D IV. 1.

Erschießung einer großen Anzahl älterer Juden, die mit einem Personenzug aus Deutschland gekommen waren

In den letzten Monaten des Jahres 1942 kam ein aus einem Personenzug bestehender Transport mit alten Juden aus Deutschland in Treblinka an. Die alten Leute mussten sich sämtlich in mehreren Reihen nebeneinander vor dem Lazarett aufstellen. Gruppenweise wurden sie dann in das Lazarett geführt und von den Angeklagten Mentz und Miete, die an diesem Tage wegen des großen Arbeitsanfalles dort gemeinsam Dienst machten, erschossen.

Der genaue Zeitpunkt dieses Vorganges und die Zahl der getöteten Juden lassen sich nicht mehr feststellen.
Allerdings steht fest, dass es sich hier um eine sehr große Zahl von im Lazarett erschossenen Menschen handelt, die über die sonst bei Transporten übliche Zahl von im Lazarett getöteten Personen weit hinausgeht.

Der Angeklagte Miete bestreitet seine Teilnahme an einer solchen Massenerschießung alter Juden im Lazarett.

Der Angeklagte Mentz lässt sich dagegen wie folgt ein:
Er könne sich nicht mehr daran erinnern, ob einmal ein gesamter Transport von alten Menschen im Lazarett erschossen worden sei. Es sei freilich vorgekommen, dass an manchen Tagen entschieden viel mehr alte und kranke Leute erschossen worden seien als an anderen Tagen. Das sei nach der Eigenart des Transportes ganz verschieden gewesen. Wenn ein Transport angekommen sei, habe er sich sogleich zum Lazarett begeben, ohne darauf zu achten, welche Besonderheiten der betreffende Transport aufweise. Wenn im Lazarett viel zu tun gewesen sei, dann hätten ihm zwei Ukrainer beim Erschießen geholfen. In der Regel sei es nicht üblich gewesen, dass zwei deutsche Unterführer zur gleichen Zeit im Lazarett Dienst getan hätten. Er könne deshalb nicht sagen, ob Miete einmal mit ihm zusammen Leute im Lazarett erschossen habe.

Dass Mentz und Miete tatsächlich in der festgestellten Art und Weise tätig geworden sind, wird durch die eidliche Aussage des 56 Jahre alten Rap. aus Fair Lawn in New Jersey / USA bewiesen.
Der Zeuge befand sich von Ende September 1942 bis zu seiner Flucht kurz nach Neujahr 1943 in Treblinka, wo er seine Frau und sein Kind verloren hat. Er hat die Erschießung dieser alten Juden aus nächster Nähe vom Sortierplatz aus beobachtet, wo er damals arbeitete. Er hat, da er sich nur wenige Monate in Treblinka befunden hat, nur wenige Vorgänge, diese aber deutlich und präzise geschildert. Obwohl er bei der Gegenüberstellung mit seinen früheren Peinigern einen Ohnmachtsanfall erlitt, hat er sich trotz des Verlustes von Frau und Kind in Treblinka keineswegs zu gefühlsbetonten Übertreibungen hinreißen lassen. In seiner drei Tage später zu Ende geführten Vernehmung ist er weiterhin sachlich geblieben.

Das Schwurgericht hält ihn für vollauf glaubwürdig.

Das gilt umso mehr, als auch der Angeklagte Suchomel zumindest einen Teil der Aussage dieses Zeugen bestätigt.
Er hat nämlich angegeben, dass auch einige Personenzüge in Treblinka angekommen seien, vorwiegend aus dem Reichsgebiet, darunter wiederum Züge mit alten Menschen.

Auch der Sachverständige Dr. Kraus. hat in seinem eidlich erstatteten, überzeugenden Gutachten über die Zahl der Opfer im Vernichtungslager Treblinka darauf hingewiesen,
dass neben Güterzügen auch Personenzüge, insbesondere aus Deutschland und der Tschechoslowakei, mit jüdischen Umsiedlern nach Treblinka gekommen seien, unter denen sich auch viele alte Menschen befunden hätten. Er hat auch erklärt, dass man die gesamten Insassen jüdischer Altersheime nach Treblinka verschickt habe.

Das alles spricht für die von dem Zeugen Rap. gegebene Darstellung über die im Lazarett erfolgte Erschießung alter Menschen, die mit einem Personenzug angekommen waren. Im übrigen entsprach diese Massenerschießung durchaus den in Lublin ausgearbeiteten Richtlinien für die Transportabfertigungen, denn diese sahen vor, dass alte und kranke Menschen, weil das zu lange dauern würde, nicht vergast, sondern sogleich nach ihrem Eintreffen im Lazarett erschossen werden sollten.