A VI. 16

Tötung eines Häftlings im Lazarett, der zuvor durch einen Schuss in die Hüfte verletzt worden war

Im Herbst 1942 kam Franz morgens auf den Sortierplatz. Zu seinem Vergnügen schoss er mit seiner Pistole in der Gegend umher. Hierbei wurde ein junger polnischer Häftling durch einen Schuss in der Hüfte verletzt. Der Häftling ließ sich nichts anmerken, sondern arbeitete weiter, um nicht ins Lazarett gebracht zu werden. Abends in der Baracke versuchte der Zeuge Un., mit seinem Taschenmesser die Kugel zu entfernen, was jedoch nicht gelang. Die Hüftverletzung verschlimmerte sich sogar. Der Häftling blieb in der Baracke, weil er Fieber hatte und nicht mehr arbeitsfähig war. Einen Tag oder einige Tage später kontrollierte Franz wahrend der Arbeitszeit die jüdische Unterkunftsbaracke, in der sich unter anderem der an der Hüfte verletzte Häftling und der fieberhaft erkrankte Zeuge Gl. befanden. Franz fragte jeden Häftling nach dem Grund für sein Fernbleiben von der Arbeit.

Als der an der Hüfte verletzte Häftling an der Reihe war, sagte dieser zu Franz:
Ich habe einen Schuss in der Hüfte von Ihnen, Herr Chef. Franz gab zur Antwort, Das will ich jetzt besser machen. Er nahm den Mann mit ins Lazarett, wo er erschossen wurde.

Dieser Vorfall steht trotz des energischen Bestreitens des Angeklagten Franz fest aufgrund der präzisen und glaubhaften eidlichen Aussage des Ingenieurs Gl., der den gesamten Vorgang in der Baracke persönlich miterlebt hat. Dass Gl. bei der Erschießung im Lazarett selbst nicht dabei war, begründet keine Zweifel daran, dass der Mann tatsächlich erschossen wurde, denn Gl. erfuhr am gleichen Tage von den im Lazarett tätigen jüdischen Häftlingen, dass der Mann mit dem Hüftschuss erschossen wurde. Zudem sah er diesen Mann seit diesem Tage nicht mehr im Lager.
Die Aussage des Zeugen Gl. hat er eidlich vernommene Braumeister Un. bestätigt. Un. hat allerdings darauf hingewiesen, dass er nur den ersten Teil des Tatherganges, nämlich die Hüftverletzung des betreffenden Häftlings, selbst miterlebt hat. Beim Aussuchen des Häftlings zur Erschießung im Lazarett war er nach seinen Angaben nicht anwesend, da er sich zu dieser Zeit bei der Arbeit und nicht in der Unterkunftsbaracke befand. Von den Vorgängen in der Baracke hat der Zeuge Gl. damals aber sogleich seinem Freund Un. berichtet, da Un. an dem Schicksal dieses Häftlings, dem er durch das leider nicht geglückte Herausholen der Pistolenkugel hatte helfen wollen, persönlich besonders interessiert war.

Beide Zeugenaussagen haben das Schwurgericht zu der Überzeugung gebracht, dass Franz diesen Häftling an der Hüfte verletzte, dass er ihn zur Erschießung ins Lazarett mitnahm und dort entweder selbst erschoss oder durch den diensttuenden deutschen Unterführer erschießen ließ.