Fliegerhorst Strausberg

Von dem im Zeitraum 1936 bis 1945 in Strausberg beheimateten Wehrmachtseinrichtungen war der Fliegerhorst der Luftwaffe das erste, größte und militärisch bedeutsamste Objekt. Schon 1934 begannen unter strengster Geheimhaltung die ersten Planungen. Im zweiten Halbjahr 1936 war es dann soweit, dass die ersten Bauarbeiten begonnen werden konnten, zunächst unter der Tarnbezeichnung Fliegerübungsstelle des Deutschen Luftsportverbandes Strausberg. Die offizielle Einweihung des Fliegerhorstes erfolgte während des Krieges am 01. November 1939. Deshalb berichtete man aus Geheimhaltungsgründen von einer Rekrutenvereidigung und nicht von einer Flugplatzeinweihung. Die Fliegerhorst-Kommandantur war bereits Anfang September 1939 aufgestellt worden. Erster Kommandant war Hauptmann von Roedern, der bereits am 14. Dezember 1939 von Major Dr. Gambe abgelöst wurde. Im Jahre 1942 übernahm Major Julius Buckler das Kommando auf dem Fliegerhorst.
Die Geschichte des Fliegerhorstes von seiner Entstehung bis zu dessen Besetzung durch die Rote Armee am Abend des 20. April 1945 war sehr wechselvoll. Eine Vielzahl von Einheiten wurde hier kurz- oder längerfristig stationiert. Von besonderem Interesse sind hierbei die Navigationsschule, die so genannte Streustaffel und die Ergänzungsstaffel der Fliegergruppe bzw. des Fliegergeschwaders z.b.V.7, die Spezialaufgaben zu erfüllen hatten. Die Navigationsschule mit einem Stammpersonal von bis zu 500 Mann vermittelte künftigen Navigatoren der Luftwaffe in sechsmonatigen Lehrgängen das navigatorische Rüstzeug. In einem großen Navigationssaal mit einem so genannten künstlichen Himmel befanden sich u.a. ein Planetarium und ein Flugsimulator. Am 08. Februar 1945 wurde die Schule komplett nach Hadersleben in Dänemark verlegt, wo sie bei Kriegsende in britische Gefangenschaft geriet. Die Flieger-Forstschutzstaffel, auch als Streustaffel bezeichnet, war zur Schädlingsbekämpfung im Wriezener Waldgebiet bestimmt. Mutmaßungen, dass es sich um eine Spezialeinheit zur chemischen Kriegsführung gehandelt hat, konnten bisher nicht belegt werden. Bei der Fliegergruppe z.b.V.7, deren Stab und Ergänzungsstaffel im März 1945 vom Flugplatz Berlin-Tempelhof nach Strausberg verlegt wurden, handelte es sich um eine auf Weisung Görings zur Erfüllung der Aufgaben des Reichsführers der SS und Chefs der deutschen Polizei (RFSS) aufgestellte Spezialeinheit zur Partisanenbekämpfung. Ihr Kommandeur war Oberstleutnant Kuring.
Im Zusammenhang mit dem Flugplatzbau steht die Frage, ob die Stadt Strausberg davon profitiert hat oder nicht. Hier gibt es unterschiedliche Meinungen, nicht zuletzt deshalb, weil die Quellenlage keine eindeutige Beweisführung zulässt. Schlussfolgerungen aus den Quellen, was wohl am wahrscheinlichsten gewesen ist, sind jedoch möglich, und danach ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Stadt das Gelände für den Flugplatzbau unentgeltlich an die Luftwaffe abgeben musste, wie es heute noch in der offiziellen Stadtgeschichtsschreibung vermittelt wird.
Bezieht man die Frage nach den Vor- oder Nachteilen, die der Flugplatz für die Stadt gebracht hat, auf die letzten Kriegswochen, so ist klar, dass die Existenz eines Flugplatzes in einer Stadt nicht gerade förderlich für deren Unversehrtheit war, den Flugplätze waren verständlicherweise ausgewählte Angriffsziele. Am Flugplatzbau selbst aber hat die Stadt und auch ein Teil ihrer Bürger mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr wohl profitiert, wie sich aus Protokollen von Ratssitzungen und einer Zeitzeugenaussage vom damaligen Stabsintendanten und Leiter der Arbeitsgruppe Verwaltung/Fliegerhorstkommandantur Strausberg, Erich Mücke, heute wieder Bürger der Stadt Strausberg, schlussfolgern lässt. Seine Arbeitsgruppe war es, die den Landkauf für den Flugplatzbau abwickeln musste, und er kann sich noch gut erinnern, dass die Stadt und auch die Landwirte gut und gern ihr Land verkauft haben und dass seine Arbeitsgruppe Geld an die betroffenen Landwirte überwiesen hat.
Gestützt wird diese Aussage durch Protokolle von Ratssitzungen aus dieser Zeit, die heute im Landeshauptarchiv Potsdam verwahrt werden. So heißt es in einem Protokoll vom Mai 1936: Der Bürgermeister gibt einen Überblick über die schwebenden Verhandlungen betr. Einrichtung eines Flugplatzes auf dem Anstalts- und Kirchengelände. Das in wirtschaftlicher Beziehung für die Stadt so äußerst wichtige Problem ist weitestgehend zu verfolgen und zu fördern. Daraus ist zu entnehmen, dass auch Kirchengelände betroffen war und dass die Stadt aus wirtschaftlichen Gründen am Flugplatzbau interessiert war. Richtig ist, dass die Stadt Gelände für den Flugplatzbau aufgekauft hat, wie folgender Protokollvermerk vom Dezember 1936 dokumentiert: Das Kirchengelände ist, soweit es für den Flugplatz benötigt wird, für 25.000,- RM anzukaufen. Als Zahlung für dieses Gelände ist ein Teil der Schützenhaus-Hypothek an die Kirche abzutreten. Es finden sich jedoch keine weiteren Vermerke, ob das Land im Besitz der Stadt verblieb oder ob es an die Luftwaffe verkauft, verpachtet oder verschenkt wurde. Hinzu kommt, dass bereits vor o.g. Landkauf am Flugplatz gebaut wurde, wie u.a. folgender Protokollvermerk vom November 1936 belegt: Zu Beginn der Gemeinderatssitzung vom 26.11.36 gibt der Bürgermeister einen Überblick über die allgemeine Lage betr. Flugplatz und bemerkt, daß die anfänglichen Mißstimmigkeiten über den Weiterbau, abgesehen von einigen unbedeutenden Schwierigkeiten behoben sind. Es wird also an dem Projekt, wie anfänglich vorgesehen, nunmehr rüstig weitergearbeitet.
Der Flugplatzbau war auch für die damalige Arbeitsmarktsituation in Strausberg von Bedeutung, denn es wurden neben Baufirmen von außerhalb vorwiegend Arbeitskräfte aus Strausberg und der näheren Umgebung beim Bau beschäftigt. Auch für den Flugplatzbetrieb selbst benötigte man zivile Mitarbeiter. Neben Strausberger Bürgern waren Arbeitskräfte von außerhalb im Einsatz, für die man eigens ein so genanntes Lager der Deutschen Arbeitsfront auf dem Gelände des heutigen Finanzamtes errichten ließ.
Zwischen der Strausberger Bevölkerung und der Fliegerhorstbesatzung gab es vielfältige Kontakte, kein Wunder bei zeitweilig 1000 Mann Militär in der Stadt. Zu Kriegsbeginn gab es massive Unterbringungsprobleme, denn die Kasernen wurden erst im Frühjahr 1940 fertig gestellt. Dies hatte zur Folge, dass Strausberger Gaststätten und städtische Einrichtungen zeitweilig als Notunterkünfte genutzt werden mussten, wie die Turnhalle der Oberrealschule, der Volksschule und des Landesjugendheimes, das Alte Schützenhaus, das Wanderarbeitsheim und das Burschenheim, in dem 400 Mann einquartiert wurden. Die Aktionen werden sicher das öffentliche Leben in der Stadt maßgeblich beeinflusst haben, den Gastwirten konnten sie nur recht sein. Im Lokal Weil war es auch, wo am 06. November 1939 die erste Kriegstrauung der Fliegerhorst-Kompanie gefeiert wurde.
Anwesend waren dabei der Fliegerhorstkommandant, der Strausberger Bürgermeister und der Ortgruppenleiter der örtlichen NSDAP. Die Flieger ließen es sich nicht nehmen, mit Märschen durch die Stadt militärische Präsenz zu demonstrieren. An den so genannten Tagen der Wehrmacht , die alljährlich im März oder April begangen wurden, war es üblich, den Fliegerhorst für die Strausberger Bevölkerung zu öffnen, denn schließlich wollte man die Zivilbevölkerung für das Militär begeistern und einen guten Eindruck bei den Strausbergern hinterlassen, und offensichtlich ist dies auch gelungen. Da gab es am Tag der Wehrmacht Anfang April 1943 erst einmal 3000 Portionen Essen aus der Feldküche für die Strausberger, bei der kriegsbedingten schlechten Lebensmittelversorgung sicher der begehrteste Teil des Festprogramms. Flugzeuge aller Art konnten natürlich auch bestaunt werden, darunter Beuteflugzeuge und die Überreste eines abgeschossenen britischen Bombers. Ob es wohl Besucher gab, die beim Anblick der zerfetzten Trümmerteile darüber nachgedacht haben, wie es den Menschen ergangen sein muss, die in einem solchen Flugzeug saßen? Möglich war auch ein Besuch im Planetarium und in der Blindflugschule, wo Starts und Landungen im Nebel am Lehrmodell simuliert wurden. Nicht fehlen durfte bei solchen Gelegenheiten obligatorische Schießen mit KK-Gewehren.