Dubno

Bezeichnung: Ghetto

Gebiet
Ukraine, Bezirk Riwne, Kreisfreie Stadt Dubno

Gebiet heute

Eröffnung

Schließung

Unterstellung

Häftlinge

Geschlecht

Einsatz der Häftlinge bei

Art der Arbeit

Lagerausstattung

Ausstattung der Insassen

Lageralltag

Bemerkungen
1942 wird der Offizier Axel von dem Bussche in Dubno Zeuge eines Massakers der SS an Juden. Er beschließt, Adolf Hitler umzubringen.

Bussche war Offizier im Infanterie-Regiment 9, das aufgrund seines hohen Anteils an adeligen Offizieren Graf Neun genannt wurde. Aus diesem Regiment ging eine ganze Reihe von Widerstandskämpfern hervor. Am 15. Oktober 1942 wurde der 23-jährige, hochdekorierte Oberleutnant in der Ukraine auf dem Flugplatz von Dubno zufällig Zeuge einer Massenexekution von über dreitausend Zivilisten, überwiegend Juden, Männern, Frauen und Kindern, die während zweier Tage von acht SS- und mehreren SD-Leuten systematisch durchgeführt wurde.
Bussche hat dieses Verbrechen beschrieben:
SS-Leute führten die Juden an eine Grube. Dort mußten sie sich entkleiden, danach in die Grube steigen, in der schon eine Schicht zuckender Leiber lag. Mit dem Gesicht nach unten mußten sie sich dem Befehl gehorchend auf die Ermordeten legen und wurden dann durch Schüsse in den Hinterkopf getötet

Neben Bussche war auch der Bauingenieur Hermann Gräbe als Zeuge anwesend, der seine Beobachtungen später in Nürnberg an Eidesstatt erklärte.
Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete der gelernte Ingenieur als regionaler Manager einer Solinger Baufirma in der deutsch besetzten Ukraine. In den Städten Rowno und Dobno wurde er 1942 Augenzeuge systematischer Mordaktionen der SS, denen Tausende ukrainischer Juden zum Opfer fielen. Darüber entsetzt faßte der christlich geprägte, charakterstarke und selbstbewußte Mann einen doppelten Entschluß. Zum einen wollte er so viele Menschen wie möglich retten, zum anderen, so schwor er sich, wollte er nach dem Kriege der Öffentlichkeit wahrheitsgetreu über die Mordtaten berichten.
Dem überzeugten Nazi-Kritiker gelang es, Tausende von Juden mit gefälschten Papieren zu versorgen und offiziell als Arbeitskräfte auf seinen Baustellen zu beschäftigen. Man kann nicht so viel Blutvergießen erleben und davon unberührt bleiben, sagte er später. Ich musste etwas unternehmen. Ich musste so viele Menschen beschützen, wie ich konnte.

In den Wirren der letzten Kriegsmonate schaffte es Gräbe, seine Aufzeichnungen über die Mordtaten in den Westen zu retten. Sie ermöglichten es den Amerikanern, Massengräber in der Ukraine aufzuspüren und die Verantwortlichen auszumachen. Gräbe war Zeuge während der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse im Jahr 1946. Seine detaillierten Aussagen trugen entscheidend zur Verurteilung zahlreicher Täter bei. Für ihn und seine Familie hatte das bittere Folgen. Sie erhielten Morddrohungen. Außerdem konnte der erfahrene Ingenieur und Unternehmer im Nachkriegsdeutschland keine Arbeit mehr finden. Niemand wollte mit dem Vaterlandsverräter und Nestbeschmutzer Geschäfte machen. 1948 wanderte Gräbe mit Frau und Sohn nach Kalifornien aus.
1953 nahm er die amerikanische Staatsbürgerschaft an.
Während Gräbe 1965 in Israel als einer der Gerechten unter den Völkern in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem geehrt wurde, sah er sich in Deutschland erneut mit massiven Verleumdungen konfrontiert. Georg Marschall, einer der aufgrund von Gräbes Aussagen in Nürnberg verurteilten Nazitäter, ging 1966 in Revision. Sein Anwalt zog Gräbes Glaubwürdigkeit als Zeuge in Zweifel und erwirkte eine Anklage wegen Meineids gegen ihn. Auch wenn das Gericht ihm dabei lediglich teilweise folgte, ging die Taktik auf. Marschall wurde nur noch wegen Beihilfe an der Erhängung eines Juden zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Gräbe dagegen, der auch im Auschwitz-Prozess ausgesagt hatte, durfte deutschen Boden nicht mehr betreten, da ihm die Verhaftung drohte. Der Spiegel übernahm 1966 die falschen Beschuldigungen und prägte damit das Bild, das man sich in Deutschland vom Lügner Gräbe machte.
Seine Rehabilitierung setzte erst in den 1990er Jahren ein. Gräbe sollte sie nicht mehr erleben. Er starb am 17. April 1986 in den USA. Wolfgang Thierse schreibt: Einmal mehr offenbarte sich am Schicksal Gräbes, wie lange sich die deutsche Nachkriegsgesellschaft weigerte, sich ihrer Verantwortung zu stellen. Inzwischen trägt ein Solinger Jugendzentrum aufgrund eines Beschlusses sämtlicher Solinger Stadtratsfraktionen anlässlich Gräbes 100. Geburtstag seinen Namen, und auch an seinem Geburtshaus findet sich eine Gedenktafel.


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