Auschwitz
Mit diesem Transport werden 542 Männer und Jungen sowie 468 Frauen und Mädchen aus dem Polizeilichen Durchgangslager Westerbork (Durchgangslager für Juden, Zigeuner und Resistenzkämpfer) ins KL Auschwitz deportiert. Nach der Selektion werden 473 Männer und 315 Frauen als Häftlinge ins Lager eingewiesen. Die Männer werden mit den Nummern 53325 - 53797 und die Frauen mit den Nummern 12010 - 12324 gekennzeichnet. Die übrigen 222 Menschen werden der Sonderbehandlung zugeführt.
Bericht
Die Deportationslisten fußten auf der fast lückenlosen Registrierung der niederländischen Juden, die im Januar 1941 vom staatlichen Rijksinspectie van de Bevolkingsregisters (Reichsinspektor des Einwohnermeldeamts), Jacob Lentz, durchgeführt worden war. Der Joodse Raad (Judenrat) Amsterdam, der auf deutschen Befehl eingesetzt worden war und ab 1941 der Zentralstelle unterstand, musste die Deportationslisten zusammenstellen.
Die Zentralstelle ließ den Juden die Deportationsbescheide sowie Informationen über das erlaubte Gepäck zukommen, wie u.a. einen Koffer, Arbeitsschuhe, eine Essschüssel, Essensvorräte für drei Tage – wodurch die Deportation als Arbeitseinsatz getarnt wurde. Am 2. September 1942 wurde die Liste auch im vom Joodse Raad herausgegebenen Het Joodsche Weekblad veröffentlicht, der einzigen jüdischen Zeitung, die in den Niederlanden erlaubt war.
Juden mussten sich im Vorfeld der Deportation in der Zentralstelle melden und ihre Wohnungsschlüssel abgeben. Ihre Abschiebung aus den Niederlanden erfolgte Hand-in-Hand mit ihrer Enteignung. Deutsche und Niederländische Firmen – einige "arisiert", wie die Lippmann, Rosenthal & Co - Bank (LIRO)– führten den Enteignungsprozess durch und profitierten von ihm.
Dem Historiker Jacques Presser zufolge gab die Niederländische Polizei an "alle Bahnhöfe" die Information, dass Straßenbahnwaggons für den "Transport von Juden" zum Amsterdamer Hauptbahnhof eingesetzt würden: 3 Waggons der Linie Nr. 8, 1 der Linie Nr. 9 und jeweils 2 der Linien Nr. 16 und 24 sollten am 24. Juli, zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens von den Stationen van Westerscheldeplein, Gaffelstraat, Haarlemmermeer und Olympiaweg zum Hauptbahnhof fahren. Am Bahnhof wurden alle Deportierten der Stadt versammelt und anschließend am Abend mit dem Zug nach Hooghalen gebracht, der zu jener Zeit der zum Durchgangslager Westerbork nächstgelegene Bahnhof. Die Nederlandse Spoorwegen (Niederländische Bahn) stellt auf Anfrage des Höheren SS- und Polizeiführers Hanns Albin Rauter und dem Reichskommissar für die Niederlande, Arthur Seyss-Inquart, den Personenzug zur Verfügung.
Vom Bahnhof in Hooghalen mussten die Deportierten ca. fünf Kilometer zum Lager Westerbork marschieren.
Im Westerbork beschlagnahmten Mitarbeiter der LIRO-Bank die letzten Wertsachen der eintreffenden Juden. Jacques Peeper erinnerte sich, dass man ihn und die anderen Deportierten zwei Tage später über ihren Transport am folgenden Tag benachrichtigte. Am Abfahrtstag seien sie zurück zum Bahnhof Hooghalen gelaufen, andere Deportierte habe man auf einer von einem Traktor oder Pferd gezogenen Kutsche (boerenwagen) zum Bahnhof gebracht.
Auf den durch das Niederländisches Institut für Kriegsdokumentation (NIOD) nach dem Zweiten Weltkrieg rekonstruierten Listen sind 1.010 Deportierte angeführt – 21 von ihnen 21 meldeten sich freiwillig, drei wurden im letzten Moment hinzugefügt. Zum Beginn der Deportationswelle im Juli 1942 nahmen viele Juden in der Niederlanden an, dass nur Jüngere unter 40 Jahren zum Arbeitseinsatz deportiert würden, jedoch wurde schnell klar, dass es sich bei den Massentransporten keineswegs um einen Arbeitseinsatz handelte. Die älteste Jüdin auf diesem Transport, Leentje Grushaber-Lierens, war im Jahr 1884 geboren, aber auch ganze Familien wurden deportiert. Rachel Pais, die jüngste Deportierte, war noch nicht einmal ein Jahr als, als sie zusammen mit ihren Eltern verschleppt wurde.
Eine Kopie der Deportationsliste wurde von der LIRO-Bank am 10. September 1942 an Hans Fischböck, Generalkommissar für Finanz und Wirtschaft in den Niederlanden, geschickt (zusammen mit der Deportationsliste vom 15. Juli 1942); die beiden Kopien herstellte die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Amsterdam. Auf der Kopie war vermerkt, dass man in der Zukunft "[a]uf die Listen geflüchteter Juden" zurückkommen werde. Dieser Brief ist der erste in einer langen Reihe ähnlicher Briefe, die sich alle auf ihn beziehen. Es ist unklar, weswegen die Bankangestellten ausgerechnet diese beiden Deportationslisten geschickt haben: Denn die eine Liste stammt zwar von der ersten Deportation nach Auschwitz, aber zwischen dieser und der Deportation am 27. Juli in das Vernichtungslager gab es noch drei andere Deportationen.
Elias Pais erinnerte sich dass er und seine Frau ihre Kinder ins Gepäcknetz zum Schlafen legten. Der Zug sei ein geräumiger Passagierzug gewesen, die Atmosphäre aber alles andere als positiv, obwohl einige Leute versucht hätten, die Stimmung zu heben. Als der Zug anhielt hätten die Deportierten Wasser erhalten und sie hätten auch selbst mitgebrachtes Essen dabei gehabt.
Über die Ankunft in Auschwitz zeugen die beiden einzigen Überlebenden des Transports: Der Zug habe am 29. Juli um 2.00 morgens außerhalb des Lagers gestoppt. In jenem Moment hätten sie nur Lichter und Zäune gesehen. SS-Leute hätten die Türe geöffnet und die Deportierten mit Schlägen aus dem Zug getrieben, während das Gepäck in den Waggons geblieben sei. Anschließend seien Männer von den Frauen separiert und die meisten von ihnen zur Arbeit selektiert worden.
Die Historikerin Danuta Czech schreibt, der Lagerregistratur zufolge habe der Transport am 28. Juli 1942 Auschwitz-Birkenau erreicht. Den Unterlagen zufolge trafen542 Männer und Junge sowie 468 Frauen und Mädchen im Lager ein. Nach der Selektion wurden 473 Männer und 315 Frauen zur Zwangsarbeit gewählt. Die Männer wurden mit den Nummern 53325-53797 tätowiert, die Frauen mit den Nummern 12010-12324. Die restlichen 222 Deportierten wurden in den Gaskammern ermordet. Den Unterlagen der Namenshalle in Yad Vashem zufolge wurden aus diesem Transport direkt nach Ankunft 213 Juden ermordet: sieben Männer, 86 Frauen und 120 Minderjährige: 63 Jungen und 57 Mädchen.
Quelle: Gedenkstätte Yad Vashem