

Die Anzahl der auf diesem Transport entwichenen Juden kann wegen der geschilderten besonderen Verhältnisse nicht angegeben werden.

Es ist jedoch anzunehmen, daß mindestens 113 der geflüchteten Juden erschossen oder auf andere Weise unschädlich gemacht werden konnten.

Bei den Aktionen selbst in der Zeit vom 07. bis 10.09.1942 sind keine besonderen Vorkommnisse eingetreten. Die Zusammenarbeit der eingesetzten Orpokräfte mit den Kräften der Sicherheitspolizei war gut und reibungslos.

Quelle: Peter Longerich München 1989
Überarbeitet: Tenhumberg Reinhard 2010