G II.

Seine Aufgaben im Vernichtungslager Treblinka

Anfangs war Münzberger mehrere Wochen im unteren Lager an der Rampe bei der Abfertigung von Transporten und der Weiterleitung der angekommenen Juden zum Lazarett und zum Schlauch tätig.
Etwa 2 Wochen lang führte er auch die Aufsicht beim Entkleiden der Jüdinnen in der Frauenauskleidebaracke.

Bald wurde er jedoch ins obere Lager versetzt, wo er eine Spezialaufgabe erhielt, für die er sich wegen seiner Größe und seines kräftigen Körperbaues besonders gut eignete. Er wurde, mit Peitsche und Pistole bewaffnet, als Wächter vor den Vorhang postiert, der den Eingang zum großen Gashaus abschirmte. Er musste dafür sorgen, dass in größter Eile möglichst viele zur Vergasung bestimmte Männer, Frauen und Kinder, die im Schlauch auf ihren Tod warteten, in die Gaskammern gepresst wurden, so dass die einzelnen Kammern bis zum letzten Quadratzentimeter ausgenutzt wurden. Hierbei wandte er, unterstützt von ukrainischen Wachmännern, alle ihm zu Gebote stehenden Mittel an, um dieses Ziel zu erreichen. Er schrie die Juden an und schlug mit der Peitsche auf die sich sträubenden Opfer ein. Er ließ es zu, dass die ihn unterstützenden Ukrainer, die mit Karabinern ausgerüstet waren, mit ihren Gewehrkolben brutal auf die Juden einschlugen, wenn sie nicht ruhig in die Kammern gehen wollten. Kinder, die im allgemeinen Gedränge von ihren Müttern getrennt wurden, ließ er durch die Ukrainer über die Köpfe der Erwachsenen hinweg in die Kammern werfen, damit diese möglichst rationell ausgenutzt wurden und damit die Abfertigung so schnell wie möglich vor sich ging. Dann ließ er die Türen der Gaszellen schließen, so dass nunmehr die Abgase des Dieselmotors in die einzelnen Zellen geleitet werden konnten. Schließlich zog er den schweren Vorhang vor dem Eingang des Gashauses zu. Mit Eifer wachte er darüber, dass die nächsten Opfer in einer Entfernung von etwa 50 m an der rechtwinkligen Biegung des Schlauches warteten, damit ihnen die Vorgänge vor und in den Gaskammern möglichst lange verborgen blieben. Dadurch sollte der Ausbruch einer Panik unter den Wartenden und eine hierdurch bedingte Verzögerung bei der Vergasung vermieden werden.

Außerdem war er der Chef des Leichentransportkommandos. Um die Angehörigen dieses Kommandos, die Leichenjuden oder Todesjuden genannt wurden, kümmerte er sich dann, wenn er am Vorhang nicht mehr gebraucht wurde. Er gab sehr oft den Befehl zum fönen der Äußeren Gaskammertüren, wenn die jeweilige Vergasung beendet war. Er überwachte dann den Transport der Leichen von den Gaskammern zu den Gruben und später zu den Verbrennungsrosten. Die Leichenträger spornte er durch Hiebe mit der Peitsche zu größter Eile an, damit sie ihr Soll erfüllten.

Als Schreiner nahm er sich gelegentlich auch der Handwerkerkommandos des oberen Lagers an, ohne ausdrücklich zu deren Leitung bestellt zu sein.

Diese Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten Münzberger, soweit man ihr zu folgen vermag, auf den Angaben seiner Mitangeklagten H. und Ru. und auf den eidlichen Bekundungen des 57 Jahre alten Malers und Anstreichers Hell. aus Tel Aviv, des 40 Jahre alten Hafenlageristen Ros. aus Bat Jam und des 46 Jahre alten Staatsangestellten Li. aus Givataim in Israel.

Münzberger räumt diese Feststellungen über seine Tätigkeit im unteren und oberen Lager in vollem Umfange ein.
Er weist jedoch auf folgendes hin:
Er habe sich immer darum bemüht, die auf die Vergasung wartenden Opfer unter Wahrung von Ruhe und Ordnung zu den Gaskammern zu bringen. Das sei in der Regel immer gelungen, wenn der erste Schub der Opfer in die Gaskammern geführt worden sei, da diese Leute noch daran geglaubt hätten, sie würden nur ein Bad nehmen. Bei dieser ersten Füllung der Gaskammern sei deshalb meist nicht mit Schlägen nachgeholfen worden. Allerdings sei das bei den nächsten Füllungen manchmal anders gewesen, da die noch im Schlauch wartenden Juden bereits geahnt hätten, was ihnen bevorstand, obwohl er streng darauf geachtet habe, dass die Wartenden in der Höhe der rechtwinkligen Biegung des Schlauches, und zwar etwa 50 m vom Vorhang entfernt, von den Ukrainern zurückgehalten worden seien. Er habe damit erreichen wollen, dass die bedauernswerten Menschen nicht die Schreie der bereits in den Gaskammern befindlichen Juden hören sollten. Er habe allerdings niemals mehr zugeschlagen, als unbedingt nötig gewesen sei. Wenn er auf eine möglichst letzte Ausnutzung der Gaskammern bestanden habe, so sei das auch im Interesse der wartenden Juden geschehen, denn je schneller die Vergasung erfolgt sei, um so kürzer seien die Leiden und Ängste der noch nicht vergasten Juden gewesen. Diese hätten insbesondere während des strengen Frostes im Winter sein Mitleid erregt, da sie nackt und frierend bei mitunter 20 Grad Kälte im Schlauch auf ihre Abfertigung hätten warten müssen. Er habe sich dann besonders eifrig für eine schnelle und rationelle Füllung der Gaskammern eingesetzt, um den nackten Menschen den Aufenthalt in der schneidenden Kälte zu verkürzen.
Soweit seine ukrainischen Helfer gegenüber den Juden im Schlauch und vor dem Gashaus besonders brutal gewesen seien, könne man ihm das nicht anlasten, da die Ukrainer dem Angeklagten Franz und nicht ihm unterstanden hätten.
Auf die Leichenträger habe er nur in wenigen Fällen eingeschlagen, da sie ihre Arbeit von sich aus sehr schnell verrichtet hätten.

Soweit der Angeklagte Münzberger darlegt, er habe versucht bei der Erfüllung seiner Aufgaben am Eingang zum großen Gashaus in einem gewissen Umfange auch menschlich zu handeln, so vermag sich das Schwurgericht dem nicht anzuschließen denn die Zeugen Ros., Li. und Hell. haben übereinstimmend erklärt, dass Münzberger menschliche Regungen gegenüber den Opfern fremd waren und dass er ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Männer oder um Frauen und Kinder handelte, von seiner Peitsche rücksichtslos Gebrauch machte, um die Gaskammern bis auf den letzten Platz zu füllen.
In ähnlich brutaler Weise, so berichten die Zeugen weiter, habe er sich gegenüber den Leichenträgern verhalten, da er nur darauf bedacht gewesen sei, dass die Leichen möglichst schnell weggebracht wurden, auch wenn die Träger vor ihrem körperlichen Zusammenbruch gestanden hätten. Auch der Mitangeklagte H. hat Münzberger als einen brutalen Schläger geschildert, dem seine sehr aktive Mitwirkung an einer Schaltstelle der Tötungsmaschinerie nichts ausgemacht habe und der nach dem Dienst im Kreise seiner Kameraden bei einem Umtrunk stets munter und guter Dinge gewesen sei und ihm sowie dem Kameraden Eisold sogar Vorwürfe wegen ihrer mangelnden Einsatzbereitschaft gemacht habe.
Unrichtig ist auch die Darlegung des Angeklagten Münzberger, er könne nichts dafür, wenn die Ukrainer bei dem Hereintreiben der Juden in die Gaskammern besonders grausam gewesen seien. Es ist zwar richtig, dass die Ukrainer in erster Linie dem Angeklagten Franz unterstanden, der ihnen jeweils die in Betracht kommenden Aufgaben bei der Ankunft und der Abfertigung von Transporten zuwies. Vor dem Vorhang war jedoch Münzberger der maßgebende Mann. Er konnte zwar keinen der Juden mehr retten, die im Schlauch auf ihre Vergasung warteten, denn die Selektionen von Arbeitsjuden erfolgten bereits im unteren Lager. Wie die Zeugen Ros. und Hell. zutreffend bekunden, stand es aber in seiner Macht, das Temperament seiner ukrainischen Helfer zu zügeln und unnötige Grausamkeiten, wie das Hineinwerfen von Kindern in die Gaszellen über die Köpfe der Erwachsenen hinweg, zu verhindern. Wenn er das unterlassen hat, so lässt das nur den Schluss zu, dass er die Grausamkeiten der Ukrainer selbst billigte, weil es einer zügigen Erledigung der Vergasung zustatten kam.